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Politik

Niemand steht über dem Gesetz

Barbara Wesel Kommentarbild App *PROVISORISCH*
Barbara Wesel
1. März 2021

Das Urteil gegen den früheren Präsidenten Nicolas Sarkozy ist ein Signal: Die herrschende Klasse Frankreichs war es lange gewohnt, straflos zu bleiben. Insofern dient das Gericht der Demokratie, meint Barbara Wesel.

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Frankreich Libyen Sarkozy Gaddafi
Ein Foto aus besseren Zeiten für Nicolas Sarkozy: Händedruck mit Libyens Diktator Gaddafi vor dem Elysee-Palast 2007Bild: Abd Rabbo-Mousse/abaca/picture alliance

Es ist ja nicht so, dass Nicolas Sarkozy mit Drogendealern und Autodieben zusammen in den Knast muss. Er kann seine Haftstrafe, wenn sie denn in der Berufung überhaupt bestätigt wird, mit einer Fußfessel bequem zu Hause absitzen. Und seine Frau Carla Bruni kann ihm dazu ein Liedchen auf der Gitarre spielen mit dem Refrain: "Man kann ja vieles machen, man darf sich nur nicht erwischen lassen."

In der Ära Sarkozy hatte sich so einiges angesammelt. Die Einzelheiten seines Liebeslebens nahmen die Franzosen ja amüsiert zur Kenntnis, seine politischen Umtriebe kamen erst später ans Licht. Verurteilt wurde er jetzt, weil das Gericht es erwiesen ansieht, dass er 2014 einen Generalanwalt bestochen hatte, um Informationen zu einem Ermittlungsverfahren zu bekommen. 

Die Affären- Präsidentschaft

In der Geschichte kam alles vor: Wegwerf-Handys, abgehörte Telefonate, ein Luxusposten in Monaco - die Gerichtsakten bieten genug Stoff für ein gutes Drehbuch. Und das ist ja längst nicht alles: In einem früheren Prozess war Sarkozy freigesprochen worden wegen des Vorwurfs, von der L'Oréal Erbin Liliane Bettencourt nicht deklarierte Spenden angenommen zu haben. Aber die Affäre belastete ihn über Jahre.

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DW-Europa-Korrespondentin Barbara Wesel

Und die Justiz ist mit dem Ex-Präsidenten noch nicht fertig. Ein weiteres Verfahren wegen der illegalen Finanzierung seines Präsidentschaftswahlkampfs 2007 beginnt in zwei Wochen. Sarkozy soll 50 Millionen Euro ausgerechnet vom früheren libyschen Machthaber Gaddafi bekommen haben. Und dann wird noch wegen der Beratertätigkeit für ein russisches Unternehmen ermittelt und es gibt unangenehme Fragen wegen der Beschäftigung seiner ersten Frau als Mitarbeiterin. 

Sarkozy ist der zweite Ex-Präsident, der von einem französischen Gericht verurteilt wird: 2011 traf es Jacques Chirac wegen Unterschlagung und Missbrauch öffentlichen Geldes als Bürgermeister von Paris. Das spektakulärste Verfahren aber war wohl das gegen François Fillon, der seine Frau jahrelang als Mitarbeiterin bezahlte, obwohl sie nie gearbeitet hatte. Das Urteil vernichtete die Karriere des konservativen Präsidentschaftskandidaten und öffnete die Tür für den Sieg von Emmanuel Macron.

Vorteilsnahme als Amtsprivileg

Vor ein paar Jahrzehnten war das noch anders: Der Vorwurf gegen Valerie d'Estaing etwa, der vom zentralafrikanischen Diktator Bokassa ein Säckchen Diamanten entgegengenommen hatte, verlief im Sande. Und dass François Mitterrand seine Geliebte samt Tochter in einer Staatswohnung unterbrachte und von Polizisten bewachen ließ, wurde irgendwie akzeptiert. In Frankreich galten lange Zeit andere Regeln für die die herrschende Klasse, als für die Bürger. Und daraus speiste sich der Zorn, den die Franzosen gegen ihre Regierenden hegen.

Seit einigen Jahren aber verfolgt die Justiz zunehmend Delikte von Politikern, die früher unter den Teppich gekehrt worden wären. Die Erwartung der Öffentlichkeit an gerechte Strafverfolgung gegen Groß und Klein ist gestiegen. Die alten Seilschaften bieten immer weniger Schutz und auch die jüngste Serie von Ermittlungen wegen sexueller Übergriffe gegen Größen der Pariser Gesellschaft weist auf einen Klimawandel.

Kaum noch Chancen für ein Comeback

Natürlich haben Verfahren wie das gegen Sarkozy auch ihre Gefahren. Er selbst hat ja immer behauptet, das Ganze sei eine Hexenjagd. Und es ist durchaus möglich, solche Prozesse gegen Politiker der Gegenseite politisch zu instrumentalisieren. Da muss sich dann beweisen, wie objektiv und unabhängig die Justiz tatsächlich ihr Geschäft betreibt.

Für den Ex-Präsidenten ist das Urteil ein Schlag. Er soll damit geliebäugelt haben, bei der Präsidentschaftswahl im nächsten Frühjahr ein Comeback zu versuchen, denn die Konservativen stehen ohne glaubhaften Kandidaten da. Formell könnte er zwar trotzdem antreten, aber mit einer Vorstrafe in den Wahlkampf zu ziehen, wird schwer. Als innerparteilicher Strippenzieher kann Sarkozy natürlich weiter machen. Dennoch ist das Urteil gegen ihn ein Zeichen dafür, dass keiner über dem Gesetz steht. Es ist deswegen ein wichtiges Signal an die frustrierten und desillusionierten Franzosen.