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Malmö- Tag 2

Suzanne Cords17. Mai 2013

Nach der prachtvollen Crystal Hall in Baku, die den letzten Contest beherbergte, gibt sich die Malmö Arena 2013 bescheiden – und siehe da: Ohne Pomp geht es auch. Unterwegs mit DW-Reporterin Suzanne Cords.

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Suzann Cords vor dem ESC-Plakat Foto: privat (DW). Suzanne Cords vor Plakaten.
Tagebuch Bilder aus MalmöBild: DW/S. Cords

In Stockholms größter Veranstaltungshalle jagen Männer derzeit bei der Eishockey-Weltmeisterschaft dem Puck hinterher. In Göteborgs Scandinavium wird ein Weltcup im Springreiten ausgetragen. Die Malmö Arena ist also nur dritte Wahl. Und ein Plädoyer für Bescheidenheit.

Immerhin sind die Sitze bequem. Im Foyer gibt es Sverige-Bier. Und wenn schon keine Köttarbullar angeboten werden, wie man sie aus dem Ikea-Selbstbedienungsrestaurant kennt, dann doch solide Würstchen.

Auf der Damentoilette haben zwei findige Jungunternehmerinnen einen ambulanten Kosmetiksalon eröffnet und lackieren auf Wunsch wahlweise die Nägel, zupfen Augenbrauen und sorgen für das passende Make Up in der Landesfarbe. Schwarz-Rot-Gold aufgehübscht begebe ich mich in die Halle, um gespannt das zweite Halbfinale zu verfolgen. Die Deckenbeleuchtung ist einfach, aber dekorativ. Sie erinnert mich an Gartenlampions und wechselt konstant die Farbe. Mal erstrahlen die Lichter eisblau, dann wieder glutrot oder grasgrün.

zwei Jungunternehmerinnen schminken die Damen auf der Toilette DW/Suzanne Cords
Kosmetiksalon auf der DamentoiletteBild: DW/S. Cords

Jesus und der Froschkönig

Ein wenig irritieren mich die eiszapfenähnlichen Gebilde, die in luftiger Höhe bedrohlich über der Bühne und somit den Kandidaten hängen. Obwohl es bei manch gesanglicher Darbietung vielleicht gar nicht so schlecht wäre, wenn so ein herunter krachender Zapfen dem Ganzen ein Ende bereiten würde. Dabei geben sich alle viel Mühe.

Leider sind die zwei Bildschirme an der Decke sehr klein: Ich kann nicht erkennen, welches Land sich da ums Weiterkommen bemüht. Warum liebkost die blonde Fee im weißen Kleid die ganze Zeit eine überdimensionale Kugel, frage ich mich? Will sie den Froschkönig anlocken? Und wer ist dieser langhaarige Hüne, der eine ideale Jesus-Besetzung in einem Hollywood-Bibelstreifen gäbe?

Lichter in der Arena in Malmö. DW/Suzanne Cords
Solche Zapfen schweben über den Köpfen der KandidatenBild: DW/S. Cords

Alkohol und Alm-Öhi

In der Bühnendeko strahlen ein Leuchtturm und Sterne um die Wette, flankiert von zwei idyllischen Holzhausattrappen. "Das ist der Beitrag aus Island", klärt mich mein schwedischer Sitznachbar auf. Dafür erkenne ich die Griechen sofort, denn sie stürmen mit elanvollen Sirtaki-Tanzschritten auf die Bühne. "Alcohol is free" singen sie – die meinen bestimmt diese Honigweinplörre, die es auf Studentenpartys immer gab.

Auch die Schweizer sind leicht zu identifizieren, denn sie haben einen 95-jährigen Alm-Öhi in ihrer Mitte. Und Heidi und Peter alias "Takasa" herzen sich ganz allerliebst. Das Lied ist mir allerdings nicht im Gedächtnis geblieben. Muss es auch nicht, die Alpenbewohner schaffen es nicht ins Finale.

Stimmwunder und viel Dekolleté

Umso mehr beeindruckt mich das Stimmwunder aus Rumänien. Rote Blitze umzüngeln den Kontratenor, seine glattrasierte Brust wird von einem schwarzen Glitzermantel mit hohem Kragen umspielt.

Nein, das ist nicht Mephisto, schließlich baumelt ein Kreuz um den Hals des Sängers. Seine Stimme umspannt mehrere Oktaven und schraubt sich aus den Tiefen der Hölle bis hinauf in höchste Sphären. Das Publikum glaubt seinen Ohren nicht zu trauen. Ich auch nicht. In der Oper ein Genuss, aber ob ESC-Fans sich dafür begeistern können? Offenbar ja, auch Cezar wird am Samstag um die Contest-Krone kämpfen.

Rumäniens Cezar auf der Bühne Foto: EBU/ Thomas Hanses
Ist das Mephisto oder Dracula?Bild: EBU/Thomas Hanses

So manche Band peppt den bescheidenen Liederbeitrag mit Feuersäulen auf, andere stehen mehr auf Dampfschwaden. Es ist nichts Spektakuläres, was sich da unten auf der Bühne tut. Vieles kommt sehr bieder daher. Einige Sängerinnen setzen auf viel Dekolleté. Und Balladen sind offenbar angesagt. Die meisten Interpreten treten mit englischen Liedern an, passt wohl besser zum Mainstream. Ich mag da lieber die Bulgaren oder die Roma-Queen Esma Redžepova, die ihrer Muttersprache treu bleiben und sich dabei äußerst temperamentvoll gebärden. Beide fliegen später raus.

Nach so viel Liedgut habe ich Durst und halte es mit den Griechen: wenn Alkohol auch nicht free, sondern viel zu teuer ist im Land der Wikinger. Skol!