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Merkel mahnt Türkei zur Zurückhaltung

26. Juli 2015

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat die Türkei zum Maßhalten im Konflikt mit der kurdischen PKK aufgerufen. Auf Antrag Ankaras wird sich die NATO mit der Sicherheitslage in der Türkei befassen.

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Merkel mit dem türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu im Januar in Berlin (Foto: AFP)
Merkel mit dem türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu im Januar in BerlinBild: AFP/Getty Images/T- Schwarz

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat nach den türkischen Angriffen auf Lager der Kurdischen Arbeiterpartei PKK im Irak an die Regierung in Ankara appelliert, den Friedensprozess mit den Kurden fortzusetzen. Dieser Prozess sollte trotz aller Schwierigkeiten nicht aufgegeben werden, sagte Merkel in einem Telefonat mit dem türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu. Zugleich habe Merkel ihm ihre Unterstützung "im Kampf gegen den Terrorismus" versichert, teilte ihr Sprecher mit. "Sie erinnerte in diesem Zusammenhang an das Gebot der Verhältnismäßigkeit bei der Durchführung notwendiger Maßnahmen."

Zuvor hatte bereits die EU die Türkei ermahnt, den Friedensprozess mit den Kurden fortzuführen. "Jede Handlung sollte das Risiko vermeiden, die Waffenruhe und den kurdischen Friedensprozess zu gefährden", schrieb die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini in einer in Brüssel verbreiteten Erklärung.

Waffenstillstand aufgehoben

Die Türkei hatte am Wochenende ihre Militäraktionen in den Nachbarstaaten Syrien und Irak ausgedehnt und neben den Extremisten des "Islamischen Staates" (IS) auch Einrichtungen der PKK angegriffen. Die PKK erklärte daraufhin den bislang relativ stabilen Waffenstillstand für bedeutungslos. Die Luftangriffe dauerten auch am Sonntag an. Nach Angaben aus Sicherheitskreisen wurden dabei Stellungen der PKK bei Hakurk im Nordirak bombardiert.

Am Dienstag werden auf Antrag Ankaras die Botschafter der 28 NATO-Mitgliedstaaten zu Beratungen über die zunehmenden Spannungen der Türkei mit PKK und IS zusammenkommen. Die Türkei habe das Treffen wegen der "ernsten Lage nach den abscheulichen terroristischen Anschlägen der letzten Tage und zur Information der Verbündeten über ihre Gegenmaßnahmen" einberufen, teilte das Militärbündnis mit. Die NATO-Verbündeten verfolgten die Entwicklungen genau und seien solidarisch mit der Türkei. Ankara beruft sich auf Artikel 4 des NATO-Vertrags, der es den Mitgliedern ermöglicht, Beratungen einzuberufen, wenn von einer "Bedrohung für die territoriale Integrität, die politische Unabhängigkeit oder die Sicherheit" ausgegangen wird.

Die Situation in der Türkei ist seit Beginn der türkischen Luftangriffe angespannt. Am Wochenende kam es erneut zu Anschlägen auf Sicherheitskräfte und gewaltsamen Auseinandersetzungen mit der Polizei. Ein Auto-Bombenanschlag am Sonntag, bei dem in der Provinz Diyarbakir zwei türkische Soldaten getötet und vier weitere verletzt wurden, wurde von türkischer Seite der PKK angelastet.

Ein Soldat kontrolliert nach dem Anschlag mit zwei Toten in Diyarbakir ein Auto (Foto: Getty)
Ein Soldat kontrolliert nach dem Anschlag mit zwei Toten in Diyarbakir ein AutoBild: Getty Images/AFP/I. Akengin

In Ankara protestierten am Samstag rund 1000 Menschen gegen die Militäraktionen in Syrien und Nordirak. Die Polizei ging mit Wasserwerfern und Tränengas gegen die Anti-Kriegs-Demonstranten vor. Ein Friedensmarsch am Sonntag in Istanbul wurde verboten. In Paris versammelten sich rund 1500 Demonstranten, um gegen die Angriffe auf die PKK zu protestieren.

Den IS geduldet?

Mit den ersten Angriffen auf IS-Stellungen in Syrien hatte die Türkei eine radikale Wende vollzogen und ihre jahrelange Zurückhaltung gegenüber dem IS aufgegeben. Der IS kontrolliert Teile Nordsyriens an der Grenze zur Türkei. Das größte Gebiet wird jedoch inzwischen von kurdischen Milizen (YPG) kontrolliert, die gegen den IS kämpfen und der PKK nahe stehen.

Ein Demonstrant wird am Samstag in Ankara festgenommen (Foto: AFP)
Ein Demonstrant wird am Samstag in Ankara festgenommenBild: Getty Images/AFP/A. Altan

Kurdische Politiker warfen der türkischen Regierung daher vor, sie habe den IS und sein Vorgehen gegen die Kurden in Syrien unterstützt, was die Regierung in Ankara bestreitet. Anlass für das militärische Vorgehen gegen den IS war der Selbstmordanschlag in der türkischen Grenzstadt Suruc in der vergangenen Woche, bei dem 32 Menschen getötet wurden. Das Attentat wird dem IS zugeschrieben. Die Türkei stellte daraufhin den US-Streitkräften alle ihre Luftwaffenstützpunkte für Einsätze in Syrien zur Verfügung und griff erstmals selbst IS-Stellungen an.

Kritik an Angriffen auf PKK-Stellungen

In Deutschland wurden diese Angriffe begrüßt. Deutliche Kritik gab es aber an den gleichzeitigen Angriffen auf die PKK in Nordirak. Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen erklärte, es sei wichtig, dass sich auch die Staaten der Region über Religionsgrenzen hinweg gegen den IS-Terror engagierten. Besorgt äußerte sie sich aber zu den Angriffen auf die PKK. Die Türkei dürfe den eingeschlagenen Pfad der Versöhnung mit der PKK nicht verlassen, warnte sie.

Ein türkischer Kampfjet in Diyarbakir (Foto: Anadolu)
Ein türkischer Kampfjet in DiyarbakirBild: picture-alliance/AA

Kritik an dem Beschuss der PKK-Lager in Nordirak kam auch von anderen Politikern. "Die türkische Politik scheint einmal mehr auf Abwegen", sagte der außenpolitische Sprecher der SPD, Niels Annen. Der Grünen-Außenpolitiker Omid Nouripour wirft Erdogan vor, dessen "angeblicher Kampf gegen den IS erweist sich als Vorwand, um gegen die Kurden vorzugehen, die ihm eine empfindliche Wahlniederlage zugefügt haben". "Er scheint zur Vorbereitung der Neuwahlen sogar einen Bürgerkrieg in Kauf zu nehmen." Der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter sprach von einem zwiespältigen Vorgehen. "Die Türkei verhält sich ambivalent und teilt den westlichen Kampf gegen IS nur zum Teil", sagte er.

Die USA unterstützen hingegen die türkischen Angriffe auf die PKK, die von den USA und der Europäischen Union (EU) als terroristische Gruppierung bewertet wird. Die USA respektierten das Recht der Türkei auf Selbstverteidigung, erklärte der US-Sondergesandte für den Kampf gegen den IS, Brett McGurk.

Die türkische Regierung hatte 2012 Friedensgespräche mit der PKK begonnen. Dabei wurde auch ein Waffenstillstand und ein Abzug der PKK-Kämpfer aus der Türkei in den Nordirak vereinbart. Der Friedensprozess liegt aber bereits seit längerem auf Eis. Der auf der Gefängnisinsel Imrali inhaftierte PKK-Chef Abdullah Öcalan hatte zuletzt im März zum Frieden mit der türkischen Regierung aufgerufen.

stu/qu (afp, dpa, rtr)