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Mein Deutschland: Sicher ist sicher

Zhang Danhong18. Juni 2015

Die Reisesaison ist angelaufen. An der Reiselust der Deutschen verdienen nicht nur Tourismusunternehmen, sondern auch Versicherungen. Chinesen hingegen fordern lieber das Schicksal heraus, weiß Zhang Danhong.

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Symbolbild Griechenland Urlaub Tourismus
Bild: picture alliance/Robert Harding

Herr R. ist ein geborener Verkäufer. Nachdem eine deutsche Mutter und ich bei ihm eine Reise für unsere Töchter als Abi-Geschenk gebucht hatten, pries er die Notwendigkeit einer Reiserücktrittsversicherung an: Wenn eines der Mädels krank würde, müsste das andere nicht allein reisen; sollte einem der vier beteiligten Elternteile etwas zustoßen, könnten die beiden ebenfalls von der Reise zurücktreten. Die Mutter neben mir nickte zustimmend. Ich machte hingegen aus meiner Ablehnung keinen Hehl: "Das kommt nicht in Frage. Es sind nur zwei Wochen bis zum Antritt der Reise. Die beiden freuen sich riesig darauf. Was sollte sie davon abhalten?" "Sagen Sie das nicht", schmunzelte Herr R. und erzählte eine Anekdote aus seinem Berufsleben:

Ein Bräutigam weigerte sich, eine Rücktrittsversicherung für die hochpreisige Hochzeitsreise abzuschließen. Sein Argument: "Es ist meine Hochzeitsreise, die trete ich notfalls auch mit dem Kopf unter dem Arm an." Dann fiel ihm am Flughafen beim Ausladen des Gepäcks ein Koffer auf den Fuß: schwerer Mittelfußbruch. Er konnte nicht fliegen.

Sicherheit ist teuer

Die Geschichte saß. Die andere Mutter sagte: "Ich werde das machen." Ich wollte protestieren, dass der versteckte Vergleich zwischen einer Hochzeitsreise und einem Strandurlaub nach Griechenland hinkt, biss mir jedoch auf die Zunge. Für die Rücktrittsversicherung zahlten wir zusätzlich knapp zehn Prozent des Reisepreises.

Wir hätten auch noch mehr Geld für die Absicherung der Reise loswerden können - beispielsweise für eine Reiseabbruchversicherung. Sie würde greifen, wenn während des Aufenthalts etwas passiert, was eine frühere Rückkehr oder eine Verlängerung des Aufenthalts notwendig macht. Das Gepäck könnte auch extra versichert werden. Aber für ein paar Sommerkleider und Bikini-Teile wäre eine solche Absicherung übertrieben. Fairerweise hat Herr R. uns das auch gar nicht angeboten.

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DW-Redakteurin Zhang Danhong

Ich bin nicht per se gegen Versicherungen. Eine Reisekrankenversicherung ist zum Beispiel ein absolutes Muss. Neulich erlitt ein nicht krankenversicherter Chinese, der mit dem Rucksack durch die USA radelte, einen Unfall und konnte die immensen Kosten für den Aufenthalt im Krankenhaus nicht stemmen.

Pech haben die anderen

Es mag an Unkenntnis liegen, doch das Bewusstsein für notwendige Versicherungen ist unter den Chinesen noch nicht ausgeprägt. Zudem war China bis vor Kurzem ein armes Land. Wenn man nichts hat, hat man auch nichts abzusichern. Dennoch stelle ich bei mir und vielen anderen Chinesen eine Aversion gegen Versicherungen fest: Der Verlust eines relativ wertvollen Gegenstandes wird eher als Schicksal angesehen, bevor ein Chinese auf die Idee kommt, sein Handy oder Mountainbike vorsorglich versichern zu lassen. Außerdem kalkulieren die Chinesen gern: Sie rechnen grob, wieviel sie bisher im Leben gespart haben, weil sie noch nie eine Reiserücktrittsversicherung abgeschlossen haben. Die gesparte Summe überwiegt alle möglichen Stornokosten. Und wenn sie einmal anfallen, dann ist das einfach Pech. Aber Pech haben sowieso meistens die anderen.

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Der Deutsche fragt sich: Was könnte bei einem Familienurlaub alles schief gehen?Bild: Fotolia/yamix

Während der Chinese also auf das Glück vertraut, geht der Deutsche gedanklich alle Horrorszenarien durch und versucht dann, jedem mit einer Versicherung zu begegnen. Sogar einen Konzertbesuch kann man absichern. Schließlich könnte doch sein, dass man direkt vor dem Konzertsaal ausrutscht und sich das Bein bricht. Wer nicht versichert ist, den bestraft das Leben, so wie das oben erwähnte heiratswillige Paar.

Glück im Unglück

Doch es gab in diesem Fall ein Happy End. Damit das junge Glück nicht gleich am Anfang getrübt wurde, waren alle - der Reiseveranstalter, die Fluggesellschaft und das Hotel im Ausland - sehr kulant: Das Pärchen konnte zu einem späteren Zeitpunkt die Traumreise antreten, musste aber einen Zuschlag zahlen.

Was würde ein Chinese in solch einem Fall tun? Der Pragmatische würde sagen: Dann wird eben daheim gefeiert. Der Abergläubische würde gleich die Bindung aufkündigen, denn wenn der Ehe schon zu Beginn solche Hindernisse in den Weg gelegt werden, dann stimmt etwas grundsätzlich nicht!

Zhang Danhong ist in Peking geboren und lebt seit über 20 Jahren in Deutschland.