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Interview

Die Fragen stellte Emilia Rojas22. Mai 2007

Amnesty International benennt im Jahresbericht 2007 die schlimmsten Menschenrechtsverletzungen. DW-WORLD sprach darüber mit der Vorsitzenden des Ausschusses für Menschenrechte des Bundestages, Herta Däubler-Gmelin.

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Gefolterter Iraker mit Misshandlungsspuren auf dem Rücken
Foltern gehört zu den schlimmsten MenschenrechtsverletzungenBild: dpa

DW-WORLD: In Anbetracht der Polemik um die Bewerber für den Menschenrechtsrat der UNO: welche Zukunftsperspektiven sehen Sie für diese internationale Instanz?

Herta Däubler-Gmelin: Die Gründungsresolution der UN-Vollversammlung 60/251 legt fest, dass nur Staaten mit einem hohen Menschenrechtsstandard zu Mitgliedern des Menschenrechtsausschusses gewählt werden sollten. Wenn man sich die Kandidaten in den einzelnen Weltregionen anschaut, dann allerdings konnte einem schon schlecht werden, zumal leider in manchen Regionen eine Auswahl unter Kandidaten kaum möglich war. Aber bei der zweiten Runde der Wahlen konnte wenigstens verhindert werden, dass einer der letzten Menschenrechtsverletzer und Diktaturen, nämlich Weißrussland, gewählt wurde. Insgesamt muss jedoch die Lage der Menschenrechte in der Welt in der UN-Vollversammlung dringend zum Thema gemacht werden. Sonst leidet die Menschenrechtsarbeit auf globaler Ebene.

Weltweit wurde mit Sorge beobachtet, wie im Kampf gegen den Terrorismus grundsätzliche Aspekte der Menschenrechte beiseite geschoben wurden, etwa bei Guantanamo. In Deutschland gab es auch Kritik, konkret im Fall Kurnaz. Wie beurteilen Sie diesen Wandel?

Ich halte das, was da passiert ist, auf jeden Fall für eine menschliche Tragödie, die ein sehr schlechtes Licht auf unser Land wirft. Schließlich gibt es keinen Zweifel daran, welche eine schlimme Verletzung der Menschenrechte das Vorgehen der Bush-Regierung im Irak und in Guantanamo ist. Welche konkrete Stelle was falsch gemacht hat, muss noch vollends geklärt werden.

Bei einer Tagung des Netzwerks für Migranten, Migranet, haben Sie die Ansicht vertreten, dass die Pflicht, illegal in Deutschland lebende Ausländer an die Behörden zu melden, gegen grundlegende Rechte verstößt. Sind illegale Einwanderer schutzlos?

Deutschland hat die bekannten internationalen Verträge wie den Zivilpakt und den Sozialpakt ratifiziert und sich damit verpflichtet, Zugang zu den dort gewährleisteten Menschenrechten zu garantieren. Das gilt für alle, nicht nur für Menschen mit gültigen Aufenthaltspapieren. Deshalb muß ein vernünftiger Ausgleich zwischen dem - legalen - Anspruch unseres Staates auf Kontrolle durch Aufenthaltspapiere und diesem Zugang zu Menschenrechten geschaffen werden. Das kann am besten durch die Veränderung der Meldepflichten und durch Klarstellung der Straflosigkeit für die betroffenen Helfer erreicht werden.

Im Bildungsbereich wurden Deutschland vom UNO -Sonderberichterstatter Vernor Muñoz Villalobos besorgniserregende Probleme attestiert. Die fehlende Chancengleichheit wurde von diesem Menschenrechtsexperten kritisiert. Welche Konsequenzen werden daraus gezogen?

Ich fand zunächst einmal interessant, mit welcher Häme sogar Zeitungen mit hohem Anspruch über diesen Sonderberichterstatter hergezogen sind. Dabei hat er bestätigt, was wir alle wissen: Kinder aus sozial belasteten Familien oder Familien mit Migrationshintergrund haben es schwer bei uns. Das müssen wir dringend ändern. Durch die verfehlte Föderalismusreform allerdings, die gerade im Bildungsbereich die politische Verantwortung durch Übertragung an die Länder weiter zerstückelt, wird das nicht einfacher. Ständige Mahnungen der verantwortlichen Schul- und Bildungsminister der Länder durch Öffentlichkeit und Medien gehören zu den wichtigsten Forderungen.

Welche sind die wichtigsten Ziele die Deutschland in der Menschenrechtspolitik momentan auf EU-Ebene verfolgt?

Es ist wichtig, dass die EU eine gemeinsame Menschenrechtspolitik entwickelt, denn bisher kostet die Koordinierung der nationalen Menschenrechtspolitiken einfach zu viel Zeit und Substanz. Darum bemüht sich die deutsche Präsidentschaft. Ich sehe auch einen wichtigen Beitrag der Parlamente zur Stärkung der europäischen Menschenrechtspolitik. Die Menschenrechtsausschüsse haben eine wichtige Funktion als Scharnier zwischen der Arbeit der Menschenrechtsorganisationen der Zivilgesellschaft und der Politik. Die muß auch auf europäischer Ebene gestärkt werden: Deshalb gründen wir am 15. Juni 2007 in Berlin ein Menschenrechts-Netzwerk der Parlamentsausschüsse der Europäischen Union für Menschenrechte.