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Politik

Australien muss den Klimaschutz wählen

DW Autor l Kommentatorenfoto Stuart Braun
Stuart Braun
20. Mai 2022

Welch ein Widerspruch: Australien leidet extrem unter dem Klimawandel und gehört doch zu den Ländern mit dem größten CO2-Ausstoß. Jetzt besteht die Chance, an der Wahlurne einen Wandel zu erzwingen, meint Stuart Braun.

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Ein Feuerwehrmann steht auf einem Löschzug, um die Flammen eines Buschfeuers in Westaustralien zu bekämpfen.
Aufgrund anhaltender Dürre wurde Australien in den vergangenen Jahren von heftigsten Buschbränden heimgesuchtBild: Sean Blocksidge/DEPARTMENT OF FIRE AND EMERGENCY SERVICES/AAP/dpa/picture alliance

Nach zwei Jahren mit heftigsten Überschwemmungen und Waldbränden sollte man meinen, dass die globale Erwärmung ein zentrales Thema im australischen Wahlkampf sein würde. Aber als Australier, der zum ersten Mal seit vier Jahren wieder aus Deutschland zu Besuch war, musste ich schockiert feststellen, dass die Politiker der großen Parteien kaum über den Klimawandel und seine Folgen diskutieren. Geschweige denn, dass sie sich zu ehrgeizigen Klimaschutzzielen verpflichten.

Wenige Monate, bevor ich Australien vor 13 Jahren verlassen habe, musste ich aus meinem Haus fliehen, das bei den "Black Saturday Bushfires" am 7. Februar 2009 nur knapp den Flammen entging. Im benachbarten Tal starben an diesem Tag mehr als 100 Menschen. In den Jahren seither sind diese extremen Wetterereignisse immer häufiger und noch stärker geworden.

Das Schweigen der Politik zum Klimawandel

Australien ist seit jeher der trockenste bewohnte Kontinent der Welt. Doch heute gehört es zu den Ländern, die am stärksten vom Klimawandel betroffen sind. Die Städte an der Ostküste wurden im März und April von extremen Überschwemmungen überflutet. Rund 90 Prozent des Great Barrier Reefs sind in diesem Jahr aufgrund von Hitzestress einer weiteren Massenbleiche zum Opfer gefallen. Doch all das hatte auf den Wahlkampf der großen Parteien so gut wie keinen Einfluss. Woran liegt das?

DW Autor l Kommentatorenfoto Stuart Braun
DW-Redakteur Stuart Braun ist AustralierBild: DW/J. Collins

Zum einen ist Australien der weltweit zweitgrößte Exporteur von Kohle, dem schmutzigsten fossilen Brennstoff der Welt. Zwar liegt die Branche perspektivisch im Sterben, da neue erneuerbare Energien in Europa bald günstiger sein werden als Kohle oder Gas. Doch die allmächtige Bergbaulobby des Landes arbeitet weiter daran, sowohl Emissionsreduzierungen als auch den grundsätzlichen Ausstieg aus Kohle oder Gas zu verhindern.

Ganz gleich, wie verheerend sich die Klimakrise inzwischen auch auswirkt - es ist immer das gleiche: Weder die regierende Koalition - bestehend aus der konservativen Liberal Party und der National Party - noch die oppositionelle Labor Party wollen die Arbeitsplätze im Bergbau gefährden. Schon gar nicht in den wichtigen Regionen, die die Wahl entscheiden könnten.

Australische Klimakriege

Während in Australien selbst längst eine marktorientierte Energiewende stattfindet - erneuerbare Energien lieferten 2021 fünfmal mehr Strom als Gas -, waren Maßnahmen zur Begrenzung der globalen Erwärmung stets ein politisches Himmelfahrtskommando. Die sogenannten "Klimakriege" haben im vergangenen Jahrzehnt gleich mehrere Regierungen zu Fall gebracht.

Australien Kohlemine im Hunter Valley
Das Hunter Valley im Osten Australiens ist von riesigen offenen Kohlegruben geprägtBild: Ashley Cooper/Global Warming Images/picture-alliance

Kurz bevor ich Australien verlassen habe, konnte ich mich mit meinen klimabewussten Freunden freuen, dass die damals regierende Labor Party CO2-Preise sowie eine hohe Sondersteuer auf die Gewinne der Bergbauindustrie einführte. So wurde das Land zu einem Vorreiter in Sachen Klimaschutz. Doch als der Klimaskeptiker Tony Abbott von der Liberalen Partei 2013 zum Premierminister aufstieg, wurde das alles wieder abgeschafft.

Ein Jahrzehnt später ist die Regierungskoalition unter der Führung des Liberalen Scott Morrison - der Mann, der vor fünf Jahren im Parlament mit einem Klumpen Kohle ans Rednerpult trat - zu einem globalen Klimaparia geworden. Australien ist das Schlusslicht der Welt, was den Umfang seiner Klimaschutzmaßnahmen angeht.

Zusagen mit Ach und Krach

Etwa zur gleichen Zeit, als 2019 und 2020 über 24 Millionen Hektar Land im Südosten Australiens in Flammen standen, genehmigte die Regierung die Erschließung der gigantischen Adani-Kohlemine, die das Äquivalent von acht Jahren der gesamten australischen Treibhausgasemissionen ausstoßen wird.

Als letztes OECD-Mitglied hat sich Australien schließlich bei der UN-Klimakonferenz im November zu einer Netto-Null-Emission bis 2050 verpflichtet. Doch auch diese Zusage erzielte die Koalition nur mit Ach und Krach, denn sie beruht in weiten Teilen nur auf Kohlenstoffgutschriften und nicht auf tatsächlichen Emissionssenkungen - ein Tauschhandel, der rechtlich noch gar nicht gedeckt ist.

Die Wähler könnten die Klimakriege beenden

Nachdem ein Bundesgericht im März ein Grundsatzurteil aus dem Jahr 2021 aufgehoben hat, das besagt, dass Regierungen eine Sorgfaltspflicht haben, junge Menschen vor dem Klimawandel zu schützen, ist diese Wahl entscheidend. Und zwar für die große Mehrheit der Australier, die mehr Ehrgeiz beim Klimaschutz wollen.

Für jüngere Wähler, die eine Zunahme der Wetterextreme befürchten, gibt es Hoffnung in Form einer aufstrebenden Gruppe klimabewusster unabhängiger Kandidaten, die als "Teals" bekannt sind. Die meisten von ihnen sind Frauen. Sie könnten es schaffen, eine Reihe von Mandaten für die Koalition in den Großstädten zu erobern. Dieser mögliche Erfolg ist zumindest zum Teil auf die Frustration über die Untätigkeit in Sachen Klima zurückzuführen.

Wahlplakate "Vote Climate" vor einem Wahlbüro, wo man bereits vor dem Wahltag abstimmen kann
Die großen Parteien ignorieren das Thema - doch für unabhängige Kandidaten ist der Klimawandel ThemaBild: WILLIAM WEST/AFP/Getty Images

Die Teals werden vom Milliardär Simon Holmes à Court unterstützt, dessen Initiative "Climate 200" ein Parlament anstrebt, in dem "Leugnung der Klimawissenschaft und Einzelinteressen" nicht länger "sinnvolle Maßnahmen gegen den Klimawandel verzögern".

Der Druck könnte steigen

Die Wahlen werden knapp ausgehen, aber wenn die Unabhängigen gut abschneiden, können sie die liberal-konservative Koalition in Sachen Klima unter Druck setzen - einige versprechen eine ambitionierte Reduzierung der Emissionen um 60 Prozent bis 2030 und einen Zielwert für erneuerbare Energien von 80 Prozent bis 2030. Die Koalition hat sich viel weniger vorgenommen.

Die linke Labor-Partei ist zumindest bei den erneuerbaren Energien auf Augenhöhe mit den Grünen - doch Kohle will sie weiter auf unbestimmte Zeit exportieren.

Die Australier haben mit die höchsten Kohlendioxid-Emissionen pro Kopf auf der Erde. Und UN-Generalsekretär Antonio Guterres hat die Regierung des Landes als letzten "Ausreißer" in Sachen Klimaschutz bezeichnet. Am Samstag haben die Wählerinnen und Wähler Gelegenheit, sich für die Zukunft ihrer Kinder - und unseres Planeten - einzusetzen.

DW Autor l Kommentatorenfoto Stuart Braun
Stuart Braun Australischer DW-Journalist und Buchautor.