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Mastix: Chios baut auf seine Tränen

1. Februar 2019

Die griechische Insel Chios ist der einzige Ort, an dem das vielseitige Harz Mastix kultiviert wird. Es verfeinert Süßspeisen und ist in Medikamenten und Kosmetika zu finden. Und inzwischen sogar in Bier.

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Geschäft mit Mastix-Produkten im Dorf Mesta auf Chios
Bild: DW/C. Wiggenbröker

In der Brauerei von 'Chios Beer' herrscht reges Treiben: Braune Bierflaschen werden befüllt, etikettiert und in Kartons verpackt. Eine der Sorten, ein Weißbier mit einem hellblauen Schild, enthält eine besondere Zutat: das Baumharz Mastix. Die junge Brauerin Stella Dimistriado hat das Getränk kreiert, es ist ihr erste Rezeptur. Neun Monate hat sie daran getüftelt. "Mastix ist ein einzigartiges Produkt", erklärt sie. "Und die Mastix-Bäume wachsen nur hier - auf Chios. Ein Bier damit war für uns ein Muss."

Das Harz spielt für die Wirtschaft der griechischen Insel, die nur wenige Kilometer vom türkischen Festland entfernt liegt, eine große Rolle. So meinen viele Bewohner, dass man die Folgen der Finanzkrise auf Chios nicht so stark spüren würde wie in anderen Teilen Griechenlands. "Viele Menschen hier haben ein festes Einkommen", sagt auch Diomidis Georgiakodis. Er fährt die Getränke aus, die in der Brauerei produziert werden. "Sie arbeiten auf Schiffen, zum Beispiel als Kapitäne oder Ingenieure. Oder sie kultivieren Mastix."

Tränen von Chios

Seit 2014 gehört das Baumharz zum immateriellen Kulturerbe. Es wird auch Tränen von Chios genannt. Der Name hängt mit dem Ernteprozess zusammen: Jedes Jahr ab August wird die Rinde der Mastix-Pistazienbäume eingeritzt. Das Harz tritt aus, um die verwundeten Stellen zu schließen – der Baum "weint". Die Tropfen fallen zu Boden und trocknen dort, bis sie Ende September von den Farmerfamilien eingesammelt werden. 3000 sind in der Mastiha Growers Association organisiert.

Strassenszene im Dorf Mesta auf Chios
Strassenszene im Dorf Mesta auf ChiosBild: DW/C. Wiggenbröker

Der Verband hat seinen Sitz in der Inselhauptstadt Chios. Ein roter Teppich schlängelt sich über die Treppenstufen, die in eine große Halle führen. Hinter einem hölzernen Tresen warten Empfangsdamen, die Besucher zu den gewünschten Ansprechpartnern weiterleiten - zum Beispiel zu Niki Galatoula. Sie arbeitet in der Handelsabteilung des Verbands.

In ihrem geräumigen Büro bittet sie an einen Konferenztisch. Galatoula ist erkältet und wird von einer triefenden Nase geplagt - was sie aber nicht daran hindert, begeistert von dem einzigartigen Harz zu schwärmen. "Es ist wie ein Superfood: Es wirkt heilend und antioxidativ - also gegen schädliche, freie Radikale." So ist Mastix beispielsweise in Magenkapseln, Zahnpasta oder Körperlotionen zu finden. Schon vor Jahrhunderten wurde es als Kaugummi genutzt.

Neue Zielgruppen

Doch nicht nur für seine gesundheitsfördernde Wirkung werde der Naturstoff geschätzt, sondern auch für seinen Geschmack - zumindest in einigen Regionen. "Beispielsweise in der Türkei gibt es sehr viele Lebensmittel mit Mastix: Käse, Milch, Süßigkeiten oder Reispudding. Es wird auch viel im Kaffee verwendet" erklärt Galatoula. "Sie nutzen es wie ein Gewürz."

Iakovos Amygdalos war lange dagegen, Mastix ins Bier zu mischen.
Iakovos Amygdalos war lange dagegen, Mastix ins Bier zu mischen. Bild: DW/C. Wiggenbröker

Im Jahr 2017 wurden insgesamt 120.000 Kilo Mastix exportiert, die größten Abnehmer sitzen im Nahen Osten. Doch der Handelsverband möchte weitere Zielgruppen erschließen. Deshalb wurde Mastix bei der letzten Anuga, der Süßwarenmesse in Köln, präsentiert. "Wir hatten einige Interessenten, aber es ist noch nichts spruchreif", verrät sie.

Kein Mastix-Bier für die Insel

Allerdings ist nicht jeder Chiot uneingeschränkt begeistert von Mastix. Stella Dimistriado, die junge Brauerin, räumt ein: "Ich mag Mastix nur in zwei oder drei Speisen." Ihr Chef, Iakovos Amygdalos, geht noch weiter: Er findet, dass das Harz eine viel zu große Bedeutung auf seiner kleinen Insel hat.

"Viele unserer Produkte bräuchten ehrlich gesagt kein Mastix. Oft sind die Dinge damit nicht mal sonderlich lecker", meint er. "Unser Mastix-Bier vertreiben wir auch gar nicht auf der Insel." Das Weißbier wird - bisher - ausschließlich in Athen und Thessaloniki verkauft. Amygdalos will so verhindern, dass sein Getränk zu einem Touristenbier verkommt; dass "es einfach nur ein weiteres Ding mit Mastix" wird.

Ohnehin hat sich der Unternehmer lange dagegen gewehrt, überhaupt ein Produkt mit dem Harz herzustellen. Seine Brauerei gibt es seit acht Jahren. Vom ersten Tag an sei er gefragt worden, ob sein Bier mit Mastix ist. "Aber um ehrlich zu sein: Wir wollten eigentlich kein Getränk damit produzieren." 2018 hat sich die kleine Brauerei dann dem Druck gebeugt. Sein Fahrer, Diomidis Georgiakodis, kann die Zurückhaltung seines Chefs indes nicht nachvollziehen: "Wir müssen Mastix besser promoten", sagt er. Es müsse zur Marke der Insel werden.

Urlaub mit Mastix

Georgiakodis hofft, dass dadurch mehr Europäer auf die Insel aufmerksam werden und sie als Urlaubsort ansteuern. Bereits jetzt spielt Mastix auch für den Tourismus eine Rolle, wie Niki Galatoula erklärt: "Es gibt zum Beispiel einen Tour-Anbieter, der sich auf Agrotourismus spezialisiert hat. Er zeigt, wie Mastix kultiviert wird."

Die Dörfer im Süden der Insel, in denen die Pistazienbäume wachsen, gehören zu den beliebtesten Ausflugszielen. Am bekanntesten sind Pyrgi und Mesta. Vor wenigen Jahren ist in der Region auch ein großes Museum eröffnet worden. "Es ist praktisch ein Monument auf der Insel", so Galatoula. Kein Wunder - denn die Ausstellung dort dreht sich komplett um Mastix.