1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Meinung: Laurel Hubbard - ein wichtiger Anstoß

DW Kommentarbild Sarah Wiertz
Sarah Wiertz
2. August 2021

Die Transgender-Athletin ist bei ihrer ersten Olympia-Teilnahme früh ausgeschieden. Dessen ungeachtet zwingt sie uns jedoch, das anachronistische Sportsystem zu überdenken, findet DW-Redakteurin Sarah Wiertz.

https://p.dw.com/p/3yPWx
Tokyo 2020 Olympia Laurel Hubbard
Bild: Luca Bruno/AP/picture alliance

Hat sie sich übernommen? Mit zwei gescheiterten Versuchen und einem ungültigen über 120 und 125 Kilogramm scheidet Gewichtheberin Laurel Hubbard in der Kategorie über 87 Kilogramm vorzeitig aus.

Die Last war wohl zu groß. Welchen Anteil die Gewichte an der Stange und welchen die Diskussionen um ihre Person daran haben, ist schwer auszumachen. Die Neuseeländerin zählt offiziell zu den ersten Transgender-Athletinnen, die an den Olympischen Spielen teilgenommen haben.

Warum betrifft das Transgender-Thema besonders den Sport?

Damit forderte die 43-Jährige nicht nur ihre Gewichtheber-Konkurrentinnen heraus, sondern den gesamten Sport. Einen Sport, der - bis auf wenige Disziplinen - auf einem Zwei-Geschlechter-System beruht und dadurch bestimmte Personengruppen ausschließt.

Kein anderer Bereich unserer Gesellschaft ist so sehr in diesem binären System verhaftet. Denn der Sport braucht Kategorien und Regeln, um faire Wettkämpfe zu suggerieren.

Laurel Hubbard ist bei den Spielen in Tokio früh gescheitert
Laurel Hubbard ist bei den Spielen in Tokio früh gescheitertBild: Luca Bruno/AP/picture alliance

Laurel Hubbard hat sich an alle Regeln und Auflagen gehalten, die das Internationale Olympische Komitee (IOC) Transgender-Athleten vorgibt. Deshalb hat sie sich mit ihren Leistungen die Olympia-Teilnahme verdient.

Wie fair diese Regeln, die 2015 vom IOC aufgesetzt worden waren und die nach den Spielen in Tokio überarbeitet werden sollen, überhaupt sein können, ist eine andere Frage.

Ist der Sport überhaupt fair?

Tatsache ist doch: Der Sport war, ist und wird nie ganz fair sein. 

Denn die Gesellschaft akzeptiert körperliche Vorteile wie die schnellen Muskelfasern von Usain Bolt, technische Vorsprünge wie das schnellere Auto von Lewis Hamilton - und sie akzeptiert die besseren Trainingsmöglichkeiten für Leistungssportler in reichen Industrienationen. 

Aber sie kritisiert, oft auf diskriminierende Weise, die Teilnahme von Transgender-Athletinnen an sportlichen Wettkämpfen.

Ist das anachronistische Sportsystem noch zukunftsfähig?

Ginge es beim Thema Transgender wirklich um Fairness, sollte nicht nur über die vermeintlichen Vorteile von Transathletinnen, sondern auch über die vermeintlichen Nachteile von Transathleten gesprochen und diskutiert werden. Oder über die psychischen Belastungen für Transmenschen durch Operation, Hormontherapie und gesellschaftliche Diskriminierung, die im Leistungssport enorme Auswirkungen auf den Erfolg haben können.

Transgender-Athletinnen, zumindest Spitzensportler wie Laurel Hubbard, zwingen uns, die anachronistische Zwei-Geschlechter-Norm sowie die Kriterien von Fairness zu hinterfragen, und fordern dazu auf, uns mit einer neuen und zeitgemäßen Ausrichtung des Sports auseinander zu setzten. Und das ist ein Erfolg jenseits von Medaillen.

DW Kommentarbild Sarah Wiertz
Sarah Wiertz Teamleiterin Sport Online