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Marschbefehl für Afghanistan

Alexander Freund4. Oktober 2002

Die Regierungen Deutschlands und der Niederlande haben der Nato angeboten, mit einem gemeinsamen Korps die Führung der internationalen Afghanistantruppe zu übernehmen. Noch fehlen jedoch die Zustimmungen der Parlamente.

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Deutscher Schützenpanzer in der afghanischen Hauptstadt KabulBild: AP

Beim NATO-Verteidigungsministertreffen in Warschau hatte der deutsche Verteidigungsminister Peter Struck vorgeschlagen, das erste deutsch-niederländische Korps könne zum Jahresende von der Türkei das Kommando über die internationale Schutztruppe für Afghanistan von der Türkei übernehmen.

NATO Verteidigungsminister in Warschau
NATO-Tagung in Warschau: NATO-Generalsekretär George Robertson (l.) spricht mit US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld (r.), während Bundesverteidigungsminister Peter Struck (oben) anderes im Blick hatBild: AP

Deutschland hatte bislang eine Führungsrolle in Afghanistan abgelehnt. Warum nun der Sinneswandel? Die Antwort auf diese Frage lieferte Struck gleich mit. "Das ist ein bedeutender Beitrag", so der Minister. "Wir übernehmen damit eine zusätzliche Verantwortung, von der ich glaube, das die amerikanische Regierung sie auch honorieren würde." Der Einsatz deutscher Truppen soll also nicht zuletzt das arg lädierte Verhältnis zu den USA aufbessern und nicht nur die innenpolitische Lage in Afghanistan stabilisieren.

Wenig Veränderung

In Afghanistan würde sich durch den Einsatz des deutsch-niederländischen Korps nicht allzu viel ändern. Schon seit Anfang des Jahres, seit Beginn des Afghanistan-Einsatzes, arbeiten deutsche und niederländische Soldaten in Kabul eng zusammen. Deutschland stellt rund 1.250 Soldaten der insgesamt 4.730 Mann umfassenden Afghanistan-Schutztruppe, die rund 200 niederländischen Soldaten sind in das deutsche Bataillon integriert. Außerdem hat Deutschland bereits das so genannte taktische Kommando in Kabul.

Das 1995 gegründete deutsch-niederländische Korps ist eine der NATO zugeordnete Krisenreaktionseinheit mit Sitz in Münster. Im Bedarfsfall stellen beide Länder ihre Truppen unter ein internationales Kommando, welches abwechselnd ein deutscher und ein niederländischer General inne hat, überhaupt sind alle Posten im Stab gleichwertig vergeben. Gravierende Sprach- oder Verständigungsprobleme gab es bislang nicht, die Amtssprache ist Englisch. Theoretisch kann das Korps mit 430 Mann in nur 30 Tagen an jedem Ort der Welt sein und dann vor dort aus bis zu 60.000 Soldaten führen.

Hohes Ansehen

Nicht nur aufgrund der schnellen Einsatzbereitschaft genießt das Korps in Militärkreisen ein hohes Ansehen, so der ehemalige Nato-General Klaus Reinhardt. "Das ist von den fünf multinationalen Korps, die wir haben, das mit Sicherheit am besten funktionierende, weil es nach dem Gesichtspunkt der "deep integration", der tiefen Zusammenarbeit, beiden Nationen gleiche Rechte, gleiche Pflichten gibt, und die Deutschen und die Niederländer von Anfang an versucht haben, mit diesem Korps ein multinationales Krisenreaktionskorps aufzubauen, mit all den technischen Führungs- und Kommandoeinrichtungen, die man dazu braucht."

NATO Flagge
NATO-Flagge

Sowohl Personal als auch Material sind für eine führende Rolle in Afghanistan also vorbereitet. Trotzdem fordert der Deutsche Bundeswehr-Verband einen Ausgleich. Begründung: Die Bundeswehr sei schon jetzt "über alle Maßen belastet". Deshalb müsse die Bundeswehr an anderen anspruchsvollen Einsatzorten, etwa auf dem Balkan, entlastet werden. Außerdem müsse sie besser ausgestattet werden, nötig seien mehr gepanzerte Fahrzeuge, neue Transportkapazitäten wie der Airbus A400M und neue Hubschrauber.

Unwägbarkeiten

Bevor der Marschbefehl erteilt wird, müsste die UNO das Afghanistan-Mandat verlängern. Eine Genehmigung müssen auch die Parlamente in den Niederlanden und in Deutschland erteilen. Während Strucks niederländischer Amtskollege Benk Korthals den Vorschlag unterstützt, sieht es in der Volksvertretung der Niederländer anders aus. Die Haushaltslage ist angespannt. Eine Zustimmung könnte den Parlamentariern daher schwer fallen. Wie der deutsche Bundestag über den Vorschlag Strucks befinden wird, ist ebenfalls völlig offen. Sicher ist nur: Das derzeitige Mandat für den Einsatz deutscher Soldaten in Afghanistan endet am 20. Dezember.

Voraussetzung für den Segen der Bundestagsabgeordneten dürfte sein, dass das ISAF-Mandat auf die Hauptstadt Kabul beschränkt bleibt. Zwar drängt der afghanische Regierungschef Harmid Karsai, der sich über das Angebot aus Deutschland hoch erfreut zeigte, auf eine räumliche Ausweitung des Mandats. Politiker und Militärs wie der ehemalige Nato-General Klaus Reinhardt werten dies aber als unkalkulierbares Risiko: "Wenn es ausgeweitet würde, müssten natürlich die Kräfte erheblich erweitert und verstärkt werden. Aber da sehe ich keine politischen Anzeichen, und ich hoffe auch, dass es nicht passiert, denn unsere Jungs würden damit ein sehr, sehr hohes Risiko laufen."