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"Gleiche Probleme"

Christoph Hasselbach14. November 2014

Der frühere britische Premier John Major hat in Berlin um Reformen der EU geworben. Was hinter dem Besuch steckt und wie die Stimmung in Großbritannien ist, erklärt die Europa-Abgeordnete Anthea McIntyre.

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Anthea McIntyre
Bild: MEP/ECR Group

Deutsche Welle: Frau McIntyre, wie ist die Stimmung in Großbritannien? Wenn die Briten heute abstimmen könnten, ob sie die EU verlassen wollen, wie würde die Abstimmung dann ausgehen?

Anthea McIntyre: Wie in vielen anderen europäischen Ländern gibt es in Großbritannien viel Enttäuschung darüber, wie die EU arbeitet, und ein Gefühl, dass einige Dinge besser auf nationaler oder lokaler Ebene aufgehoben wären. Bei einer so wichtigen Frage wie der der britischen EU-Mitgliedschaft ist es schwierig zu sagen, wie ein Referendum ausginge, wenn es heute stattfände, nicht zuletzt, weil viele Leute glauben, sie müssten mehr über das Thema wissen. Doch es gibt ganz klar den Wunsch, dass die Arbeitsweise und die Frage, was auf EU-Ebene entschieden wird, reformiert werden sollten.

Warum ist Herr Major denn ausgerechnet nach Berlin gegangen? Welche Rolle könnte Deutschland in der Debatte spielen?

Indem sich Sir John Major in Berlin an die CDU gewandt hat, hat er die Bedeutung der britisch-deutschen Beziehungen und unser gemeinsames Interesse an einer reformierten EU betont, die für alle Mitgliedsstaaten besser wäre. Da Deutschland der wichtigste Mitgliedsstaat und die größte Volkswirtschaft der EU ist, ist es natürlich entscheidend, dass Berlin die britischen Sorgen und die Hintergründe der britischen Reformwünsche kennt. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat einen beeindruckenden und wohlverdienten Ruf, praktische Lösungen zu finden und einen Konsens aufzubauen, der sich auf Ergebnisse statt auf ideologische Positionen gründet, und ihre persönliche Rolle ist wichtig.

Wenn Herr Major oder Premierminister David Cameron Reformen fordern, woran denken sie dann? Was genau sollte sich ändern?

Demonstranten mit Plakat: "Britische Jobs für britische Arbeiter." (Foto: picture-alliance/dpa)
Das Thema EU-Ausländer ist in Großbritannien ein heißes EisenBild: picture-alliance/dpa

Die Einzelheiten werden sich herausschälen, während wir uns den Verhandlungen nähern. In seiner Bloomberg-Rede (Anm. d. Red.: zur Zukunft Europas im Januar 2013) hat der Premierminister unser Reformanliegen zum Nutzen aller dargelegt, und dies ist ein wichtiger Ausgangspunkt.

Bundeskanzlerin Merkel und andere haben gesagt, dass einige Dinge unverhandelbar seien, etwa der freie Personenverkehr. Gibt es damit überhaupt Manövrierspielraum bei Reformen?

Gerade deshalb ist es ja so wichtig, dass man miteinander redet und versucht, sich gegenseitig zu verstehen. Und ich glaube, gerade darum kam Sir Johns Besuch in Berlin zu einem so passenden Zeitpunkt. Wir in Großbritannien haben die Sorge, dass Menschen in unser Land kommen, nicht um zu arbeiten und unsere Gesellschaft zu bereichern, sondern um unser Sozialsystem auszunutzen. Denn es gibt eine Reihe von sozialen Ansprüchen, die für alle gelten und für die man nichts eingezahlt haben muss, um in ihren Genuss zu kommen. Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs zum Sozialleistungsbezug von EU-Ausländern ist zugunsten der deutschen Behörden ausgefallen. Es zeigt nicht nur, dass wir in Großbritannien und Deutschland die gleichen Probleme haben. Ein solches vernünftiges Urteil macht auch deutlich, dass wir eine Klärung der Mobilitätsregeln brauchen.

Sir John Major, Ex-Premierminister von Großbritannien (Foto: dpa)
John Major: Gemeinsames Interesse an einer reformierten EUBild: picture-alliance/dpa

Sollten wir nicht den freien Personenverkehr, dieses Herzstück des europäischen Binnenmarkts, erhalten, von dem ja auch die Briten profitieren, wenn sie im europäischen Ausland arbeiten?

Unbedingt. Ungefähr 2,3 Millionen Briten leben im EU-Ausland, und rund 2,7 Menschen aus anderen EU-Ländern leben in Großbritannien. Das gleicht sich also ungefähr aus. Für die künftige Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft wird es wichtig sein, für Arbeitsplätze die Bewerber mit den passenden Fähigkeiten zu finden. Die große Mehrheit der EU-Migranten trägt zu unserer Wirtschaftsleistung bei und zahlt mehr in die Sozialsysteme ein, als sie daraus zurückbekommt. Unser Reformansatz ist zu versuchen, die Dinge zu verbessern. Wenn es solche Wege gibt, sollten wir es versuchen.

Viele in Europa haben sich nicht so sehr über den Inhalt von Premierminister Camerons Forderungen als über seinen extrem kompromisslosen Stil auf der europäischen Bühne beklagt. Macht es das nicht schwieriger für ihn, das zu erreichen, was er haben will?

Wir müssen die Substanz von der Darstellung in den Medien trennen. Der Premierminister ist für seine Ergebnisse in Europa bekannt. Ob es um EU-Reformen oder um unsere Rolle in der NATO bei der europäischen Sicherheit geht: David Cameron hat gezeigt, dass er sich einsetzt, um positive Ergebnisse zum Nutzen von uns allen zu erzielen.

Anthea McIntyre ist Europa-Abgeordnete der britischen Konservativen.