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Meilenstein am El Capitan

Stefan Nestler15. Januar 2015

Den US-Kletterern Tommy Caldwell und Kevin Jorgeson gelingt es erstmals, die extrem schwierige "Dawn Wall" am El Capitan im Yosemite-Nationalpark frei zu klettern. 19 Tage hängen sie in der Felswand.

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Kletterer klettert bei Nacht in der Dawn Wall am El Capitan. Foto:AP
Bild: picture-alliance/dpa/Adidas Outdoor

Ein Meilenstein im Sportklettern: Tommy Caldwell und Kevin Jorgeson haben erstmals die 900 Meter hohe, meist senkrechte, teilweise überhängende "Dawn Wall" am El Capitan frei durchklettert, also bloß mit Händen und Füßen. Technische Hilfsmittel wie Seile, Haken oder Klemmkeile nutzten die beiden US-Amerikaner nur, um sich zu sichern, nicht um sich daran hochzuziehen. Nach 19 Tagen in der Felswand erreichten der 36 Jahre alte Caldwell und der 30-jährige Jorgeson den Ausstieg und schrieben damit Klettergeschichte. Die Nächte verbrachten sie in sogenannten "Portaledges", Pritschen mit einem einfachen Zeltüberzug, die in die Wand gehängt werden.

"Die Route ist mit Sicherheit die schwierigste alpine Felsroute weltweit. In dieser Hinsicht gibt's nur eines zu sagen: Hut ab, großartige Leistung!", sagt der deutsche Topkletterer Alexander Huber der DW. Der 46-Jährige hat in seiner Kletterkarriere zusammen mit seinem zwei Jahre älteren Bruder Thomas zahlreiche Glanzlichter an den steilen Granitfelsen des Yosemite-Nationalparks gesetzt, auch am 2307 Meter hohen El Capitan. Die "Dawn Wall" trägt ihren Namen, weil sie nach Südosten ausgerichtet ist und die ersten Sonnenstrahlen des Tages einfängt.

Caldwell (l.) und Jorgesen am Wandausstieg. Foto: AP
Geschafft! Caldwell (l.) und Jorgesen am WandausstiegBild: Reuters/T. Distel/Adidas Outdoor

Nur neun Finger

Ich hoffe, es inspiriert Menschen dazu, ihre eigene Dawn Wall zu finden und sie eines Tages zu meistern", sagte Jorgeson der New Times, nachdem er aus der Wand gestiegen war. "Wir haben sehr lange und zielstrebig an diesem Projekt gearbeitet." Mehr als sieben Jahre hatten sich Jorgeson und Caldwell darauf vorbereitet, ihre Traumroute frei kletternd zu meistern. "Irre! Das nenne ich Motivaton", sagt Thomas Huber der DW. Allein für den 15. von 32 Kletterabschnitten brauchte Jorgesen sieben Tage, um nach elf Versuchen endlich sturzfrei durchzukommen.

Der El Capitan im Yosemite-Nationalpark. Foto: Ap
Mekka der Big-Wall-Kletterer: Der El Capitan im Yosemite-NationalparkBild: picture-alliance/AP//Ben Margot

"Die meisten denken wohl, dass wir da draußen ständig nach Nervenkitzel und Adrenalinstößen suchen. Aber so sind wir nicht", erklärt Tommy Caldwell. "Ich träume einfach gerne in großem Stil und liebe es, Wege zu finden, um selbst ein Entdecker zu werden." Caldwell klettert mit nur neun vollständigen Fingern. 2001 hatte er sich versehentlich mit einer Tischkreissäge den oberen Teil des Zeigefingers abgetrennt. Ein Jahr zuvor war der US-Kletterer bei einer Expedition in Kirgistan mit anderen Bergsteigern in die Hand von Rebellen gefallen. Die Kletterer hatten sich in Sicherheit bringen können, weil Caldwell einen der Geiselnehmer in einen Abgrund stieß. Der Rebell überlebte den Sturz.

Der User klettert mit

Die Dawn Wall am El Capitan wurde erstmals 1970 gemeistert. Die US-Kletterer Warren Harding und Dean Caldwell (nicht verwandt mit Tommy) benötigten 27 Tage, um sich die Felswand "hinaufzunageln". Die US-Kletterer setzten damals mehr als 300 Haken, was ihnen in der Kletterszene auch einige Kritik eintrug. Dennoch war es eine Pioniertat, die in den USA für große Schlagzeilen sorgte. Diesmal war die ganze Welt zu Gast im Yosemite - digital: Fast täglich posteten Caldwell und Jorgeson Bilder und kurze Texte über Facebook, Twitter oder Instagram, dazu gab es Videos bei YouTube. Kameraleute in der Wand dokumentierten den Aufstieg.

Thomas (l.) und Alexander Huber. Foto: dpa-pa
Thomas (l.) und Alexander HuberBild: picture-alliance/dpa/Andreas Gebert

"Das ist jedem selbst überlassen", sagt Thomas Huber über die intensive mediale Begleitung des Projekts: "Ich bin auch auf Facebook, würde aber bei einem Abenteuer keinen Blog durchziehen. Da bin ich lieber 'old fashion'. Ich glaube, vom Marketing her ist es sogar besser, die Leute neugierig zu machen und erst wenn es geschafft ist, alles perfekt medial aufzubereiten." Caldwell und Jorgeson sehen das sicher anders. Das Medienecho war enorm. Selbst US-Präsident Barack Obama meldete sich per Twitter zu Wort. Er sei stolz auf die beiden: "Ihr erinnert uns daran, dass alles möglich ist."