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Bundestag erörtert Ukraine-Hungerkrise von 1932/33

25. November 2022

Millionen Menschen starben 1932/33 durch die von Josef Stalin ausgelöste Hungersnot in der Ukraine. Mehrere Länder haben den sogenannten Holodomor als Völkermord eingestuft. Nächste Woche könnte Deutschland folgen.

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Ukraine | Holodomor Denkmal in Kiew
Das Holodomor-Denkmal in Kiew erinnert an den Hungertod von Millionen Ukrainern in den 1930er Jahren Bild: Bryan Smith/ZUMA Press/picture alliance

Der Bundestag soll die Hungersnot, die die sowjetische Führung unter Diktator Josef Stalin (1878-1953) vor 90 Jahren in der Ukraine gezielt herbeigeführt hat, nach dem Willen von vier Fraktionen im Deutschen Bundestag als Völkermord anerkennen. Das geht aus einem gemeinsamen Antrag von SPD, Grünen, FDP und CDU/CSU hervor. Der Text wurde anlässlich des Gedenktags für die Katastrophe fertig gestellt, der in der Ukraine immer am letzten Samstag im November begangen wird. Der entsprechende Resolutionsentwurf soll am Mittwoch im Bundestag beraten und beschlossen werden.

Der ukrainische Begriff Holodomor bedeutet "Tötung durch Hunger" und bezieht sich auf die Jahre 1932 und 1933. Damals hatte der sowjetische Diktator Joseph Stalin durch eine erzwungene Kollektivierung der Landwirtschaft eine große Hungersnot ausgelöst, an der in der Ukraine bis zu vier Millionen Menschen starben. Tote gab es damals auch in anderen Teilen der Sowjetunion, etwa in Kasachstan und im Süden Russlands.

Von einigen Ländern als Völkermord anerkannt

Mehrere Länder haben den Holodomor bereits als Genozid am ukrainischen Volk eingestuft und verurteilt; am Donnerstag folgen vor dem Hintergrund des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine auch Irland, die Republik Moldau und Rumänien. Die Ukraine wirbt seit Jahren für eine solche Anerkennung in Parlamentsresolutionen; Russland lehnt dies ab. Zuletzt hatte der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba die Forderung wiederholt erneuert. Menschenrechtler, Hilfsorganisationen und Kirchenvertreter warnten zudem vor einer neuerlichen Hungerkatastrophe in dem Land.

"Betroffen von Hunger und Repressionen war die gesamte Ukraine, nicht nur deren getreideproduzierende Regionen", heißt es in dem Antrag, über den zuerst die "Frankfurter Allgemeine" und der "Spiegel" berichteten. "Damit liegt aus heutiger Perspektive eine historisch-politische Einordnung als Völkermord nahe. Der Deutsche Bundestag teilt eine solche Einordnung", schreiben die Initiatoren um den Grünen-Abgeordneten Robin Wagener, der die deutsch-ukrainischen Parlamentariergruppe im Bundestag leitet.

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Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Robin WagenerBild: DW

Weiter heißt es in dem Resolutionsentwurf, der Holodomor reihe sich ein "in die Liste menschenverachtender Verbrechen totalitärer Systeme, in deren Zuge vor allem in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Europa Millionen Menschenleben ausgelöscht wurden". Das Verbrechen sei "Teil unserer gemeinsamen Geschichte als Europäerinnen und Europäer". Dieses
"Menschheitsverbrechen" sei in Deutschland und der Europäischen Union aber bisher wenig bekannt. Die Bundesregierung sei aufgefordert, zur Verbreitung des Wissens über den Holodomor und zum Gedenken an dessen Opfer beizutragen.

Wagener sagte, der russische Präsident Wladimir Putin stehe "in der grausamen und verbrecherischen Tradition Stalins". Heute werde die Ukraine erneut mit russischem Terror überzogen. "Erneut sollen durch Gewalt und Terror der Ukraine die Lebensgrundlagen entzogen, das gesamte Land unterworfen werden." Die politische Einordnung des Holodomor als Völkermord sei ein "Signal der Mahnung".

kle/sti (dpa, kna, afp)