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Eiszeit im deutsch-russischen Geschäft

Henrik Böhme, (z.Zt. Frankfurt)1. Juni 2015

Seit Jahrzehnten ist Deutschland der Ausrüster des russischen Maschinenparks. Doch die guten Beziehungen sind durch die Krise in Russland und die politischen Spannungen schwer gestört.

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Symbolbild Maschinenbau Auftragseingänge
Bild: picture-alliance/dpa

"Nein", sagt Reinhold Festge, "wir haben uns nicht wie im Feindesland gefühlt." Festge ist Präsident des Verbandes der Deutschen Maschinen- und Anlagenbauer (VDMA), selbst Unternehmer und war Ende Mai für einige Tage zu Gesprächen in Russland. Was ihn am meisten überrascht habe, sei die "große Offenheit" dieser Gespräche gewesen, ob mit dem russischen Handels- und Industrieminister Denis Manturov, oder mit Alexander Morozow, dem Vizechef von Russland größtem Finanzinstitut, der Sberbank. "Wir konnten offen reden", so Festges Fazit.

Exporte heftig eingebrochen

Festge und die ihn begleitenden Kollegen wollten ausloten, welche Folgen die Sanktionen des Westens gegen Russland auf die traditionell guten Beziehungen der deutschen Maschinenbauer zu russischen Kunden haben - und ob es Hoffnung auf Besserung gibt. Einer aktuellen Umfrage des Verbandes zufolge hinterlassen die Beschränkungen zum einen, aber auch die hausgemachte Krise der russischen Wirtschaft, ziemlich tiefe Bremsspuren. Allein im ersten Quartal dieses Jahres sind die Exporte von Maschinen "Made in Germany" nach Russland um weitere 28 Prozent verglichen zum Vorjahresquartal eingebrochen. Russland, vor zwei Jahren noch der viertgrößte Absatzmarkt für die deutschen Maschinenbauer, ist damit auf Rang zehn abgerutscht - und angesichts weiterer Auftragsrückgänge dürfte das noch nicht das Ende der Fahnenstange sein.

Dr. Reinhold Festge VDMA
VDMA-Präsident Reinhold FestgeBild: VDMA

Russland ist "natürlicher Partner"

Das ist für Deutschlands Vorzeigebranche, die rund einer Million Menschen hierzulande Arbeit gibt, nicht einfach so wegzustecken. Denn immerhin gehen fünf Prozent aller deutschen Maschinenexporte nach Russland. Die Ausfuhren des Maschinen- und Anlagenbaus machen insgesamt mehr als ein Fünftel aller deutschen Exporte aus. Russland galt dabei lange als stabiler Absatzmarkt, und ihm sei es darum gegangen, so sagte Festge am Montag (01.06.2015) in Frankfurt am Main, mit "Kunden und Freunden" im Gespräch zu bleiben. Russland sei ein "Beziehungsmarkt", ergänzte Ulrich Ackermann, der Außenwirtschaftschef des VDMA. Soll heißen: Wer in Russland einmal im Geschäft ist, der bleibt es in der Regel auch. Und es gäbe diverse Gründe, warum Russland ein "natürlicher Partner" für die deutschen Maschinenbauer sei: Da sei die Mentalität der russischen Geschäftspartner, und auch die vergleichsweise Nähe: "Nach Russland können sie ihre Maschinen auch mit dem Laster bringen."

Kreditklemme ist größtes Problem

Das größte Problem für wieder bessere Geschäfte ist neben den weiterhin bestehenden Sanktionen die Lage auf dem russischen Finanzmarkt. Zwar hat sich der Rubel von seinem Absturz etwas erholt, trotzdem bleiben Importe für russische Unternehmen weiterhin sehr teuer. Eine Finanzierung über Kredite ist derzeit aber praktisch ausgeschlossen: Die Zinsen liegen irgendwo zwischen 20 und 25 Prozent. Damit ist das Kreditgeschäft zum Erliegen gekommen. Umso erstaunlicher findet es VDMA-Chef Reinhold Festge, dass der Verband in eine Arbeitsgruppe der Sberbank eingeladen wurde, die ausloten soll, wie man in dieser Situation trotzdem wieder ins Geschäft kommen könnte.

Doch wo die Deutschen nicht mehr liefern können oder dürfen, da springen zunehmend die Chinesen in die Bresche. Die haben in den zurückliegenden zehn Jahren den Deutschen schon zehn Prozent der Marktanteile in Russland abjagen können. Die derzeitige Lage forciert diesen Trend noch, sagt die VDMA-Russland-Expertin Monika Hollacher: "Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis China zum wichtigsten russischen Maschinenlieferanten wird."

Warten auf bessere Zeiten

Dennoch wollen die in Russland tätigen deutschen Maschinenbauer nicht aufgeben. Man will abwarten, wie sich die Lage entwickelt. Denn der Bedarf an modernster Technologie ist riesig - und das könnten die Chinesen, die vor allem auf Masse und billige Preise setzen - nicht liefern, sagt Festge. Zumal ihm bei seinen Gesprächen in Moskau mehr als einmal gesagt worden sei: "Kommt hierher, investiert in Russland!" Die Drohkeule "Wir wenden uns von euch ab", sei jedenfalls nicht geschwungen worden. Im Gespräch mit dem Industrieminister habe dieser versichert, man setze weiter auf deutsche Maschinen.

Dennoch sind es schwierige Zeiten für die deutschen Maschinenbauer. Auch wenn die meisten Unternehmen, die an der aktuellen VDMA-Umfrage teilgenommen haben, sagen, sie träfen noch keine speziellen Vorbereitungen zum Rückzug, so müssen doch einige von ihnen in Russland Arbeitsplätze abbauen. Andererseits kommt man den russischen Kunden mit Preisnachlässen entgegen oder hilft bei der Finanzierung von Projekten. Verbands-Chef Festge sieht es als hoffnungsvolles Zeichen, dass auf der gerade zu Ende gegangenen Messe "Metalloobrabotka" - der wichtigsten Messe für Werkzeugmaschinen in Russland - mehr als 100 deutsche Firmen vertreten waren. Festge hofft bei einer entsprechenden Einhaltung der Minsker Verträge bis Mitte des nächsten Jahres auf eine erste Lockerung der Sanktionen. "Der Eiserne Vorhang wird nicht wieder hochgezogen", sagt er. Man glaube an die Zukunft des russischen Marktes: "Das ist und bleibt ein Schlüsselmarkt für den deutschen Maschinenbau."