Jahrelang wurde dem Unterrichtsfach Latein ein baldiger Tod vorhergesagt. Aber heute ist die alte Sprache an deutschen Schulen lebendiger denn je. Mittlerweile lernt jeder dritte Schüler Latein.
Immer mehr deutsche Schüler lernen Latein – und das manchmal sogar als erste Fremdsprache. Vor allem Eltern möchten, dass ihre Kinder sich mit der Sprache beschäftigen und so eine besondere Schulbildung bekommen. Zwar wird kaum ein Schüler Latein auch später nutzen, der Aufbau der Sprache soll jedoch das logische Denken fördern und das Erlernen anderer Fremdsprachen erleichtern.
Wo noch vor einigen Jahren die reine Sprachvermittlung im Vordergrund stand, wird heute kreativ gearbeitet. Statt im Lateinunterricht nur Vokabeln zu pauken und Texte zu übersetzen, lässt Lateinlehrerin Anna Schünemann vom Hamburger Gymnasium Johanneum die römische Zeit im Klassenzimmer lebendig werden. Ihre Schüler sollen Spaß an Latein haben.
Schünemann ist Lateinlehrerin aus Leidenschaft, hatte selbst aber das Fach zunächst nur aus pragmatischen Gründen gewählt. Denn Lateinlehrer wurden an deutschen Schulen gesucht. An den Universitäten wächst aus diesem Grund seit einigen Jahren auch die Zahl der Latein-Studierenden. Claudia Schindler vom Institut für Griechische und Lateinische Philologie an der Universität Hamburg sagt: "Die Unis, die die klassische Latinistik in den vergangenen Jahrzehnten stark zurückgefahren und viele Stellen gestrichen haben, sehen sich plötzlich mit großen Massen von Studierenden konfrontiert."
In den meisten europäischen Ländern ist Latein jedoch fast ganz aus Schulen verschwunden. Sogar italienische und französische Schüler müssen sich kaum noch mit den Wurzeln ihrer Muttersprache auseinandersetzen. Nur an den Unis scheint man sich einig zu sein: Das Latinum wird kaum noch für ein Studium gebraucht – weder in Deutschland noch im Ausland.
Glossar
baldig – so, dass etwas bald/in naher Zukunft stattfindet
etwas vorhersagen – sagen, was in Zukunft passieren wird
denn je – als früher; so, dass etwas noch niemals so war
erleichtern – leichter machen
Sprachvermittlung, die – das Unterrichten einer Sprache (z. B. Wortschatz, Grammatik u. a.)
im Vordergrund stehen – besonders wichtig sein
kreativ – hier: so, dass man sich etwas Neues ausdenkt
Vokabel, die – das Wort einer Fremdsprache
pauken – hier umgangssprachlich für: lernen; üben
etwas aus Leidenschaft sein – einen Beruf haben, den man gerne ausübt
pragmatisch – rational; vernünftig
Philologie, die – die Wissenschaft; der Fachbereich
Latinistik, die – das Studienfach Lateinkunde
zurückfahren – hier: verkleinern; verringern
Stellen streichen – Angestellte entlassen oder keine neuen einstellen
sich mit etwas konfrontiert sehen – ein bestimmtes Problem haben
verschwinden – nicht mehr da sein; weg sein
sich mit etwas auseinandersetzen – sich mit etwas beschäftigen
Wurzeln, die (im Plural) – hier: der Ursprung; die Herkunft
sich über etwas einig sein – einer Meinung zu einem Thema sein; die gleiche Meinung haben
Latinum, das – ein Nachweis über lateinische Sprachkenntnisse
Fragen zum Text
1. Latein wird als tote Sprache bezeichnet, weil …
a) nur wenige Schüler Latein lernen.
b) sie nicht mehr gesprochen wird.
c) sie nur in wenigen europäischen Ländern unterrichtet wird.
2. Eltern möchten, dass ihre Kinder Latein lernen, weil …
a) man damit einen guten Beruf finden kann.
b) man Latein für ein Studium in Deutschland braucht.
c) die Sprache das Lernen schulen soll.
3. Welcher Satz stimmt mit dem Text überein?
a) Viele studieren Latein, weil ihnen der Unterricht an der Schule viel Spaß gemacht hat.
b) Viele studieren Latein, um mehr über die Wurzeln der französischen Sprache zu lernen.
c) Viele studieren Latein, weil sie damit gute Berufschancen als Lateinlehrer haben.
4. Wie kann der folgende Satz umschrieben werden? "Die Schüler sollen Spaß an Latein haben."
a) Die Lehrerin möchte, dass die Schüler Spaß an Latein haben.
b) Die Schüler glauben, dass sie Spaß an Latein haben.
c) Die Schüler haben Spaß an Latein.
5. Welche Bedeutung hat der folgende Satz? "Latein soll das logische Denken fördern."
a) Es ist wichtig, dass Latein das logische Denken fördert.
b) Es wird angenommen, dass Latein das logische Denken fördert.
c) Es ist nicht sicher, dass Latein das logische Denken fördert.
Arbeitsauftrag
Gibt es Lateinunterricht an Schulen in eurem Land? Welche Rolle spielen Latein oder andere sogenannte tote Sprachen in eurem Land? Sammelt Informationen im Internet über den Lateinunterricht in Deutschland (z. B. unter http://de.wikipedia.org/wiki/Lateinunterricht) und überlegt, warum es wichtig sein könnte, Latein zu lernen. Wie könnte kreativer Lateinunterricht aussehen?
Autoren: Janine Albrecht /Stephanie Schmaus
Redaktion: Shirin Kasraeian