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Den AstraZeneca-Impfstoff nicht abschreiben

16. März 2021

Die Zulassungsbehörden sichern sich ab, wenn sie jetzt Impfungen mit dem Oxford-Impfstoff bis auf weiteres unterbrechen. Das heißt aber keineswegs, dass der Impfstoff tatsächlich unsicher ist, meint Fabian Schmidt.

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Symbolbild Injektionsflasche mit Spritze AstraZeneca
Bild: Christian Ohde/CHROMORANGE/picture alliance

Ja, zwei Menschen sind durch Sinusvenenthrombosen gestorben, weitere mussten im Krankenhaus behandelt werden. Und ja, es ist jeweils passiert, nachdem die Betroffenen Impfungen mit dem Oxford-Impfstoff von Astra-Zeneca erhalten hatten.

Doch daraus den Schluss zu ziehen, dass der Impfstoff gefährlich sei, wäre völlig verfrüht. Denn erstens ist unklar, ob die Thrombosen tatsächlich etwas mit dem Impfstoff zu tun hatten. Und zweitens nehmen wir Menschen Tag für Tag viel größere Thrombose-Risiken auf uns, als uns durch die Impfung vielleicht drohen.

Korrelation oder Kausalität?

Zunächst das wichtigste: Einige Menschen erleiden Thrombosen - ob mit oder ohne Impfung. Ob es Zufall ist oder ob ein kausaler Zusammenhang mit der Impfung besteht, zeigt üblicherweise die Statistik. Die Frage lautet: Gibt es eine ungewöhnliche Häufung von Thrombosefällen nach Impfungen?

Nach allem, was wir bisher wissen, ist das bei dem AstraZeneca Impfstoff nicht der Fall. So haben Ärzte allein in Großbritannien bereits mehr als elf Millionen Dosen des Impfstoffs verabreicht. Dabei sind drei Fälle einer Sinusvenenthrombose aufgetreten. Bei 1,6 Millionen Geimpften in Deutschland gab es sieben Fälle.

Das entspricht vier Fällen pro einer Million Geimpfter seit Start der Impfungen Anfang Februar. Diese Art der Thrombose tritt aber auch ohne Impfungen in der allgemeinen Bevölkerung circa zwei bis fünf mal pro einer Millionen Personen pro Jahr auf. 

DW Wissenschaftsredakteur Fabian Schmidt
"Ich krempel meinen Ärmel auch gerne für den Oxford-Impfstoff hoch" meint Fabian Schmidt.

Die jüngst aufgetretenen Fälle entstammten einer Impfstoff-Charge, die ebenfalls gut eine Million Dosen umfasste. Bei so vielen verabreichten Impfungen liegt es nahe, dass Menschen in einem gewissen zeitlichen Rahmen zur Impfung auch eine Thrombose erleiden - das kann Zufall sein. 

Dennoch ist es richtig, wenn die Zulassungsbehörden jetzt noch einmal alle Studienergebnisse und vorliegenden Zahlen gründlich untersuchen,  denn viele Studien sind aufgrund der beschleunigten Zulassungsverfahren eigentlich noch nicht ganz abgeschlossen. 

Übrigens gibt es immer wieder Todesfälle nach Impfungen,  gerade unter hochbetagten und schwerkranken Menschen. Das liegt in der Natur der Sache: Irgendwann sterben wir - ob mit oder ohne Impfung. 

Hohe Thrombose-Risiken im Alltag

Das ganze ist kein Grund zur Panik: Wir nehmen anderswo bewusst viel höhere Thromboserisiken auf uns, als sie jetzt - vielleicht - durch eine Impfung drohen könnten. Hier einige bekannte und wissenschaftlich belegte Beispiele: Von einer Million Frauen, die die Anti-Baby-Pille nehmen, bekommen etwa 1100 eine Thrombose.

Thrombose - gefährliche Blutgerinnsel

Zudem verdoppeln verschiedene Umstände oder Verhaltensweisen unser Thromboserisiko nachweislich. Dazu gehören: Übergewicht, Reisen (insbesondere Langstreckenflüge, Auto-, Bus- oder Bahnfahrten) oder auch das Rauchen. 
All diese Faktoren sind wissenschaftlich klar erwiesen. Ein möglicher Zusammenhang mit der Impfung ist es hingegen keineswegs. 

Aber wir müssen auch folgendes bedenken: Die aufgetretenen Sinusvenenthrombosen gelten als seltener und gefährlicher als andere Thromboseformen. 

Impfungen retten Leben

Dennoch: Wir stehen am Anfang einer gefährlichen dritten Infektionswelle mit dem Coronavirus. Für Deutschland prognostizieren die Mediziner für die Ostertage bereits Inzidenzraten von über 300 pro Woche und 100.000 Einwohnern.

Alle derzeit auf dem Markt verfügbaren Impfstoffe haben gezeigt, dass sie funktionieren. Das heißt: Sie verhindern auch bei den jetzt dominanten Virus-Varianten schwere Krankheitsverläufe.

Die Wahrheit lautet also: Impfungen retten Leben. Und auch der Impfstoff von AstraZeneca rettet vor allem Leben. Angesichts der weltweiten Ausbreitung der Seuche mit mittlerweile über 120 Millionen infizierten Menschen und mehr als 2,6 Millionen Todesopfern können wir es uns nicht leisten, auch nur eine einzige Impfdosis wegzuwerfen.

Jede Impfdosis gehört in einen Oberarm. Und wenn ich irgendwann mal an die Reihe komme, nehme ich gerne auch den Impfstoff von AstraZeneca. 

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Fabian Schmidt Wissenschaftsredakteur mit Blick auf Technik und Erfindungen