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Politik

Das Virus bleibt und muss von allen bekämpft werden

Thurau Jens Kommentarbild App
Jens Thurau
14. Oktober 2020

Das Virus ist da. Immer noch. Und dass Deutschland die Pandemie gut im Griff habe, stimmt so nicht. Klarheit ist nötig, sonst geht das Wichtigste verloren - das Vertrauen der Bürger in die Politik, meint Jens Thurau.

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Gespenst in einer halle mit dem Schild "Wie gehts weiter"
Bild: picture-alliance/Sportfoto Zink/T. Hahn

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat darauf bestanden, dass dieses Treffen mit den Ministerpräsidenten erstmals seit langer Zeit nicht über Video-Konferenzen stattfand, sondern dass alle 16 Länderchefs tatsächlich nach Berlin kamen. Von einem historischen Treffen war die Rede im Vorfeld, es klang so, als ginge es um Krieg und Frieden.

Geht es natürlich nicht. Aber das, was Deutschland stark gemacht hat bisher in der Pandemie, die föderale Struktur, der Blick auf die Regionen, die unterschiedlich von Corona-Infektionen betroffen waren und sind, dieser Regionalismus ist jetzt zum Problem geworden.

Es stimmt ja, dass Mecklenburg-Vorpommern wesentlich weniger von der Pandemie betroffen war und ist als etwa Bayern. Lange Zeit war es sinnvoll, unterschiedliche Maßnahmen in den verschiedenen Regionen zu ergreifen. Aber jetzt nicht mehr.    

Die Pandemie bleibt: "Schaffen wir das?"

Denn jetzt wird auch den Deutschen klar: Die Pandemie ist kein Problem nur des Jahres 2020. Das Virus wird auch Deutschland massiv verändern, Gewissheiten und Privilegien werden in Frage gestellt, der Gemeinsinn, ohnehin seit langen auf dem Rückzug, wird auf eine harte Probe gestellt. "Wir schaffen das", hat Merkel in der Flüchtlingskrise vor fünf Jahren den Deutschen zugerufen. Schaffen wir auch die Pandemie?

DW-Hauptstadtkorrespondent Jens Thurau
DW-Hauptstadtkorrespondent Jens ThurauBild: DW

Die deutsche Politik wird im Moment, wie in vielen anderen Ländern auch, von dem Grundsatz geleitet, einen radikalen Lockdown wie im Frühjahr zu vermeiden. Die Erzählung geht so: Wir haben viel über das Virus gelernt, wir testen mehr als noch vor einigen Monaten, wir muten der Wirtschaft, der Kultur, den Menschen, einen erneuten Lockdown nicht mehr zu. Aber wir müssen die Zügel wieder anziehen, denn die Zahl der Infektionen steigt.

Die Tücken des Föderalismus

Und genau in diesem Moment macht grob gesagt jeder, was er will und für richtig hält. Viele Bundesländer haben Beherbergungsverbote für Bürger aus Regionen ausgesprochen, in denen die Infektionen eine kritische Zahl überschritten haben. Das sind naturgemäß die großen Städte. Verständlich aus Sicht der Betroffenen, aber eben nicht einheitlich.

Was verloren geht im Moment, ist der Schulterschluss von Politik und Wissenschaft. Führende Virologen führen an, dass nicht der innerdeutsche Tourismus das Problem sei, sondern private Feiern mit vielen Menschen ohne Abstand und Hygieneregeln. Aber viele Bundesländer blieben bei ihrer Haltung, Reisende aus Hoch-Infektionsregionen nicht mehr in ihre Hotels zu lassen.

Eine einheitliche Richtung vorgeben

Deutschland tickt föderal, immer schon. Manch ein Kommentator hat dieser Tage an die deutsche Kleinstaaterei erinnert, vor vielen Jahren. Um aber jetzt weiter einigermaßen glimpflich durch die Pandemie zu kommen, braucht es mehr Zentralismus. Schwierig genug in einem Staat, der von starken Regionen und Ministerpräsidenten geprägt ist.

Aber jetzt kommt es auf Angela Merkel an. Sie muss den Ton vorgeben, die Richtung bestimmen. Mit dem heutigen Treffen ist ein erster Schritt getan. Stärkere Maskenpflichten in stark betroffenen Regionen, stärkere Kontaktbeschränkungen. Die übergroße Mehrheit der Deutschen hält sich schon an die bisherigen Abstandsregeln, sie wird auch die Verschärfungen mittragen. Das Gemeinsame darf nicht aufs Spiel gesetzt werden.