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Mapuche-Indianer hungern seit 60 Tagen

10. September 2010

Der Hungerstreik der inhaftierten Mapuche-Indianer in Chile dauert nun schon acht Wochen an. Der Gesundheitszustand von einigen der Streikenden gilt mittlerweile als kritisch.

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Karte von Chile
Karte von Chile: Temuco liegt 670 Kilometer südlich von SantiagoBild: NDR

Insgesamt nehmen 34 inhaftierte Mapuches keine Nahrung mehr zu sich, 32 von ihnen seit nun schon 60 Tagen. Die gesundheitliche Situation der Streikenden verschlechtert sich stetig. "Viele von ihnen haben bis zu 15 Kilogramm Gewicht verloren, leiden an Krämpfen, Ohnmachtsanfällen und Dehydrierung", sagt Nicole Hantzsche von der Gesellschaft für bedrohte Völker e.V. (GfbV). Vier von ihnen wurden wegen ihres schlechten Gesundheitszustands inzwischen in ein Krankenhaus gebracht. Ein Ende des Streiks in den chilenischen Gefängnissen ist noch nicht in Sicht. "Einige Streikende haben angekündigt, in den trockenen Hungerstreik zu treten, also auch nichts mehr zu trinken. Dann wird es extrem kritisch", warnt Nicole Hantzsche.

Regierung lenkt scheinbar ein

Porträt von Chiles Präsident Sebastián Piñera
Ändert Präsident Piñera das Antiterrorgesetz?Bild: Pablo Matamoros

Chiles Präsident Sebastian Piñera hat die Mapuche-Indianer zu einem Ende des Hungerstreiks aufgerufen. Er bezeichnete am Mittwoch (08.09.2010) den Streik als "kein legitimes Mittel in einem Rechtsstaat und in einer Demokratie." Chiles Regierung hat inzwischen erste Anzeichen für ein Einlenken gezeigt. Sie will das umstrittene Antiterrorgesetz, gegen das sich der Hungerstreik richtet, überprüfen. Mitte der Woche brachte die Regierung einen Dringlichkeitsantrag zur Überprüfung und Änderung des Gesetzes auf den Weg. Kritiker werfen der Regierung vor, sie wolle damit die Mapuches nur zum Abbruch des Hungerstreiks bringen damit diese nicht die Feier zum 200. Jahrestag der Unabhängigkeit am 18. September stören.
Wie die Mapuche in den Gefängnissen behandelt werden ist unklar. "Man erfährt wenig über die Haftbedingungen. Es ist sehr schwierig konkrete Informationen zu bekommen. Das kritisieren wir", so Nicole Hantzsch von der GfbV. Am Donnerstag (09.09.2010) hatten sich Mitglieder des Parlaments im Gefängnis in Temuco, 670 Kilometer südlich der Hauptstadt Santiago, ein eigenes Bild von der Lage gemacht. Vier Abgeordnete und Mitglieder des Menschenrechtsausschusses des Parlaments hatten sich aus Solidarität dem Hungerstreik angeschlossen. Die Tageszeitung "La Tercera" berichtete allerdings, dass sie am Abend unter Zwang aus der Haftanstalt gebracht wurden.

Antiterrorgesetz in der Kritik

Mapuche-Indiander tragen den Sarg von Mapuche-Führer Fabian Mendoza, der bei Auseinandersetzungen mit der Polizei ums Leben kam(Foto: dpa)
Bei Auseinandersetzungen mit der Polizei starb ein Mapuche im August 2009Bild: picture-alliance/ dpa

Mehr als 100 Mapuche-Indianer sitzen derzeit wegen des Antiterrorgesetzes in chilenischen Gefängnissen. Das Gesetz stammt aus der Zeit der Militärdiktatur von Augusto Pinochet (1973 bis 1990). Es erlaubt, den Angeklagten auch vor Militärgerichten den Prozess zu machen. Eine Untersuchungshaft kann auf bis zu zwei Jahren ausgedehnt werden. Zudem kann den Anwälten der Angeklagten der Zugang zu den Ermittlungsakten verwehrt werden. Den inhaftierten Mapuche-Indianern wird unter anderem versuchter Mord, Bildung einer kriminellen Vereinigung, Gewalt gegen die Polizei, Brandstiftung und Holzdiebstahl vorgeworfen. In den vergangenen Jahren ist es häufiger zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Mapuches und Sicherheitskräften gekommen. Den Mapuches wurde dabei immer wieder "terroristisches Handeln" vorgeworfen.

Die Situation der Mapuche

Zwei Mapuche in Tracht spielen ein trommelähnliches Musikinstrument (Foto: ap)
Mapuche in Tracht mit traditionellem MusikinstrumentBild: AP

Rund 650.000 Mapuche-Indianer gibt es in Chile. Damit stellen sie knapp sieben Prozent der chilenischen Bevölkerung und sind das größte Ureinwohnervolk Chiles. Kernpunkt des Konflikts zwischen der chilenischen Regierung und den Mapuches ist das Land der Mapuche, an dem vor allem Bergbaukonzerne und Zellulosekonzerne interessiert sind. Das Interesse gilt speziell den Bodenschätzen, dem Holz für die Papierproduktion und Wasser. Die Mapuche-Indianer setzen sich für ihr Land ein, was zu Konflikten mit den Konzernen und der Regierung führt. "Das Problem ist, dass, wenn die Mapuche friedliche Demonstrationen oder Landbesetzungen organisieren, die Regierung sofort einschreitet. Den Mapuche fehlt die Möglichkeit, sich engagieren zu können", so Nicole Hantzsche von der Gesellschaft für bedrohte Völker e.V. Eine Lösung des Landkonflikts ist noch nicht in Sicht.

Autor: Marco Müller
Redaktion: Mirjam Gehrke