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Meinung: Neues Gesicht für amerikanischen Traum

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Ines Pohl
8. April 2022

Die Bestätigung von Ketanji Brown Jackson als erste schwarze Richterin am Obersten US-Gericht ist ein wahrlich historischer Moment. Er gibt dem progressiven Amerika dringend benötigte Energie, meint Ines Pohl.

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US Senat stimmt für Ketanji Brown Jackson als Richterin im Supreme Court
Bild: Kevin Lamarque/REUTERS

Der Oberste Gerichtshof der USA, der Supreme Court, ist in vielerlei Hinsicht aus der Zeit gefallen. Aber er ist die mächtigste Institution des Landes. Mit Entscheidungen zu strittigen Themen wie Abtreibung, Einwanderung oder LGBTQ+-Rechten prägt er das Land wie keine andere Einrichtung.

Deshalb zählt die Besetzung von frei werdenden Positionen im Supreme Court zu den wichtigsten Entscheidungen, die ein Präsident überhaupt treffen kann. Zumal die Richterinnen und Richter auf Lebenszeit gewählt werden. Ihre Amtszeit kann also die eines Präsident um Jahrzehnte überdauern.

Wichtiges Machtinstrument

Auch wenn die Richterinnen und Richter keiner politischen Partei zugeordnet werden sollten, kommen sie doch aus dem jeweiligen ideologischen Lager des amtierenden Präsidenten. Und das hat massive Implikationen in diesem zutiefst gespaltenen Land. Donald Trump hatte Gelegenheit drei Positionen zu besetzen. Und mit Amy Coney Barrett hat er kurz vor dem Ende seiner Amtszeit eine Juristin berufen, die in wenigen Monaten die entscheidende Stimme sein könnte, um geltende Abtreibungsrechte abzuschaffen. Das wäre ein Desaster für die Selbstbestimmungsrechte von Frauen in den Vereinigten Staaten.

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Ines Pohl leitet das DW-Studio in Washington D.C.Bild: DW/P. Böll

Trump konnte Barrett ernennen, weil die liberale Bundesrichterin Ruth Bader Ginsburg gestorben war. Joe Biden kann eine Position neu besetzen, weil Stephen Breyer sein Amt im Sommer niederlegt. Da auch er aus dem liberalen Lager kommt, ändert die Ernennung von Ketanji Brown Jackson nichts an der politischen Ausrichtung des Gerichtes. Und doch kann die Wirkung dieser Besetzung nicht überschätzt werden.

Weiße Männer in der Minderheit

Brown Jackson ist die erste schwarze Richterin - seit das Gremium vor 233 Jahren zum ersten Mal zusammengekommen war. Und nicht nur das. Mit ihr sind zum ersten Mal fast die Hälfte, nämlich vier der neun RichterInnen weiblich. Doch damit nicht genug: Mit ihr besteht das Gericht zum ersten Mal nicht mehr mehrheitlich aus weißen Männern. Mit zwei hispanischen und zwei afroamerikanischen RichterInnen weist die Besetzung des Supreme Court in die Zukunft des Landes: Schon in wenigen Jahren wird die weiße Mehrheit in den USA der Vergangenheit angehören.

Brown Jackson und Joe Biden umarmen sich
Die Bestätigung von Ketanji Brown Jackson durch den Senat ist für Joe Biden auch ein politischer SiegBild: Mandel Ngan/AFP/Getty Images

Joe Biden hatte in seinem Wahlkampf versprochen, eine schwarze Richterin zu berufen, und hat nun geliefert. Das ist gut für ihn. Er braucht dringend Erfolge für die nahenden Zwischenwahlen. Die Freude war ihm anzusehen, als er gemeinsam mit Brown Jackson die Abstimmung im Senat an einem Fernsehapparat im Weißen Haus verfolgte.

Zunehmender struktureller Rassismus befürchtet

Es geht aber weit über das politische Kapital dieser Entscheidung hinaus. Es sind harte Zeiten für das progressive Amerika. Nicht zuletzt wegen der mehrheitlich konservativen Besetzung des Obersten Gerichtshofes fürchten viele massive Rückschritte in Sachen Gleichberechtigung und Einwanderung. Vor allem aber auch zunehmenden Rassismus durch Wahlrechtsreformen, die Schwarze massiv benachteiligen könnten.

Ketanji Brown Jackson, die Biden mit guten Gründen als eine der klügsten Richterinnen des Landes bezeichnete, ist damit zum neuen Gesicht des "American Dream" geworden. Das nicht nur Recht sprechen wird, sondern auch tausenden von jungen schwarzen Mädchen und Jungen den Glauben zurückgeben kann, dass man es in diesen Vereinigten Staaten noch immer ganz nach oben schaffen kann. Dass sich der Kampf lohnt. Oder wie Brown Jackson in ihrer Dankesrede am Freitag im Garten des Weißen Hauses sagte: "I am the dream and the hope of the slave."

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Ines Pohl Büroleiterin DW Studio Washington@inespohl