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Politik

Medizin ohne NC? Schon heute möglich

Christian Wolf
19. Dezember 2017

Das Bundesverfassungsgericht bemängelt das Auswahlverfahren zum Medizinstudium. Besonders unbeliebt bei Studenten ist der hohe Numerus clausus. Dabei gibt es schon Beispiele, wie es auch anders gehen kann.

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Anatomie-Hörsaal der Medizinischen Fakultät an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Bild: picture-alliance/dpa/W. Grubitzsch

Wer in Deutschland Medizin studieren möchte, braucht bislang ein Top-Abitur. Denn wegen des großen Andrangs entscheidet oftmals der Numerus clausus (NC), wer einen Studienplatz bekommt. Nur mit einem Abischnitt von 1,0 oder 1,1 ist der Traum vom Arztberuf realistisch. 
Doch mit dem Urteilsspruch des Bundesverfassungsgerichts könnte sich das Auswahlverfahren bald ändern.

Dass es auch ohne Fixierung auf den NC geht, zeigen zwei Beispiele. Denn an den beiden Privat-Unis im nordrhein-westfälischen Witten/Herdecke und an der Medizinischen Hochschule Brandenburg (MHB) in Neuruppin hat man sich bereits vom NC gelöst und entscheidet nach anderen Kriterien.

Empathie statt Abiturnote

"Persönlichkeit, Motivation und Praxiserfahrungen zählen bei uns mehr als Abiturnoten." So wirbt die 2014 gegründete MHB um neue Studenten. "Wir glauben nicht an einen Zusammenhang von guten Abiturnoten und einer späteren empathischen Tätigkeit als Arzt. Natürlich kann man auch mit einem Notendurchschnitt von 1,0 ein guter Mediziner werden. Man braucht neben den sehr guten Noten aber auch noch andere Stärken und Kompetenzen", heißt es dort.

Operation
Mit Auswahlverfahren wird nach guten künftigen Ärzten gesuchtBild: picture-alliance/dpa/F.Gentsch

Genau die werden in einem Auswahlverfahren gesucht. Zunächst müssen schriftliche Unterlagen eingereicht werden - Lebenslauf, Abiturzeugnis und Motivationsschreiben. Sind die formalen Voraussetzungen erfüllt - unter anderem ein sechsmonatiges Praktikum - und macht der Bewerber einen guten Eindruck, kommt es zum persönlichen Auswahlgespräch. Erst im Anschluss wird entschieden, wer einen der 48 Studienplätze pro Jahr bekommt.

Ethische Fragen an Bewerber

Auch im Ruhrgebiet sind die Abiturnoten egal. "Es geht uns nicht nur um eine Studierfähigkeit, sondern auch um die Berufsfähigkeit", sagt Marzellus Hofmann, Leiter des Studiendekanats. Dabei spielten auch Persönlichkeitseigenschaften sowie soziale und kommunikative Kompetenzen eine Rolle. "Die bekommt man natürlich über eine Abiturnote, die man vom Blatt abliest, überhaupt nicht raus. Da muss man die Menschen kennenlernen."

Die rund 1.000 Bewerber pro Semester müssen deshalb zunächst schriftliche Unterlagen einreichen. Dazu gehören auch ein paar Fragen. In diesem Jahr mussten die Bewerber zum Beispiel beantworten, ob Medizin eine Dienstleistung sein darf und ob es unter Umständen ein Recht oder sogar eine Pflicht zum Lügen gibt.

Universität Witten-Herdecke
Die Privatuniversität Witten/Herdecke kommt ohne den NC ausBild: picture-alliance/dpa

Für einen ersten Eindruck reicht das aus. Auf dieser Basis werden 180 Kandidaten zum sogenannten Auswahltag eingeladen. Dort lernen die Gutachter die Bewerber näher kennen. Am Ende bekommen zum Winter- und Sommersemester jeweils 42 Kandidaten einen Platz.

Große Unis müssen Machbarkeit prüfen

"Das ist schon ein hoher Aufwand, ganz klar", sagt Hofmann. Auf große Fakultäten lasse sich dieses Verfahren nicht eins zu eins übertragen. Angesichts von 400 oder 600 Studienanfängern müsse man schauen, was dort logistisch möglich sei. Auswahlgespräche gebe es aber auch schon jetzt - unter anderem in Essen, Greifswald oder Hamburg.

Welche Folgen das Karlsruher Urteil haben wird, kann auch der Leiter des Wittener Studiendekanats noch nicht abschätzen. Zwar sagt er: "Noten werden weiter eine Rolle spielen." Welche das aber sei, müsse nun ausgearbeitet werden. Die Entwicklung führe aber klar dorthin, den Blick zu weiten.

Trotzdem eine Hürde

Eine ganz andere Hürde haben die beiden Privatunis trotzdem. Das Medizinstudium kostet dort viel Geld. In Neuruppin werden bis zu 115.000 Euro Studienbeitrag fällig, in Witten/Herdecke sind es 53.160 Euro. Allerdings wird angeboten, das Geld erst zu zahlen, wenn man im Beruf ist.

Für Studenten aus dem Ausland ist das Problem mit dem NC nur zweitrangig. Für sie gibt es an deutschen Unis nämlich bestimmte Kontingente.