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Rudi Völler: (k)ein Reformer fürs DFB-Team

13. Januar 2023

Rudi Völler übernimmt beim DFB die Leitung der Nationalmannschaft. Der ehemalige DFB-Teamchef ist eine praktische Lösung, aber eine kurzsichtige und sicherlich keine visionäre, findet Andreas Sten-Ziemons.

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Gesicht von Rudi Völler halb verdeckt bei DFB-Pressekonferenz | 
Rudi Völler kehrt zum DFB zurück und übernimmt bei der Nationalmannschaft den Posten als TeammanagerBild: Sebastian Gollnow/dpa/picture alliance

"Es gibt nur einen Rudi Völler", singen die deutschen Fans schon seit über zwei Jahrzehnten. Wohl kein deutscher Fußballer oder Ex-Profi wird auch auf fremden Plätzen so von den Fans gefeiert wie er. Völler ist ein Sympathieträger, den im Grunde alle lieb haben und der auch niemandem etwas zuleide tut - und möglicherweise ist genau das auch der Grund, warum er nun die Nachfolge von Oliver Bierhoff beim Nationalteam antreten darf - es geht um Sympathie. DFB-Präsident Bernd Neuendorf umreißt Rudi Völlers Mission so: "Wir wollen nun wieder eine verschworene Gemeinschaft formen, eine willensstarke und sympathische Nationalmannschaft mit dem klaren Ziel, die uneingeschränkte Unterstützung der Fans zurückzugewinnen."

Rückkehr aus der Rente

Der 62-Jährige Völler hat eine lange und erfolgreiche Karriere im Fußball hinter sich. Als Stürmer wurde er Weltmeister, Bundesliga-Torschützenkönig und gewann die Champions League. Als DFB-Teamchef führte er Deutschland 2002 ins WM-Finale gegen Brasilien (0:2) und war in den vergangenen 18 Jahren erst als Manager, dann als Sport-Geschäftsführer für die sportlichen Geschicke von Bayer 04 Leverkusen verantwortlich.

Eigentlich hat sich Völler vor kurzer Zeit mit seinem Abschied beim Werksklub aus dem aktiven Fußballgeschäft und der ersten Reihe zurückgezogen. Jetzt kehrt er zurück, weil er gebraucht wird, weil niemand, der geeigneter wäre, zur Verfügung steht und vielleicht auch ein bisschen, weil er nicht nein sagen kann. 

Lange Tradition der Rettungseinsätze

DW-Redakteur Andreas Sten-Ziemons
Andreas Sten-ZiemonsBild: Slawa Smagin

Offenbar liegt es in Völlers Naturell, zu helfen, wenn Not am Mann ist. Schon sein erstes Engagement beim DFB war nicht so geplant, wie es sich dann entwickelte: Völler sollte nach der enttäuschenden EM im Jahr 2000 als Nachfolger von Erich Ribbeck für ein Jahr interimsmäßig als DFB-Teamchef einspringen, bis Christoph Daum als neuer Bundestrainer übernehmen würde. Doch da Daum wegen seiner Kokain-Affäre für den Job ausfiel, wurde aus dem Interims- ein fester Job und Völler führte das DFB-Team 2002 in Japan und Südkorea sogar zur Vizeweltmeisterschaft. Weil Daum auch bei Bayer 04 seinen Job verlor, sprang Völler im Herbst 2000 auch dort für knapp einen Monat als Trainer ein.

Als die AS Rom, Völlers Ex-Klub in Italien, nach dessen Abschied als DFB-Teamchef im Sommer 2004 plötzlich ohne Trainer dastand und um Hilfe bat, stellte sich Völler auch dort zur Verfügung. Allerdings schmiss er nach nur 26 Tagen wieder hin, weil sich kurzfristig kein sportlicher Erfolg einstellen wollte. Es folgten seine Jahre als Sportdirektor und Geschäftsführer bei Bayer Leverkusen - ein im Grunde sorgenfreier Job, weil in der oft bespöttelten Leverkusener "Wohlfühl-Oase", gar nicht verlangt war, Meister zu werden oder stets das Letzte aus sich rauszuholen. 

Ein Mann des Ausgleichs

Und genau das ist auch der Unterschied zwischen dem ursprünglich beim DFB favorisierten Matthias Sammer - der aber direkt absagte - und Rudi Völler. Während Sammer unbequem, fordernd, auch bei großen Erfolgen nie zufrieden ist und stets nach Möglichkeiten zur Verbesserung sucht, ist Völler eher ein Mann des Ausgleichs. Einer, der vielleicht mal den einen oder anderen Spieler beiseitenimmt, um ihm im Einzelgespräch gut zuzureden. Oder einer, der sich nach kollektiv schwachen Leistungen öffentlich vor die Mannschaft stellt und sie gegen vermeintlich ungerechte Kritik verteidigt.

Rudi Völler und Matthias Sammer im Gespräch
Sehr unterschiedliche Typen: Rudi Völler und Matthias SammerBild: El-Saqqa/augenklick/firo Sportphoto/picture alliance

Dass er das kann, hat er nicht nur bei seiner legendären "Island-Weizenbier-Wutrede" in der ARD, sondern auch später bei mehreren Gelegenheiten bei Bayer Leverkusen bewiesen. Allerdings: Völler übernimmt die Nachfolge von Oliver Bierhoff nur partiell und wird nur einen Teil der Aufgaben übernehmen, die der langjährige Nationalmannschaftsmanager, Geschäftsführer und Leiter der DFB-Akademie zuvor auf sich vereinigte. Völler wird sich nicht um die Ausbildung von Nachwuchsspielern oder Trainern kümmern oder um Marketing-Kampagnen und die Interessen der von Bierhoff so oft genannten Stakeholder. Er soll nah an der Mannschaft und Bundestrainer Hansi Flick sein, seine Erfahrung einbringen, für gute Stimmung sorgen - eben Rudi Völler sein.

Reform verschoben?

Die Entscheidung pro Völler ist daher kurzfristig sicher nicht falsch. Schließlich ist die Zeit bis zur Heim-EM 2024 knapp. Jetzt mit Gewalt einen Neuanfang zu starten und alles umzukrempeln, sorgt mittelfristig möglicherweise für mehr Unruhe als Verbesserung. Stand jetzt ist weder geplant noch vorstellbar, dass die Arbeit Völlers als DFB-Direktor der Nationalmannschaft über das Turnier in anderthalb Jahren hinausgehen wird.

Völler ist alles andere als ein Visionär, der nach der verpatzten WM in Katar eingeforderte große Umbruch fällt mit ihm wohl zunächst ein paar Nummern kleiner aus und wird sich auf die Zeit nach der EM 2024 verschieben. Danach macht Rudi Völler seinen Posten dann für einen "echten Reformer" frei.

Dieser Text wurde am 20. Januar aktualisiert.