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Mehr investieren und integrieren

Rolf Wenkel23. September 2016

Für die Chefvolkswirte der deutschen Sparkassen und Landesbanken ist das "Geschäftsmodell Deutschland" gefährdet. Sie vermissen klare Zuwanderungsregeln und Investitionen in Infrastruktur und Bildung.

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Deutschland Stahnsdorf Produktion von Sensortechnik
Bild: picture-alliance/dpa/R. Hirschberger

Der Wirtschaftsstandort Deutschland muss seine spezifischen Stärken auch in Zeiten weltweiter Umbrüche bewahren. Dies ist eine Kernaussage eines aktuellen Positionspapiers, das die Chefvolkswirte der Sparkassen-Finanzgruppe an diesem Freitag in Berlin veröffentlicht haben.

Die deutsche Wirtschaft zeichne sich durch ihre mittelständischen und dezentralen Strukturen, eine hohe Exportorientierung und eine Stabilitäts- und Langfristkultur beim Ausgleich von Interessen, bei den Staatsfinanzen und bei der Mittelstandsfinanzierung aus, heißt es in dem Papier. "Dieses erfolgreiche Geschäftsmodell kann auch in den kommenden Jahren gültig bleiben", sagt Michael Wolgast, Chefvolkswirt des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV). Zur Sicherung des Geschäftsmodells Deutschland müssten aber vor allem öffentliche und private Investitionen erheblich gesteigert werden.

Vor allem die Themen Investitionen und Produktivität sollten in den nächsten Jahren von Politik und Wirtschaft intensiv und grundsätzlich aufgegriffen werden: "Nur wenn die gegenwärtige Investitionsschwäche im Unternehmensbereich, aber auch im Bereich der öffentlichen Hand in Deutschland überwunden werden kann, können Wirtschaft und Wohlstand langfristig gesichert werden."

Investitionen vernachlässigt

Gegenwärtig investiert die öffentliche Hand in Deutschland, bezogen auf die jährliche Wirtschaftsleistung (Bruttoinlandsprodukt BIP), so gut wie gar nicht, während die Nettoanlageinvestitionen der Unternehmen noch bei 2,5 Prozent des BIP liegen. "Die Überwindung des Attentismus bei Investitionen bleibt vorrangig", unterstreichen die Studienmacher. Die Erneuerung der staatlichen Infrastruktur (Verkehrswesen, Breitbandnetz, öffentliche Verwaltung) und erhebliche Investitionen in Bildung und Ausbildung seien Schlüsselfaktoren für die wirtschaftliche Zukunft Deutschlands.

In der deutschen Wirtschaft dürfe darüber hinaus die Digitalisierung nicht verschlafen werden, und die Potenziale des Dienstleistungssektors müssten besser genutzt werden - so eine weitere Aussage der Studie. "Neue Technologien und Dienstleistungen erfordern weitere Investitionen in Infrastruktur, Bildung und Forschung", ergänzt Torsten Windels, Chefvolkswirt der Norddeutschen Landesbank (NORD/LB), der die gemeinsame Positionierung der Chefvolkswirte mit vorbereitet hat.

Zudem brauche Deutschland weiterhin offene Weltmärkte und einen geeigneten Rechtsrahmen für den internationalen Wettbewerb, um seine Stärken zur Entfaltung kommen zu lassen. Die Chefvolkswirte sprechen sich außerdem für eine verbesserte Ausnutzung des Erwerbspersonenpotenzials und eine geregelte Zuwanderung nach Deutschland aus.

Zuwanderung besser nutzen

So sei es kein Geheimnis, dass ohne anhaltende Zuwanderung der Fachkräftemangel in Deutschland das Wirtschaftswachstum auf Dauer begrenzen werde. Soziale Sicherungssysteme würden dann unter Druck kommen. Die Unternehmen würden ihre Wertschöpfung in Räume mit verfügbaren Ressourcen verlagern. Aktuell sei der Fachkräftemangel noch überbrückbar, etwa mittels einer weiteren Verbesserung von Bildung und Ausbildung oder der Integration der aktuellen Zuwanderer.

Mittelfristig seien Alterung und eine sinkende Erwerbsbevölkerung aber ein deutlich steigendes Risiko. Die demografische Perspektive stünde im deutlichen Widerspruch zu den tatsächlichen Zuwanderungs- und Integrationsbedingungen. So beklagen die Autoren ein fehlendes Zuwanderungsrecht, fehlende Regelungen zur Anerkennung von Berufsabschlüssen, Mängel beim Aufenthaltsrecht, Sprachkursen und Weiterbildung.

Das Zuwanderungsland Deutschland sei attraktiv für Menschen aus aller Welt, schreiben die Autoren. Der Wanderungssaldo war 2015 mit fast allen Ländern positiv. Allein aus der Europäischen Union sind von 2010 bis 2015 rund 1,5 Millionen Menschen zugewandert. Insofern sollte Deutschland den Trend zur Zuwanderung nutzen, heißt es in dem Positionspapier: "Mit einer verstetigten und qualifizierten Zuwanderung könnten die demografischen Herausforderungen gemeistert werden. Hierzu gehört auch ein Zuwanderungsgesetz, das auch die Zuwanderung von außerhalb der EU unabhängig von Asyl- und Flüchtlingsrecht regelt."

Unterzeichner der aktuellen Studie sind neben Michael Wolgast vom DGSV und Torsten Windels von der NordLB auch die jeweiligen Chefvolkswirte der Helaba, LBBW, Berliner Sparkasse, Bremer Landesbank, Haspa, DekaBank, BayernLB und der HSH Nordbank.