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Madagaskars Bauern machen Programm

Friederike Müller13. März 2014

Wie viel kostet der Reis heute auf dem Markt? Wie kann ich meine Erträge steigern? Das erfahren Kleinbauern in Madagaskars Hochland aus dem Radio. Das Besondere: Bei Radio Mampita machen die Landwirte selbst Programm.

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Madagaskars Landwirte am Mikrofon (Foto: Friedrike Müller/DW)
Bild: DW/F.Müller

Geschickt balanciert Rakoto Harynanza über den schmalen Damm aus festgetrampelter Erde, der die Reisfelder voneinander trennt. Der Landwirt baut Reis und Maniok an und arbeitet oft auf dem Feld. Doch heute bleibt er daneben stehen, vorsichtig darauf bedacht, dass sein kleines Aufnahmegerät nicht in den Schlamm fällt. Rakoto Harynanza führt heute ein Interview zum Reisanbau. Er ist einer von ungefähr 30 Landwirten, die für Radio Mampita im Einsatz sind, einen speziell auf die Bedürfnisse der Bauern in Madagaskars Hochland ausgerichteten Sender.

Rakoto Harynanzas Gesprächspartner steht bis über die Knöchel im Schlamm. Mit einem Stock und seinen nackten Füßen bearbeitet er seit dem frühen Morgen den Boden, damit die Frauen am nächsten Tag die jungen Reispflänzchen setzen können - die Basis für das Hauptnahrungsmittel der Madagassen.

Schild von Radio Mampita (Foto: Friedrike Müller/DW)
Der Name ist Programm: Mampita ist madagassisch für "verbinden"Bild: DW/F.Müller

Das Radio als Ausbilder

Die Insel vor der ostafrikanischen Küste gehört zu den ärmsten Ländern der Welt. Fast alle Familien leben hier von der Landwirtschaft. Doch die Erträge bleiben weit hinter dem Potenzial des fruchtbaren Landes zurück. Schuld daran sind immer wieder zerstörerische Unwetter, vor allem aber die mangelnde Ausbildung der Landwirte. Viele können weder lesen noch schreiben. Ihre Technik haben sie sich von ihren Eltern und Großeltern abgeschaut. Von effizienteren Alternativen haben sie oft noch nie gehört.

Das will Radio Mampita ändern. Das madagassische Wort "Mampita" bedeutet "verbinden". Darin sieht auch Landwirt und Korrespondent Rakoto Harynanza seinen Auftrag: "Es geht darum, Erfahrungen auszutauschen und miteinander zu teilen." Auf dem Land, wo die Häuser weit auseinanderstehen und es keine Zeitungen gibt, geht das am besten übers Radio. "Einige sagen, dass sie keine Ausbildung haben, sei ihr größtes Problem. Aber die meisten bilden sich über Radio Mampita weiter", sagt Rakoto Harynanza stolz.

Ein Moderator von Radio Mampita (Foto: Friedrike Müller/DW)
Aktuelle Marktpreise, Warnungen vor Rinderdieben oder Krankheiten erreichen den Moderator per SMSBild: DW/F.Müller

Ungefähr vier Mal pro Monat führt er ein Interview. Viel Geld verdient er damit nicht: Der Sender kann seinen Korrespondenten nur eine kleine Entschädigung für die Unkosten zahlen. Trotzdem arbeitet Rakoto Harynanza gern für Radio Mampita. Dort hat er auch gelernt, das Aufnahmegerät zu bedienen, sich selbst und seine Gesprächspartner auf die Interviews vorzubereiten.

Tipps zu Reisanbau und zur Truthahnzucht

Ein Interviewpartner hat ihn besonders beeindruckt: "Dieser Reisbauer hatte überhaupt keine Ausbildung, er hat alles nur aus dem Radio gelernt", erzählt Rakoto Harynanza. Vor fünf Jahren habe dieser Mann noch 30 Kilo Saatgut benötigt, um einen Hektar zu bepflanzen. "Heute reichen ihm vier Kilo." In der Region Haute Matsiatra, dem Sendegebiet von Radio Mampita, gibt es viele solcher Erfolgsgeschichten. Etwa die von Marie-Collette Razafindratsara. Ihre selbstgeflochtenen Bastmatten waren früher ihre einzige Einkommensquelle. "Jetzt züchte ich auch Truthähne", erzählt sie. "Im Radio haben sie erklärt, wie das geht. Jetzt weiß ich, was sie fressen und wie sie am schnellsten wachsen."

Unser Ziel ist es, den Menschen in der Region zu helfen, ihr Leben zu verbessern", erklärt Yves-Lucienne Voahirana, die Chefredakteurin von Radio Mampita. Natürlich gehe das nicht von einem Tag auf den anderen. "Aber wir beobachten, dass die Landwirte ihre Produktionstechniken Stück für Stück verbessern." Der Sender entstand 1997 als Projekt der Schweizer Behörde für Entwicklungszusammenarbeit. Heute trägt er seine Kosten weitgehend selbst, indem er etwa Sendezeit an Entwicklungshilfeorganisationen vermietet.

Die Chefredakteurin von Radio Mampita in ihrerm Büro (Foto: Friedrike Müller/DW)
Chefredakteurin Yves-Lucienne Voahirana ist seit der Gründung von Radio Mampita dabeiBild: DW/F.Müller

Die Reispreise kommen per SMS ins Studio

Am Reisfeld ist Rakoto Harynanza fertig mit seinem Interview. Jetzt muss er die Kassette mit der Aufnahme zum Radiosender bringen. Für die zwölf Kilometer über die staubigen Feldwege braucht der Bus gut eine Stunde. Radio Mampita hat seinen Sitz in der Provinzhauptstadt Fianarantsoa. Das Gebäude wurde 2012 von der deutschen Botschaft gestiftet. Im Sendestudio im ersten Stock geht gerade die Frühsendung zu Ende. Neben den Beiträgen der Korrespondenten seien SMS der Hörer ein wichtiger Bestandteil der Sendungen, sagt Chefredakteurin Voahirana. "Sie schreiben uns zum Beispiel: Hier im Ort kostet ein Kilo Reis 1000 Ariary [umgerechnet 0,30 Euro]. Dann schreibt jemand anderes: Bei uns kostet das Kilo Reis 1200 Ariary." So können die Landwirte ihre eigenen Preise besser festlegen.

Die Moderatoren sprechen Betsileo, den Dialekt der Region. Ein weiteres Markenzeichen des Senders, erklärt die Chefredakteurin: "Das Besondere an Radio Mampita ist, dass es wirklich ein Radio für die Landwirte ist. Wir sprechen nicht nur ihre Sprache, bei uns kommen sie selbst zu Wort." So wie Korrespondent Rakoto Harynanza und der Reisbauer, den er an diesem Morgen interviewt hat.