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Politik

Merkel: 500 Flüchtlinge im Monat aufnehmen

2. Februar 2017

Ein zentrales Thema beim Türkei-Besuch der Bundeskanzlerin war das Flüchtlingsabkommen der EU mit Ankara. Sie sagte zu, dass Deutschland ein regelmäßiges Kontingent syrischer Flüchtlinge aus der Türkei übernimmt.

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Türkei  Angela Merkel - Binali Yildirim
Kanzlerin Merkel und der türkische Ministerpräsident Binali YildirimBild: Reuters/Ho

Bei ihrem Aufenthalt in der türkischen Hauptstadt hat Bundeskanzlerin Angela Merkel der Regierung in Ankara eine wichtige Zusage gemacht. Deutschland werde "500 Flüchtlinge jeden Monat nehmen, um in bestimmten Fällen hilfreich zu sein", sagte Merkel bei einer Pressekonferenz mit Ministerpräsident Binali Yildirim in Ankara. Sie würdigte erneut die Leistung der Türkei bei der Aufnahme von Flüchtlingen und betonte die Bedeutung des Flüchtlingsabkommens mit der Europäischen Union.

Der Vertrag müsse "von allen Seiten mit Leben erfüllt werden", unterstrich sie. Das Abkommen sieht seit März 2016 vor, dass alle in Griechenland ankommenden Flüchtlinge zurück in die Türkei geschickt werden. Die EU sagte der Türkei dafür finanzielle Hilfen bei der Versorgung der Menschen zu. Zudem erklärte sie sich bereit, im Gegenzug syrische Flüchtlinge aufzunehmen. Inzwischen würden auch die zugesagten Mittel fließen, "wenn auch nicht so schnell, wie die Türkei das wünscht", erklärte die Kanzlerin. Nach ihren Worten sind 2,2 der zugesagten drei Milliarden Euro gebunden, 750 Millionen Euro bislang tatsächlich ausgegeben.

Probleme mit dem Flüchtlingspakt

Nach dem Treffen mit Merkel räumte Yildirim Schwierigkeiten bei der Umsetzung des Flüchtlingspakts ein. "Ein Teil davon funktioniert gut, ein Teil davon funktioniert nicht wie wir das wollen". Im Flüchtlingspakts wurde auch eine Visa-Liberalisierung für türkische Staatsbürger vereinbart. Als Voraussetzung fordert die EU aber unter anderem eine Entschärfung der Anti-Terror-Gesetze in der Türkei. Ankara lehnt dies ab. Yildirim stellte auch diesmal keine Lockerung der Gesetze in Aussicht. Er sagte, die Türkei erwarte von der EU, dass das Thema Anti-Terror-Gesetze "auf eine Weise behandelt wird, die die Sicherheit der Türkei, der Region und Europas nicht gefährdet".

Was erwarten die Menschen vom Merkel-Besuch?

Merkel kündigte an, dass die Innenminister darüber sprechen würden, wie die Sicherheit an den Flughäfen und in den Feriengebieten verbessert werden könne, da es wegen der Anschläge bei Touristen Sorgen gebe.

Kampf gegen die PKK

In Ankara sicherte die Kanzlerin ihrem Kollegen auch eine engere Zusammenarbeit gegen die verbotene Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) zu. "Die PKK wird auch in Deutschland als terroristische Organisation eingestuft", sagte Merkel. Die PKK werde nicht nur vom Verfassungsschutz beobachtet, sondern es werde auch gegen sie vorgegangen. Sie verstehe, wenn die Türken angesichts der Anschläge der PKK erwarteten, dass auch andere Länder gegen sie vorgehen.

Die Türkei wirft der Bundesregierung seit Monaten vor, die PKK in Deutschland frei agieren zu lassen. So könne sie Geld eintreiben, Kämpfer rekrutieren und ihre Frontorganisationen könnten öffentliche Kundgebungen abhalten. Merkel sicherte nun zu, dass Fälle von mutmaßlichen PKK-Mitgliedern, die von der Türkei vorgelegt werden, eingehend geprüft werden.

Demokratische Grundrechte

Zuvor hatte die Kanzlerin in Ankara die Einhaltung demokratischer Grundrechte angemahnt. Bei weiteren politischen Schritten solle darauf geachtet werden, dass Meinungsfreiheit, Pressefreiheit und die Gewaltenteilung eine Rolle einnehmen, die demokratischen Grundstrukturen entsprächen, sagte Merkel nach dem Treffen mit Yildirim.

Auch bei einer vorherigen Begegnung mit Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan drang sie auf Einhaltung der Meinungsfreiheit. Gerade in einer Phase tiefgreifenden Umbruchs nach dem Putschversuch 2016 müsse alles dafür getan werden, Gewaltenteilung, Meinungsfreiheit und die Vielfalt der Gesellschaft zu wahren, sagte Merkel.

Treffen mit der Opposition

Vor dem Hintergrund der umstrittenen Pläne Erdogans zur Einführung eines Präsidialsystems betonte Merkel: "Opposition gehört zu einer Demokratie dazu. Das erfahren wir alle jeden Tag in demokratischen Staaten." Wie die Bundesregierung bestätigte, traf sich Merkel zum Abschluss ihrer Reise mit Vertretern der türkischen Opposition, darunter der Vorsitzende der Mitte-Links Partei CHP, Kemal Kilicdaroglu, und eine Delegation der pro-kurdischen Oppositionspartei HDP zusammen, wie die Bundesregierung bestätigte.

Merkel plädierte dafür, bei dem Verfassungsreferendum über das Präsidialsystem unabhängige Beobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) einzusetzen. Seit dem Putschversuch beklagen Menschenrechtler eine drastische Beschneidung demokratischer Rechte.

Zudem sprach die Kanzlerin auch die Debatte um Spitzelvorwürfe gegen den türkeinahen Islam-Verband Ditib an. Die Irritationen müssten ausgeräumt werden, sagte sie. Ditib hatte eingeräumt, dass Imame des Verbands, die in aller Regel von der türkischen Religionsbehörde nach Deutschland entsendet werden, Anhänger der Gülen-Bewegung bespitzelt haben.

Türkei Treffen Angela Merkel & Recep Tayyip Erdogan
Zweieinhalb Stunden sprachen Kanzlerin Merkel und Präsident Erdogan in AnkaraBild: picture-alliance/Anadolu Agency/K. Azher

Debatte über "islamistischen Terror"

Erdogan kritisierte, dass die Kanzlerin den Ausdruck "islamistischer Terror" benutzt habe. Islam und Terror hätten nichts miteinander zu tun, sagte er und ergänzte: "Islam bedeutet Frieden." Als "muslimischer Präsident" könne er diesen Ausdruck niemals akzeptieren. Merkel hob ausdrücklich die Zusammenarbeit mit den Muslimen in Deutschland im Kampf gegen den Terrorismus hervor. "Ich möchte, dass die Menschen in der Türkei jedenfalls wissen, dass wir Muslime nicht nur achten und schätzen, sondern dass wir gut miteinander zusammenarbeiten wollen und gemeinsam gegen diesen schrecklichen Terrorismus kämpfen." Die muslimischen Verbände in Deutschland hätten sich klar gegen jede Form von Terrorismus eingesetzt, lobte sie. Erdogan und sie hätten sehr ausführlich darüber gesprochen, dass "wir eine sprachliche Unterscheidung haben zwischen Islam und islamistisch".

Viele Muslime lehnen Begriffe wie "islamischer Terrorismus", aber auch "islamistischer Terrorismus" ab, da damit eine Verbindung zwischen ihrer Religion und Terror gezogen wird. Sie argumentieren auch mit Blick auf die Taten der Dschihadisten des "Islamischen Staats", dass Terror niemals mit dem Islam gerechtfertigt werden könne. Muslime, die Anschläge begingen, würden damit gegen ihre Religion verstoßen.

kle/ust/pab (afp, epd, dpa, rtre)