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Mafia-Skandal: Regierungsumbildung in Bulgarien

17. April 2008

Bulgarien wird seit langem immer wieder von Skandalen erschüttert. Nun musste der Innenminister wegen seiner Kontakte zu dubiosen Unternehmern gehen. Eine Regierungsumbildung folgt.

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Rumen Petkov nun Ex-InnenministerBild: AP

Nach wochenlangen Dementis und Zögern ist der bulgarische Innenminister Rumen Petkov am 13. April zurückgetreten. Er galt als Geldbeschaffer für die ex-kommunistische und heute regierende Sozialistische Partei. Lange Zeit war er unantastbar. Sein Rücktritt war zu erwarten. Trotzdem haben nur wenige in Bulgarien daran geglaubt, dass der stellvertretende Vorsitzende der Sozialistischen Partei diesmal nachgeben würde. Doch der politische Druck auf ihn und auf sein von mehreren Skandalen erschüttertes Ministerium war zu massiv geworden. Die Regierungskoalition von Sozialisten, der Partei der türkischen Minderheit (DPS) und der Partei der Ex-Königs Sachskoburggotski (NDSW), lief Gefahr, die Macht zu verlieren.

Auch die EU hatte politisch Druck gemacht. Bei einem Besuch in Sofia Ende März hatte der Präsident der EU-Kommission, Jose Manuel Barroso, klar gestellt: „Weit fortgeschrittene Korruption und Kriminalität haben keinen Platz in der EU und können von uns nicht toleriert werden.” Doch nur ein paar Tage später wurden in Sofia erneut zwei Auftragsmorde verübt. Erschossen wurden ein Schriftsteller, der über die Mafia geschrieben hatte und bereit war, gegen einen ihrer Bosse auszusagen, und der Geschäftsführer einer Firma, die für die Wartung des Atomkraftwerkes Kosloduj zuständig ist.

Verstrickungen bis in Führungsebenen

Ausgerechnet das Innenministerium, dessen allerwichtigste Priorität die Bekämpfung der Korruption und der organisierten Kriminalität in Bulgarien sein sollte, erwies sich als ein Hort dubioser Geschäfte. So ist klar geworden, dass die Unterwelt-Bosse immer wieder vor Polizei-Razzien gewarnt wurden, und das ausgerechnet vom stellvertretenden Chef der Hauptdirektion zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität im Innenministerium, Ivan Ivanov. In einem Telefonmitschnitt ist sogar zu hören, welche Geschenke der hochrangige Beamte sich von seinen kriminellen Freunden wünschte.

Im Innenausschuss des bulgarischen Parlaments wurde ferner bekannt, dass weitere Mitwisser und Mafia-Helfer auf höchster Ebene im Innenministerium tätig waren. Der Skandal erreichte seinen Höhepunkt, als Innenminister Petkov zugeben musste, sich mit Geschäftsleuten getroffen zu haben, gegen die die bulgarischen Behörden ermitteln. Petkovs Erklärung, diese Treffen seien produktiv und keineswegs eine verwerfliche Praxis, führten zu Empörung unter der bulgarischen Bevölkerung.

Trotzdem wurde der Innenminister nicht entlassen und erhielt sogar die Unterstützung seiner Parteigenossen: auch von Präsident Georgi Parvanov und Premier Sergej Stanischew. Die Regierung überstand fünf Misstrauensvoten im Parlament.

Umfassende Kabinettsumbildung

Doch nun endlich musste der sozialistische Ministerpräsident personelle und strukturelle Veränderungen in seinem Kabinett verkünden. Gleich acht Ministerposten sollen neu besetzt werden. Außerdem soll ein neues Ministerium für die Kontrolle über die Verteilung der EU-Gelder zuständig sein. Anfang März hatte Brüssel wegen Korruption und Misswirtschaft in 25 Fällen Finanzmittel für Bulgarien in Millionenhöhe eingefroren.

Die Kabinettsumbildung könnte es der Regierungskoalition in Bulgarien ermöglichen, bis Ende ihres Mandates im Herbst 2009 an der Macht zu bleiben, meint die stellvertretende Geschäftsführerin der “Südosteuropa-Gesellschaft”, Sonja Schüler. Die deutsche Politologin sagt: “Angesichts der breiten mafiösen Netzwerke bei Geschäftsabwicklungen, im Gesetzgebungsverfahren, bei Privatisierungsprozessen sowie der Vergabe öffentlicher Aufträge und Posten wird die Einleitung struktureller Reformen, der Aufbruch dieses Teufelskreises sehr schwierig werden. Kurzfristig ist es nicht zu bewältigen, und ob das überhaupt geschieht, da bin ich skeptisch.”

Skepsis gegenüber Bulgarien bleibt also angebracht. Im Juni erscheint der nächste Monitoring-Bericht der EU-Kommission. Verbrechensbekämpfung und organisierte Kriminalität werden dann erneut unter die Lupe genommen.

Marinela Liptcheva-Weiss