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Politik

Ortega - vom Revolutionär zum Diktator

Herrera Pahl Claudia Kommentarbild App
Claudia Herrera-Pahl
8. November 2021

Diese Wahl war gar keine, sondern eine Farce. Daniel Ortega mag sich noch Präsident nennen, doch längst hat er sich zum Diktator gewandelt - zum Schaden seines Landes Nicaragua, meint Claudia Herrera Pahl.

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Präsident Daniel Ortega hebt die Hand zum Gruß, während seine Ehefrau und die Vizepräsidentin Rosario Murillo eine Landesflagge von Nicaragua schwenkt
Daniel Ortega und Rosario Murillo - ein Ehepaar, das sich sein Land unterworfen hatBild: Reuters/J. Cabrera

Der Ausgang der Wahlfarce in Nicaragua stand nie in Zweifel. Mit allen Oppositionskandidaten hinter Gittern, einer Reihe unbekannter Statisten als Zählkandidaten sowie einem dem Präsidentenpaar nahestehenden Obersten Wahlrat war das Drehbuch dieses Schmierentheaters schon lange im voraus geschrieben worden: ein überwältigender Sieg der Sandinistischen Nationalen Befreiungsfront (FSLN), ihres Parteichefs und Staatspräsidenten Daniel Ortega sowie seiner Ehefrau, der Vizepräsidentin Rosario Murillo.

Der grotesken Erklärung zum Wahlsieg, mit der diese Tragikomödie endet, folgen nun wütende Analysen und Kommentare der internationalen Presse - unabhängige nationale Medien sind ja so gut wie nicht mehr vorhanden. Die Stimmen aus dem Ausland warnen und verurteilen scharf, aber werden mit der Zeit verhallen, sobald andere Ereignisse wieder die Schlagzeilen bestimmen.  

Nichts zu verlieren und nichts zu befürchten

Daniel Ortega und Rosario Murillo scheren sich nicht darum, was die internationale Gemeinschaft über sie schreibt oder sagt. In den Geschichtsbüchern hat sich das Ehepaar ohnehin schon seinen Platz gesichert - als diejenigen, die die Demokratie in Nicaragua zu Grabe getragen und das Land international in die gleiche Ecke wie Kuba, Venezuela und Nordkorea gestellt haben. Angesichts ihres längst zerstörten internationalen Renommees haben Ortega und Murillo ohnehin nichts mehr zu verlieren und auch nicht viel zu befürchten.  

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Claudia Herrera Pahl leitet die spanische Online-Redaktion

Die tief gespaltenen Länder des eigenen Kontinents konnten sich gerade noch auf eine lauwarme Erklärung der Organisation Amerikanischer Staaten einigen, in der sie Unregelmäßigkeiten anprangerten und den Wahlprozess immerhin als Farce bezeichneten. Die Europäische Union tat dasselbe: Aber ihre Erklärung, in der sie die Wahlen als Fälschung bezeichnet und mit härteren Sanktionen droht, ist aus lateinamerikanischer Perspektive nicht mehr als ein Murmeln aus großer Entfernung. Auch der Sanktionshammer unter dem Namen "Renacer-Gesetz", mit dem die Vereinigten Staaten Druck auf das Regime Ortega und Murillo ausüben wollen, hat dessen Machterhalt nicht gefährdet. 

Keine dieser Drohungen wird Auswirkungen auf das nicaraguanische Diktatorenpaar haben. Zumindest haben im Falle ihrer Gesinnungsgenossen in Nordkorea, Venezuela oder Kuba solche Schritte nicht mehr bewirkt, als lediglich den einfachen Menschen in diesen Ländern zu schaden. 

Von Gefolgsleuten Somozas zu Handlangern Ortegas

Obwohl nichts in dieser Welt von ewiger Dauer ist und auch Ortega (er wird in dieser Woche 76) und Murillo irgendwann ihren letzten Tag erleben werden, wird sich in diesem Land so schnell nichts ändern. Nicaragua bleibt ein Land in verwirrtem Gemütszustand, in dem die Revolutionäre von gestern die Diktatoren von heute sind. In dem sogar Gefolgsleute des früheren Diktators Somoza, die später Contra-Rebellen waren, inzwischen zu Ortegas Handlangern zählen. Die DNA Nicaraguas wird auch weiterhin Ortegas und Murillos hervorbringen - vielleicht nicht so schillernde, aber dennoch mit unverwechselbaren Stempel. Es wird sehr schwierig sein, sie aufzuhalten.

Nicaragua hat seine Widerstandskraft gegen Autokraten schon lange verloren. Unter den etwa 100.000 Menschen, die das kleine Land in den vergangenen Jahren verlassen haben, sind viele Intellektuelle und Journalisten. Sie versuchen nun vom Ausland aus, den Kampf zu führen - doch große Wirkung erzielen sie nicht. Die von Repressionen getroffenen Studenten sind bereits vor drei Jahren verstummt. Die Straßen von Managua wird schon seit langem nicht mehr demonstriert.

Ein armes Land bald noch ärmer

Mit Ortega, Murillo und ihren Schergen bleiben etwa sechseinhalb Millionen Nicaraguaner zurück, von denen mehr als die Hälfte unterhalb der Armutsgrenze lebt. Sie versuchen zu überleben, so gut sie können. Nicaragua, eines der ärmsten Länder Lateinamerikas, könnte bald noch ärmer werden - mit den bekannten Folgen: mehr Arbeitslosigkeit, mehr Auswanderung, mehr Kriminalität, mehr Angst, mehr Hass, mehr Furcht. 

Mit Ortega als bisherigem Präsidenten und neuem Diktator ist die Zukunft Nicaraguas und damit ganz Mittelamerikas noch grauer und düsterer geworden.