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Mehr als die Zahlen sagen

15. Mai 2011

Man kann die 48. Bundesliga-Saison so zusammenfassen: 894 Tore, 306 Spiele, 57 Platzverweise, 34 Spieltage und 2,92 Treffer pro Spiel. Doch die Zahlen verschweigen vieles, meint Joscha Weber.

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Endstand auf einer Anzeigetafel im Stadion (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Vor Glück taumelnde Menschen in Dortmund, riesiger Jubel in Hannover und Mainz, tiefe Erleichterung in Wolfsburg, Tränen auf St. Pauli und blanke Wut in Frankfurt. Und all das nur wegen ein paar Zahlen. Schwarz auf weiß steht sie da, die Abschluss-Tabelle der Bundesliga. Da steht dann sachlich-nüchtern eine "75" hinter dem Ersten, Borussia Dortmund, und eine "29" hinter dem Letzten, FC St. Pauli. In dieser Zahl, der Addition der erspielten Punkte, verdichtet sich die ganze Saison. Sie ist gewissermaßen die Summe der erbrachten Jahresleistung.

Was erzählt die "75" vom BVB-Jugendstil?

Und doch verschweigt sie so viel: zum Beispiel den begeisternden Jugendstil von Meister Dortmund. Selten zuvor in der Bundesliga-Geschichte rannte eine Mannschaft mit solcher Vehemenz gegen die Abwehr der Gegner an, stürmte, angetrieben von Lehrmeister und Vaterfigur Jürgen Klopp, unaufhaltsam an die Spitze – und machte dabei auch Fehler. Die jungen Wilden der Borussia vergaben rekordverdächtig viele Chancen, verwandelten nicht einen einzigen Elfmeter. Doch ihr selbsternannter "Erziehungsberechtiger" Jürgen Klopp stellte sich stets schützend vor seine Spieler und setzte auch in Schlüsselpartien auf Nachwuchstalente wie Mario Götze, der es bis in die Nationalmannschaft schaffte. Weder den unbändigen Tempofußball des BVB noch die Identifikationskraft des Jürgen Klopp verrät die simple "75".

Die Trainer Thomas Tuchel (l.) und Jürgen Klopp (Foto: picture alliance)
Brüder im Geiste, wenn auch nicht immer einer Meinung: Die Trainer Tuchel und KloppBild: picture-alliance/Sven Simon

Und noch etwas verbergen die nackten Zahlen der Tabelle: den Einfluss der Trainerfrage auf den sportlichen Erfolg. Selten wurde in der Bundesliga während der Saison so häufig der Trainer entlassen, getauscht und abgeworben. Rekordverdächtige 48 Stunden nach seiner Entlassung auf Schalke heuerte Felix Magath beim VfL Wolfsburg an – und wäre beinahe mit ihm abgestiegen. Kein Wunder, denn ein behutsamer Aufbau einer Mannschaft sieht anders aus. So reifte in Dortmund unter Klopps Regie zunächst zwei Jahre lang heran, was dann in dieser Saison zum Dortmunder Frühling aufblühte. Thomas Tuchels Arbeit in Mainz ist ein weiteres Beispiel für Erfolg dank Vertrauen in ein langfristiges Konzept eines modernen Trainers, der hungrige Spieler aus der Jugendabteilung mit viel Fürsorge und hervorragender taktischer Ausbildung ins Rampenlicht führte.

Wachablösung der Trainergenerationen

Eilig herbeigeholte Feuerwehrmänner der älteren Trainergeneration erwiesen sich dagegen eher als Fehlinvestition. Christoph Daums Motivations-Methoden zeigten in Frankfurt nicht den Hauch einer Wirkung, im Gegenteil: die Eintracht agierte blutleer und stieg ab. Auch Magaths etwas in die Jahre gekommenes System aus Quälerei im Training und hohen Bußgeldern bei Fehltritten brachte weder auf Schalke noch in Wolfsburg besonderen Erfolg. Und so bleibt es die Saison der modernen Systemtrainer Klopp, Tuchel und Slomka (Hannover 96), die den deutschen Fußball nachhaltig verändert haben.

Last but not least: Was wäre der Fußball ohne seine Fans: 13.057.899 Fans waren es ganz genau, die die Bundesligaspiele im Stadion sehen wollten – so viele wie nie zuvor. Und das ist doch mal zur Abwechslung eine Zahl mit echter Aussagekraft.

Autor: Joscha Weber

Redaktion: Olivia Fritz