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Mehr Rechte für Migranten

12. Februar 2011

Wie Geld und Güter sollen sich auch Menschen auf der Welt frei bewegen und niederlassen können, fordern die Teilnehmer des Weltsozialforums in Dakar. Ihre Kritik richtet sich an die Industrieänder.

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Teilnehmer des Weltsozialforums protestieren gegen die EU-Agentur Frontex (Bild: Renate Krieger)
Teilnehmer des Weltsozialforums protestieren gegen die EU-Agentur FrontexBild: DW/R.Krieger

Acht Kinder sitzen in einem Boot, das sich den Wellen des Ozeans stellt. Nur ist das Boot nicht aus Holz, sondern aus Stoff. Die Jungen und Mädchen laufen hintereinander her und halten es sich um die Taille. Auf einer Seite steht auf Deutsch: "Tausende Tote auf dem Weg nach Europa". Hunderte Menschen folgen dem Stoffboot in einem Protestmarsch durch die Straßen Dakars. Der Protest gilt der europäischen Agentur Frontex. Sie koordiniert die Zusammenarbeit der europäischen Staaten an ihren Außengrenzen, unterstützt die Länder bei Rückführungen und beobachtet unter anderem die Küsten Afrikas. Sie ist der Feind all derer, die um jeden Preis nach Europa kommen wollen, um ein besseres Leben zu finden.

Die "Weltcharta der Migranten"

Demonstranten beim Weltsozialforum in Dakar (Bild: Renate Krieger)
"Tausende Tote auf dem Weg nach Europa" steht auf dem BannerBild: DW/R.Krieger

Die Forderung nach Bewegungsfreiheit ist der Mittelpunkt der "Weltcharta der Migranten". Auf der ganzen Welt sollen sie dieselben Rechte wie die Bürger der Ziel- oder Durchreiseländer haben, besagt das Dokument, das im Internet veröffentlicht wurde. Gemeint ist damit auch das Recht auf Arbeit, Teilnahme an Wahlen und Bildung.

Der senegalesische Fischer Moustapha Diof unterstützt die "Weltcharta der Migranten". Er flüchtete vor etwa vier Jahren auf einem Fischerboot auf die Kanarischen Inseln, vor der südlichen Küste Marokkos. Nach nur kurzer Zeit endete seine Reise nach Europa. "Ich habe 44 Tage auf den Kanarischen Inseln verbracht, in Spanien. Meinen kleinen und meinen großen Bruder habe ich verloren - im Meer, sie sind beide gestorben. Aus den Dörfern in meiner Heimat sind beinahe 1600 Menschen gestorben."

15 Euro für die Rückkehrer

Moustapha Diouf engagiert sich gegen illegale Migration (Bild: Renate Krieger)
Moustapha Diouf engagiert sich gegen illegale MigrationBild: DW/R.Krieger

Jetzt lebt der Fischer mit drei Kindern und seiner Frau wieder im Senegal. Zum Leben reicht es kaum. Viel gebracht hat ihm die Reise auf die Kanaren nicht: Als er per Flugzeug in sein Heimatland zurückgeschickt wurde, hat ihm die senegalesische Regierung ein bisschen Geld gegeben - wegen eines Abkommens, das der senegalesische Präsident Abdoulaye Wade 2006 mit der spanischen Regierung unterschrieben hat. Die Abschiebung illegaler Migranten wurde darin erleichtert, dafür versprach Spanien 13 Milliarden westafrikanische Francs, etwa 20 Millionen Euro, für die Rückkehrer. Diofs Anteil daran: 15 Euro.

Moustapha Diof war empört. Er beschloss, einen Verein gegen illegale Migration ins Leben zu rufen, um seine Erfahrung an andere weiterzugeben. Man müsse endlich etwas tun, damit die jungen Leute hier im Land bleiben, sagt er, denn der Versuch, auszuwandern, bringe zu große Opfer mit sich. "Man sagt ihnen, sie sollen keine illegale Migranten werden. Aber hier gibt es keine Arbeit." Da bedenken viele nicht die Konsequenzen und Gefahren, die damit verbunden sind, wenn sie in ein Fischerboot steigen und es damit nach Europa schaffen wollen.

Der Fischer wünscht sich, dass sich Hilfsorganisationen direkt mit der Bevölkerung beschäftigen und den jungen Menschen in Afrika eine bessere Perspektive geben, anstatt nur mit den Behörden zu reden. Es ist eine Sache, sie von der illegalen Migration abzuhalten, aber eine andere, sie zu überzeugen, freiwillig im Land zu bleiben.

Mehr Freiheit für Geld als für Menschen?

Diof selbst wollte eigentlich nie in ein Flüchtlingsboot steigen. Er weiß, dass er damit sein Leben riskiert hat. Es gebe aber einfach keine Alternative, berichtet er: "Wenn ein Afrikaner hier im Senegal zu einer Botschaft geht und versucht, ein Visum zu bekommen, um nach Spanien oder nach Europa zu reisen, sagen sie nein. Aber die Europäer, die herkommen, bekommen von uns ein Visum. Wir sind Menschen. Wir sind doch alle Menschen."

Der Tunesier Jelloul Ben Hamida ist Koordinator der Weltcharta für Migranten (Bild: Renate Krieger)
Der Tunesier Jelloul Ben Hamida ist Koordinator der Weltcharta für MigrantenBild: DW/R.Krieger

Der Tunesier Jelloul Ben Hamida ist Koordinator der "Weltcharta der Migranten". Für ihn ist Migration ein natürlicher Vorgang. "Wer nichts zu essen hat, dem Krieg unterworfen ist oder keine Rechte besitzt, ist dazu gezwungen, weiterzuziehen", erklärt er. "Mit der Globalisierung ist die Welt zu einem Dorf geworden. Das gilt für Geld und für Güter, die weltweit gehandelt werden. Also muss es auch für die Menschen gelten."

Am Ende des halbstündigen Protestmarsches am Strand von Dakar wünscht Hamida sich, dass 50 Millionen Menschen weltweit die Charta der Migranten unterschreiben. Als Koordinator wird er den Text Staatsregierungen, Parlamenten, Parteien und Gewerkschaften vorlegen. Das Plädoyer der Migranten, die die Charta fünf Jahre lang verhandelt haben: Die Menschen sollen sich niederlassen können, wo sie wollen. Dass ihre Forderung bei den Industrienationen wohl kaum Gehör finden wird, ist ihnen wohl auch klar.

Autoren: Renate Krieger, Annika Reinert (mit epd)

Redaktion: Katrin Ogunsade