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"Feuer ist langfristig gut für Bäume"

Carla Bleiker11. Mai 2016

Noch immer brennen die Wälder in Alberta, Kanada. Waldbrandexperte David Martell erklärt, warum kleine Feuer manchmal gelegt werden, um größere zu verhindern - und warum das in Alberta nicht geht.

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Waldbrände bei Fort McMurray. (Foto: picture-alliance/GovernmeintOfAl/C.Schwarz)
Bild: picture-alliance/GovernmeintOfAl/C.Schwarz

Deutsche Welle: Herr Martell, was ist Ihre Verbindung zu Waldbränden?

Ich helfe Waldbrand Managern dabei, Entscheidungen zu treffen und für die Zukunft zu planen. Ich entwickele Computermodelle, die sie nutzen können, um ihre Strategien auszuwerten, zum Beispiel, wie viele Löschflugzeuge sie brauchen.

Feuerbekämpfung zu organisieren ist ein bisschen so, wie eine Notaufnahme zu leiten. Man muss vorhersagen, wann und wo Notfälle auftreten könnten und wo Krankenwagen stationiert werden sollten, damit sie möglichst schnell vor Ort sind.

Die Aufgabe der sogenannten "incident management teams" [Vorfallmanagementteams] ist es, Feuer so schnell, für so wenig Geld und natürlich so sicher wie möglich zu löschen.

David Martell. (Foto: privat)
Als junger Mann arbeitete Martell sechs Wochen bei der FeuerwehrBild: privat

Wie bekämpft man Waldbrände am besten?

An erster Stelle steht ein gutes System, dass es weniger wahrscheinlich macht, dass Menschen versehentlich einen Waldbrand auslösen. Dann kommt es darauf an, Feuer schnell zu entdecken - hier in Kanada, in Ontario gibt es Flugzeuge, die auf Patrouillen fliegen, um Brände aufzuspüren, wenn sie noch klein sind.

Wenn irgendwo in Ontario ein Waldbrand gemeldet wird, werden zwei Löschflugzeuge losgeschickt. Sie fliegen dicht über die Oberfläche eines Sees, saugen Wasser in ihre Tanks und versprühen es dann über den Flammen. Gleichzeitig nähern sich Feuerwehrleute dem Brand. Sie pumpen Wasser aus einem nahen Fluss in ihre Schläuche und treten gegen die Flammen an. So verhindern sie die Ausbreitung des Feuers und können es schließlich löschen.

Funktioniert das so auch in Alberta?

In einigen Teilen von Alberta gibt es nicht so viel Wasser [wie in Ontario]. Also verwenden die Feuerwehrleute hier häufig Schaufeln und Äxte und grenzen das Feuer mit einem Graben ein. Löschflugzeuge arbeiten manchmal mit landbasierten Löschmitteln. Im Fernsehen kann man das sehen, wenn Flugzeuge rotes Pulver statt Wasser über den Flammen abwerfen.

Löschflugzeug verteilt Wasser über Wälder in Saskatchewan. (Foto: REUTERS/Government of Saskatchewan)
Löschflugzeuge verteilen in Alberta oft Pulver, nicht Wasser, wie dieses über SaskatchewanBild: Reuters/Government of Saskatchewan

Und was passiert, wenn das Feuer mit diesen Methoden nicht gelöscht werden kann und sich zu einem großen Brand entwickelt?

Dann kommt das "incident management team" zum Einsatz. Sie überlegen sich eine Strategie, mit der das Feuer gelöscht werden soll. Bei so einem Einsatz können Dutzende oder mehrere Hundert Feuerwehrleute dabei sein. Ich habe Einsätze mit mehr als 350 Feuerwehrleuten gesehen.

Manchmal werden kleinere Feuer absichtlich gelegt, in Absprache mit den Behörden. Warum wird so etwas gemacht?

So sollen Unterbrechungen in der Waldvegetation entstehen. Brandmanager nennen diese Vegetation auch Brennstoff. Sie wollen dafür sorgen, dass entweder auf vertikaler oder auf horizontaler Ebene Lücken im Brennstoff entstehen.

Im Süden [der kanadischen Provinz] British Columbia besteht der Wald aus Ponderosa Kiefern, die auf Grasland wachsen. Wenn man dort mehrere Jahre Brände bekämpft hat, wachsen neue Bäume unter den größeren, alten Kiefern. Wenn man dieses Unterholz nicht abholzt, hat man irgendwann vom Waldboden über die neuen Bäume bis hoch zu du den großen Ponderosa Kiefern durchgängigen Brennstoff. Wenn dann an einem heißen, trockenen, windigen Tag ein Brand ausbricht, wird das ein sehr intensives Feuer werden.

Wenn man aber das Problem angeht, bevor das Unterholz richtig wachsen kann und immer mal ein kleineres Feuer legt, können die Ponderosa Kiefern mit ihrer dicken Rinde diesen weniger intensiven Bränden standhalten. Man verbrennt das Gras und einige von den jungen Bäumen, aber die großen Kiefern überleben. Wenn man das regelmäßig macht, erhält man den Wald in einem relativ sicheren Zustand. Man dünnt ihn sozusagen mit nicht sehr intensiven, absichtlich gelegten Bränden aus. Wenn ein großes Feuer in so einem Wald entsteht wird es weniger intensiv, es gibt keine riesigen Flammen und die alten Bäume werden nicht Opfer des Feuers.

So wird Feuer also benutzt, um vertikale Lücken in den Brennstoff zu schlagen. Wie geht das mit horizontalen Lücken?

In Australien gibt es große Gebiete, wo Büsche und Gras wachsen. Die hier genutzte Methode ähnelt der Wechselwirtschaft. Das Land wird in Abschnitte eingeteilt und alle fünf bis sechs Jahre wird ein anderer Abschnitt kontrolliert verbrannt. Die Menschen betrachten das Land als Mosaik und entscheiden, welches Stück sie dieses Jahr abbrennen. So entwickeln sie einen Plan. Damit schaffen sie horizontale Lücken. Sobald ein Feuer ein verbranntes Stück Land erreicht, kann es sich nicht weiter ausbreiten.

Bäume inmitten von riesigen Flammen. (Foto: Getty Images/AFP/C. Burston)
Rund um die Stadt Fort McMurray toben immer noch WaldbrändeBild: Getty Images/AFP/C. Burston

Wurde eine dieser Methode auch in Alberta angewendet, wo jetzt gerade die Waldbrände wüten?

Das Problem mit den Bäumen in Alberta ist, dass die Fichten dort sehr leicht brennen - man kann den Wald also nicht mit kleinen Feuern ausdünnen. Man kann nicht mal daran denken, das Unterholz zu verbrennen, um vertikale Lücken zu schaffen. Ein kleines, kontrolliertes Feuer würde hier nicht funktionieren.

Das Land in ein Mosaik einzuteilen und so wie in Australien immer einen Teil abzubrennen, würde auch nicht funktionieren, weil es dort einfach zu viel Brennstoff gibt. Der einzige Weg in Alberta, mit dem Brennstoffproblem umzugehen, ist, die Fichten in der Nähe von Siedlungen abzuholzen und dort weniger entflammbare Bäume zu pflanzen.

Was ist mit den Tieren in Gegenden, wo kleine Feuer zum Ausdünnen gelegt werden?

Feuer ist ein natürlicher Teil des Ökosystems Wald in Kanada. Bei Bränden werden Nährstoffe recycelt und der Lebensraum für Tiere verbessert. Die einzige Ausnahme sind Vögel, die ihre Nester auf dem Boden haben. Dort, wo die nisten, kann man keine Feuer legen. Aber generell ist Feuer ein natürlicher Vorgang und langfristig gut für Bäume. Ich sage meinen Studenten immer: Feuer zerstört Bäume, es zerstört keine Wälder.

David Martell ist Professor im Bereich Forstwesen an der University of Toronto in der kanadischen Provinz Ontario. Seit 1974 spezialisiert er sich dort auf die Arbeit mit und die Beratung von Brandmanagern. Seit sechs Jahren arbeitet er mit einem "incident management team" in Ontario, einer kleinen Gruppe von Brandmanagern, die sich mit Großbränden beschäftigen.

Das Interview führte Carla Bleiker.