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Merkel lässt Kanzlerkandidatur weiter offen

28. August 2016

Die Umfragewerte von Angela Merkel sind schlecht. Die Flüchtlingskrise belastet das Verhältnis zur Schwesterpartei CSU. Das Ansehen der Kanzlerin schwindet. Ob sie überhaupt noch einmal antritt, lässt sie offen.

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Deutschland Bundeskanzlerin Angela Merkel im ARD-Interview Foto: © picture-alliance/dpa/R. Jense
Bild: picture-alliance/dpa/R. Jensen

Sie werde "zum gegebenen Zeitpunkt" entscheiden, sagte Merkel. Dies betreffe sowohl ihre erneute Kandidatur als CDU-Vorsitzende auf dem Parteitag im Dezember in Essen wie auch eine Kanzlerkandidatur bei der Bundestagswahl 2017. Sie habe sich bislang auch noch nicht geäußert, wann sie ihre Entscheidung mitteilen wolle, betonte Merkel.

Das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" hatte berichtet, Merkel habe vor, ihre Entscheidung für eine erneute Kandidatur wohl erst im Frühjahr 2017 bekannt zu geben. Grund dafür sei, dass sich CSU-Chef Horst Seehofer erst dann entscheiden möchte, ob seine Partei Merkel wieder unterstütze, berichtete das Magazin unter Berufung auf CDU-Kreise.

Abhängigkeit von Seehofer?

Kritik kommt vom Koalitionspartner. SPD-Vize Ralf Stegner sagte: "Die Kandidatur von Angela Merkel hängt offenbar am seidenen Faden der Gnade von Horst Seehofer." CDU und CSU seien tiefgreifend zerstritten.

Die SPD hat selbst noch nicht entschieden, wen sie 2017 als Kanzlerkandidaten ins Rennen schicken will. Geplant ist, Anfang 2017 den Namen des Kandidaten zu nennen. Parteichef Sigmar Gabriel sagte am Rande des ZDF-Sommerinterviews: "Nachdem Frau Merkel erklärt hat, sie will's erst 2017 sagen - warum sollen wir eigentlich vorher entscheiden?" Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt sagte, dass sie sehr hoffe, dass Frau Merkel ihre Entscheidung nicht von Herrn Seehofer abhängig mache. Und sie hoffe sehr, dass sie frei genug sei, zu entscheiden: Will ich das oder will ich das nicht.

Deutschland Sigmar Gabriel PK in Berlin
Kanzlerkandidat? SPD-Chef Sigmar GabrielBild: Getty Images/AFP/T. Schwarz

Merkel steht wegen der Flüchtlingskrise in der Kritik. Dies zeigt sich auch in Erhebungen. So kommt eine Emnid-Umfrage im Auftrag der "Bild am Sonntag" zu dem Ergebnis, dass jeder zweite Befragte gegen eine vierte Amtszeit von Bundeskanzlerin Angela Merkel nach der Bundestagswahl im kommenden Jahr ist. Dagegen wünschen sich 42 Prozent der Bürger, dass die Kanzlerin noch einmal antritt. Allerdings wurden nur 500 Bürger befragt. Die Zahlen sind damit nicht repräsentativ.

Unter den Unionsanhängern sind 70 Prozent für eine weitere Amtszeit und nur 22 Prozent dagegen. Merkels Sympathiewerte verschlechterten sich laut dem Bericht leicht im Vergleich zum Ende des vergangenen Jahres. Im November hatten sich in einer BamS-Umfrage noch 45 Prozent für eine weitere Amtszeit ausgesprochen und 48 Prozent dagegen.

Merkel zieht positive Bilanz der Flüchtlingspolitik

Hinsichtlich der Angriffe wegen ihrer Flüchtlingspolitik bleibt Merkel gelassen und verteidigt diese. Sie habe schon vor einem Jahr darauf hingewiesen, dass es hier um eine große Aufgabe gehe, sagte Merkel. "Da haben wir auch seither Vieles erreicht und Manches bleibt noch zu tun."

Zu ihrem viel zitierten Satz "Wir schaffen das" sagte Merkel jetzt, rund ein Jahr später: "Wir stehen heute ganz anders da als vor einem Jahr." Es gebe Tausende zusätzlicher Mitarbeiter beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, es sei ein Integrationsgesetz auf Bundesebene beschlossen worden und die Kommunen würden bei den Integrationskosten entlastet. Zugleich seien härtere Regeln für Menschen mit schlechter Bleibeperspektive festgelegt worden.

Vor einem Jahr sei die Prognose für den Zuzug von Flüchtlingen auf 800.000 angehoben worden. Damals habe sie deutlich machen wollen: "Wir gehen an die Aufgabe heran" und "wo uns etwas im Wege steht, da müssen wir das überwinden", hob die Kanzlerin hervor.

Quotensystem bleibt

Mit Blick auf Kritik auch vom Koalitionspartner SPD sagte Merkel: "Wir haben alles gemeinsam beschlossen." Die große Koalition habe "viel Gesetzesarbeit geleistet". In den kommenden Wochen sollten jetzt noch weitere Maßnahmen im Bereich Innere Sicherheit beschlossen werden."

Trotz des Widerstands bei zahlreichen EU-Partnern hält Merkel an einem Quotensystem zur Verteilung der Flüchtlinge in der EU fest. Bei der Frage, wie die in Europa lebenden Flüchtlinge verteilt werden könnten, gebe es "einige Länder, die sich nicht so daran beteiligen wollen, andere, die offener sind."

Keine Ausgrenzung von Muslimen

Zugleich betonte die Kanzlerin: "Was nicht geht ist, dass einige Länder sagen, Muslime wollen wir generell in unserem Land nicht haben. Egal, ob das aus humanitären Gründen notwendig ist oder nicht." Darüber müsse weiter gesprochen werden. Der Flüchtlingspakt zwischen der EU und der Türkei sei von allen Partnerländern als richtig und wichtig bestätigt worden, sagte Merkel zudem nach ihren Gesprächen auch mit zahlreichen skeptischen Regierungschefs der EU in den vergangenen Tagen.

Bundeskanzlerin auch der türkischstämmigen Deutschen

Merkel erwartet von türkischstämmigen Deutschen, dass sie innertürkische Konflikte nicht nach Deutschland tragen. Zugleich relativierte sie ihre Loyalitäts-Forderung an türkischstämmige Deutsche. Sie lade alle diejenigen, die schon lange in Deutschland lebten, ein, sich "in die Entwicklung unseres Landes miteinzubringen". "Wenn sie das möchten, sind sie jedenfalls herzlich willkommen." Dazu könne sie aber niemanden zwingen.

In einem früheren Interview hatte sie gesagt, dass sie von Türkischstämmigen "ein hohes Maß an Loyalität zu unserem Land" erwarte. Sie wolle betonen, dass sie auch Bundeskanzlerin der zugewanderten Türken sei, sagte Merkel. "Das Bekenntnis ist wichtig."

Zugleich wies die Kanzlerin den Vorwurf zurück, dass die die innenpolitische Entwicklung in der Türkei nicht ausreichend kritisiert würde. "Die Tatsache, dass wir immer wieder Dinge ansprechen, deutet ja darauf hin, dass nach unseren Vorstellungen der Demokratie wir nicht mit allem einverstanden sind", sagte sie. Es sei aber wichtig, mit der Regierung in Ankara im Gespräch zu bleiben.

Entlastungen in der nächsten Legislaturperiode

Auch in Bezug auf das Thema Steuerentlastungen ist Merkel noch unentschlossen. Zwar stellt sie Steuerentlastungenin der nächsten Legislaturperiode in Aussicht. Vor Festlegungen wolle sie aber die Lage bei den Steuereinnahmen im Frühjahr 2017 abwarten, sagte die CDU-Chefin.

Auf die Frage, warum es nicht schon in dieser Legislaturperiode Entlastungen gebe, sagte Merkel: "Wenn wir dann nächstes Jahr im Frühjahr ein sattes Polster haben, sollte mich das sehr ermutigen." Sie sei froh, dass sich nahezu alle Parteien damit beschäftigten, wie man in der nächsten Legislaturperiode gegebenenfalls Steuerentlastungen ins Auge fassen könne, vor allem für die Mitte der Gesellschaft, sagte sie.

cgn/sc (afp, dpa, ARD, rtr)