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Zuflucht vor dem Altar

Sabrina Pabst2. September 2015

Notunterkünfte in Deutschland sind überfüllt. Die Kirchen besitzen zwar Immobilien, doch Flüchtlinge dort unterzubringen und Kommunen damit zu entlasten, scheitert oft an mangelnder Flexibilität - auf beiden Seiten.

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Afrikanische Flüchtlinge haben am 07.10.2013 in der St. Pauli Kirche in Hamburg ihre Schlafplätze auf dem Kirchenboden vorbereitet. (Foto: Axel Heimken/dpa)
Die St. Pauli Kirche in Hamburg öffnete ihre Pforten und bot Zuflucht für FlüchtlingeBild: picture-alliance/dpa

"Du musst etwas machen, wir haben doch alles hier", überlegte Pater Daniel Züscher. Die unzähligen Meldungen über das Leid geflüchteter Menschen hatten ihn bewegt. Als er mitbekam, unter welchen Bedingungen sie in Deutschland untergebracht werden, wurde er aktiv.

In der Kölnischen Franziskanerordensprovinz Vossenack zu Hürtgenwald, die er leitet, haben seine Brüder und Schüler Platz geschaffen, um Flüchtlinge aufzunehmen. Seit November 2014 beherbergt er im Internat rund 30 Asylbewerber. Diesen hilfesuchenden Menschen Zuflucht zu gewähren, gehört für Pater Daniel Züscher zum christlichen Selbstverständnis.

"Ich habe nur gute Erfahrung gemacht", lautet seine Bilanz über das interreligiöse Zusammenleben. "Ramadan haben wir zusammen gefeiert." Dass die Flüchtlinge ihren Gebetsteppich ausrollen, statt einen Rosenkranz zu beten, stellte für Pater Daniel kein Hindernis dar. Auf Wunsch stellt Pater Daniel auch Kontakt zur muslimischen Gemeinde vor Ort her.

Nächstenliebe mit Auflagen

Pater Daniel folgt damit dem Beispiel des heiligen Franz von Assisi. Er könnte als Pionier gelten, wenn es um die Unterbringung vieler Asylsuchender in kirchlichen Gemäuern geht. Doch mit seiner Mission ist er noch nicht am Ende.

Von September an wollen er und seine Brüder unbegleitete minderjährige Flüchtlinge aufnehmen. Einzelzimmer, Gruppenküche, Aufenthaltsraum - in den Internats- und Klostergemäuern ist viel Platz und die benötigte Infrastruktur vorhanden, dachte zumindest Pater Daniel.

Es gibt soziale Betreuung und sozialpädagogische Kräfte im Haus, die Tag und Nacht zur Verfügung stehen. Fluchtwege, Toiletten und Duschen, Brandschutz-Regeln - seine heiligen Mauern werden trotzdem vom Dachboden bis in den Keller inspiziert und geprüft.

"Ich kann nicht glauben, dass Helfen so schwierig sein kann", sagt Pater Daniel. "Wir werden von den Behörden ausgebremst." Wegen des hohen behördlichen Aufwands kämpft er seit eineinhalb Jahre gegen bürokratische Widerstände.

Bündnis 90/Die Grünen Kommunalpolitikerin Hilde Scheidt
Scheidt: "Wir müssen vermeiden, dass Menschen in Zelten und Turnhallen untergebracht werden"Bild: Bündnis 90/Die Grünen

Knapper Wohnraum in Ballungsräumen

Solches Engagement und rasches Handeln wünscht sich die Aachener Bürgermeisterin Hilde Scheidt auch von anderen katholischen Kirchengemeinden. Ihre Stadt und die umliegenden Gemeinden bekommen wöchentlich immer mehr Flüchtlinge zugewiesen.

"Als Universitätsstadt haben wir einen angespannten Wohnungsmarkt. Wir kommen so schnell nicht nach, wie wir Unterkünfte brauchen", berichtet sie. "Wir haben Gebäude angekauft, die wir umbauen müssen, um zumindest den schlimmsten Fall zu vermeiden: Dass hunderte Menschen in Zelten oder Turnhallen untergebracht werden müssen", so Scheidt.

Die behördlichen Auflagen betrachtet auch sie kritisch, denn oft fehle die Zeit für aufwendige Umbaumaßnahmen und Modernisierungen. Bei der Unterbringung von Flüchtlingen sei jetzt schnelles Handeln gefragt. "Das große ehrenamtliche Engagement der vielen Helfer steht nicht in Frage", sagt Scheidt. Ihr geht es vor allem um kruzfristige Unterbringungsmöglichkeiten, damit keine Turnhallen geschlossen oder Zeltstädte errichtet werden müssen.

"Ich kann nur an das Bistum als größte Religionsgemeinschaft in Aachen appellieren, dass wir in Sachen Wohnraum und Unterbringung von Flüchtlingen noch enger zusammenarbeiten", wünscht sich Scheidt. "Wir wollen diese Menschen vernünftig und menschenwürdig unterbringen."

Im Immobilienbestand des Erzbistums Aachen machen Wohnhäuser den geringsten Teil aus. Dennoch hat das Bistum die Kirchengemeinden aufgefordert, alle Leerstände zu melden. Die meisten Gebäude sind Schulen oder Kirchen.

"Mit Hochdruck wurden in den vergangenen Monaten alle Immobilien noch einmal überprüft. Das Bistum Aachen verfügt über keinen Leerstand", teilt Generalvikar Andreas Frick mit. Vorschläge des Bistums scheiterten auch oft an behördlichen Auflagen.

Hinter heiligen Mauern

Ähnlich verhält es sich auch im benachbarten Erzbistum Köln. Was das Erzbistum an Wohnungen besitzt, ist in aller Regel langfristig vermietet, teilt Pressesprecher Christoph Heckeley auf DW-Anfrage mit. Und auch hier haben die angebotenen Wohnräume den Anforderungen der Kommunen an Immobilien für die Erstaufnahme, zum Beispiel ein stillgelegtes Altenheim, bisher nicht entsprochen, bestätigt Heckeley.

Wohnungen der Kirchengemeinden, kirchennaher Gesellschaften, von Orden sowie privater Eigentümer - angesichts der Vielzahl der Besitzer ist es für das Erzbistum Köln fast unmöglich, eine Gesamtzahl zu erheben.

Im April dieses Jahres hatten die genannten Institutionen und Träger über 130 Wohnungen zur Verfügung gestellt: 44 Wohnungen seitens des Erzbistums und Gesellschaften sowie rund 90 Wohnungen von Pfarrgemeinden und Pfarrangehörigen. "Inzwischen sind es mehr geworden, denn bei uns gilt die Regel: Was frei wird und geeignet ist, bieten wir den Kommunen an", erklärt Heckeley.

Papst Franziskus forderte die Kirchen und Klöster auf, ihre Pforten für Flüchtlinge zu öffnen. Das Erzbistum Köln will diesem Ruf folgen. Das leerstehende Klarissen-Kloster in Köln wird in eine Wohnanlage umgewandelt, in der auch Flüchtlinge wohnen sollen. Dazu stehen aktuell für die Flüchtlingshilfe 12,5 Mio Euro vom Erzbistum zur Verfügung.