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Manning-Urteil: Exempel statuiert?

Gero Schließ, Washington30. Juli 2013

Nach dem Schuldspruch in fast allen Anklagepunkten droht Bradley Manning eine Haftstrafe von mehr als 100 Jahren. Das Urteil spaltet die USA, einigen Experten geht die Verurteilung nicht weit genug.

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Bradley Manning (Foto: Getty Images)
Bild: Getty Images

Das Urteil, das Richterin Denise Lind nach einem aufwendigen Prozess und 16-stündiger Beratung bekannt gab, hat nur wenige überrascht. Zwar wurde der Obergefreite Bradley Manning in 19 der 21 Anklagepunkte für schuldig gesprochen, jedoch nicht für das schwerste Vergehen, das ihm der Militärstaatsanwalt noch bis zuletzt vorgehalten hatte: für die "Unterstützung des Feindes". Darauf steht theoretisch die Todesstrafe, die Staatsanwaltschaft hatte für den Fall eines Schuldspruchs allerdings lediglich lebenslange Haft gefordert.

Der 25-jährige Obergefreite hatte während seiner Stationierung im Irak zwischen November 2009 und Mai 2010 rund 700.000 Geheimdokumente der Enthüllungsplattform Wikileaks zugänglich gemacht. Darunter war auch ein Video, das eine offenbar mutwillige Attacke durch einen US-Hubschrauber in Bagdad zeigt, bei der unbewaffnete Zivilisten ums Leben kamen.

Vorwurf der Feind-Unterstützung: Lächerlich oder gerechtfertigt?

Lawrence Korb, ehemaliger Berater der Reagan-Administration in Sicherheitsfragen, bezeichnet das Urteil gegenüber der DW als bedeutsam und fair: "Es gab keinen Zweifel daran, dass Manning geheime Dokumente weitergegeben hat", sagt Korb, der heute Senior Fellow beim Center for American Progress ist. "Die eigentliche Frage war, ob diese Veröffentlichungen die Feinde unterstützten und Amerikas Anstrengungen im Krieg gegen den Terror unterminierten. Ich habe das nie geglaubt. Zu sagen, dass Al-Kaida nicht wusste, dass wir sie jagen, ist lächerlich. Sie wussten das natürlich."

"So wie der Prozess die amerikanische Öffentlichkeit gespalten hat, sind auch die Experten in Washington unterschiedlicher Ansicht. Mark Jacobsen vom German Marshall Fund hält den Vorwurf der Feind-Unterstützung im Gegensatz zu Larry Korb für gerechtfertigt. "Ich hätte einen Schuldspruch für Manning in dem schwersten Verbrechen, der 'Unterstützung für den Feind', gut gefunden. Das Gericht hat das offensichtlich intensiv beraten und ist dann aber zu einem anderen Ergebnis gekommen." Jacobsen gewinnt dem Urteil dennoch Positives ab: "Die wichtigste Botschaft ist, dass Manning in nahezu allen anderen Anklagepunkten schuldig gesprochen wurde. Das ist eine klare Botschaft an jene, die streng geheime Informationen veröffentlichen und die Vereinigten Staaten und ihre Verbündete und jene, die ihnen dienen, einem Risiko aussetzen."

Bradley Manning wird von einem Mann aus dem Gerichtssaal in Fort Meade abgeführt (Foto: Reuters)
Der Prozess gegen Manning hat die USA gespaltenBild: Reuters

In dem seit Juni laufenden Prozess hatte sich Manning in zehn von 21 Punkten für schuldig erklärt, darunter Spionage und Computerbetrug. Den Vorwurf der Unterstützung des Feindes aber hatte er zurückgewiesen.

Bamford: Mannings Dokumente überführten Obama der Lüge

Für den Journalisten James Bamford, der mit seinen Büchern über die jüngst heftig kritisierte National Security Agency berühmt geworden ist, rechtfertigt Mannings Tat schon eine Anklageerhebung wegen Unterstützung des Feindes nicht. Er habe zwar wahnsinnig viele Dokumente weitergegeben, aber sie seien nicht sehr sicherheitsrelevant gewesen. Die meisten Dokumente hätten von der Regierung gar nicht als geheim eingestuft werden dürfen.

Bamford weist gegenüber der DW aber auf den aus seiner Sicht großen Dienst für die Öffentlichkeit hin, den Manning unter hohem persönlichen Risiko geleistet habe: "Das wichtigste Dokument, das ich sah, zeigt, wie die Obama-Administration, ja wie Obama selber die amerikanische Öffentlichkeit angelogen hat. Die Amerikaner hatten bei ihrem Einsatz im Jemen Cluster-Bomben eingesetzt. Diese Bomben sind wegen ihrer verheerenden Auswirkung auf unbeteiligte Zivilisten von 109 Ländern geächtet. Und als man herausbekam, dass sie viele Frauen und Kinder in einem Dorf getötet hatten, leugnete Obama tatsächlich, dass die Amerikaner etwas damit zu tun hätten."

Der Journalist James Bamford (Foto: Getty Images)
Journalist James Bamford: Anklageerhebung wegen Unterstützung des Feindes war nicht gerechtfertigtBild: Getty Images

Obama-Administration geht hart gegen Geheimnisverräter vor

Wikileaks verurteilte den Schuldspruch des Militärgerichts als "gefährlichen, nationalen Sicherheitsextremismus der Regierung" von Präsident Obama. Viele Experten sind sich einig, dass mit dem Urteil auch ein Exempel statuiert wurde für jene, die zukünftig Julian Assanges Plattform für die Veröffentlichung geheimer Dokumente nutzen wollten.

"Diese Administration hat mehr Menschen wegen Spionage strafverfolgt als alle Vorgänger-Administrationen zusammen", sagt Lawrence Korb. "Ich denke ganz bestimmt, dass sie an Manning ein Exempel statuieren wollten, um andere davon abzuhalten, das Gleiche zu tun. Deswegen haben sie auch nicht akzeptiert, dass er sich in weniger schweren Vergehen schuldig bekannt hat. Das hätte aus meiner Sicht völlig ausgereicht, um andere abzuschrecken."

Für die Staatsanwaltschaft sowie Teile von Politik, Medien und Öffentlichkeit bleibt Manning ein Verräter, für seine Unterstützer dagegen ist er ein mutiger Kämpfer für Wahhaftigkeit. Bamford weist darauf hin, dass Manning keine Dokumente gegen Geld weitergegeben hat. Für ihn ist Manning ein "Whistleblower", ein Informant.

Demonstranten fordern auf Transparenten die Freilassung von Bradley Manning (Foto: Reuters)
Für seine Unterstützer bleibt Bradley Manning ein mutiger Kämpfer für WahrhaftigkeitBild: Reuters

Auswirkungen auf den Fall Snowden

Man darf davon ausgehen, dass dieses Urteil im fernen Moskau von zwei Personen besonders aufmerksam gelesen wird: von Vladimir Putin und von Edward Snowden. Für Marc Jacobsen vom German Marshall Fund enthält das Urteil eine klare Botschaft an Snowden und potentielle Nachahmer: "Schaut, die Vereinigten Staaten können einen freien und unabhängigen Prozess durchführen. Und wenn man sich dem Gericht stellt, wird man erfahren, dass man für bestimmte Anklagepunkte freigesprochen werden kann, für andere aber schuldig gesprochen wird. Was ich zu Edward Snowden sagen würde, ist: Komm zurück in die Vereinigten Staaten. Setz dich mit einem freien und fairen Justizsystem auseinander und lass das Gericht entscheiden."

Manning soll den Urteilsspruch reglos entgegengenommen haben. Sein Verteidiger sagte laut der Nachrichtenagentur Associated Press: "Wir haben eine Schlacht gewonnen, aber nicht den Krieg." Das Strafmaß für Manning wird das Gericht am Mittwoch bekanntgeben. Es könnte sich auf mehr als 100 Jahre summieren.