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Politik

Ein Signal für mehr Kooperation

DW Mitarbeiterin - Anke Rasper for World in Progress
Anke Rasper
9. Oktober 2020

Kurz vor der US-Wahl hat das Nobelpreiskomitee ein Zeichen für internationale Zusammenarbeit gesetzt. Nahrung ist ein Impfstoff gegen Chaos und daher ist der Friedensnobelpreis für das WFP richtig, meint Anke Rasper.

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Logo Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen

Dass der Friedensnobelpreis in diesem Jahr an das Welternährungsprogramm (WFP) geht, mag mitten in der COVID-Pandemie auf den ersten Blick überraschen. Immerhin war auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) nominiert, ebenso wie auch Donald Trump, Greta Thunberg und rund 300 andere Kandidaten. Doch dass mit dem Preis der Fokus auf den weltweiten Hunger gerichtet wird, war dringend nötig. Im vergangenen Jahr hungerten weltweit mehr als 690 Millionen Menschen.

Die Corona-Pandemie hat das Problem wesentlich verschärft: von einer Hungerkrise "biblischen Ausmaßes" sprach WFP-Exekutivdirektor David Beasley schon im Frühsommer. Um das Schlimmste zu verhindern, weitete die Organisation ihre Nothilfe auf über 138 Millionen Menschen in mehr als 25 Ländern aus, vergangenes Jahr waren es rund 97 Millionen. Der Bedarf war schon vor Corona gestiegen - Dürren, die Heuschreckenplage am Horn von Afrika, und Feuer in vielen Teilen der Welt hatten Anfang 2020 Ernten vernichtet.

Die Klimakrise verschärft den Hunger

Denn Hunger ist immer öfter die Folge von Naturkatastrophen, die durch die Klimakrise verschärft werden. Strukturelle Ungleichheit, falsche Strukturen und mangelnde Verteilung, Krisen und Konflikte werfen Entwicklungsfortschritte immer wieder zurück. Den Hunger zu beenden, ist neben der Abschaffung der Armut das am wenigsten umstrittene Ziel in der Nachhaltigkeitsagenda der Vereinten Nationen.

DW-Redakteurin Anke Rasper for World in Progress
DW-Redakteurin Anke RasperBild: DW/B. Bathke

Bis 2030 sollen diese Ziele erreicht werden, doch schon vor der Pandemie war die Zwischenbilanz nicht gut. Dann kam die Corona-Pandemie, Millionen verloren ihr Einkommen, Märkte wurden geschlossen, Transporte auch für Nahrungsmittel fielen weg. Als der weltweite Flugverkehr zum Erliegen kam, charterte das WFP zahlreiche Transportflugzeuge und wurde zeitweise zur weltgrößten Fluggesellschaft. 

Die rund 1,2 Millionen US-Dollar Nobel-Preisgeld sind daher höchst willkommen. Sie können allerdings nur einen Bruchteil der Kosten für Nahrungsmittelnothilfe decken. Die UN schätzt, das für die Ernährungshilfe des WFP dieses Jahr rund 4,9 Milliarden US-Dollar gebraucht werden, dazu sollen 500 Millionen für die am stärksten gefährdeten Länder kommen.

Unwürdiges Betteln um Geld

Noch fehlen dafür - und für zahlreiche andere dringende humanitäre Bedarfe in vielen Ländern - Milliarden. Wieder sind die UN darauf angewiesen, dass Regierungen und Hilfsorganisationen Gelder spenden. Solche Nothilfe-Aufrufe musste das WFP, wie übrigens die meisten anderen UN Organisationen auch, in den zurückliegenden Jahren immer wieder machen - etwa um Nahrungshilfe für Flüchtlingscamps in Nordafrika oder für Kriegsopfer im Jemen finanzieren zu können. Dass die Weltgemeinschaft das Welternährungsprogramm und andere Organisationen zwingt, immer wieder um grundlegende humanitäre Unterstützung betteln zu müssen, ist unwürdig.

Immerhin: Anders als bei anderen UN-Organisationen haben die USA das WFP in diesem Jahr bereits mit 2,7 Milliarden US Dollar unterstützt, Deutschland als zweitgrößter Geldgeber mit rund 960 Millionen.

Seit 1961 gibt es das Welternährungsprogramm (WFP) und seit 1992 standen immer US-Amerikaner an der Spitze der UN-Organisation. Der aktuelle Exekutivdirektor David Beasley ist ein ehemaliger Gouverneur aus South Carolina, als republikanischer Politiker hat er Donald Trump in seinem ersten Wahlkampf unterstützt. Vielleicht hilft das bei der Spendenbereitschaft der USA. Vor allem, weil Donald Trump seit seinem Amtsantritt keinen Hehl daraus macht, dass er die Beiträge für internationale Organisationen drastisch kürzen will.

Impfstoff gegen das Chaos

Internationale Solidarität und multilaterale Zusammenarbeit sind im Moment noch wichtiger als jemals zuvor, betonte Berit Reiss-Andersen, die Vorsitzende des norwegischen Nobelpreis-Komitees in der Begründung für den diesjährigen Preisträger.

Die wichtigsten Probleme können wir nur gemeinsam lösen. Darum ist zu hoffen, dass in Zeiten von wachsendem Nationalismus und Konflikten dieser Nobelpreis den Blick auf die Grundlage der Menschlichkeit richtet. Und - das hat Reiss-Andersen in ihrer Rede auch gesagt: Nahrung ist ein Impfstoff gegen das Chaos. 

DW Mitarbeiterin - Anke Rasper for World in Progress
Anke Rasper Anke ist koordinierende Redakteurin, Autorin und Moderatorin in der DW Umweltredaktion.