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Politik

Macron - der Glanz und die Wirklichkeit

13. Juli 2017

Zum Nationalfeiertag empfängt Emmanuel Macron US-Präsident Donald Trump. Auch Angela Merkel und ihre Minister waren gerade zu Gast. Die französische Hauptstadt glänzt. Das könnte außenpolitisch inspirierend wirken.

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Frankreichs Präsdient Emmanuel Macron, vor seiner Rede in Versailles
Bild: Reuters/E. Laurent

Europe is back! Es ist ein kühner Satz, den die französische Tageszeitung "Le Monde" ihren Lesern präsentiert. "Europe is back." So, in schnellem, kurzem Englisch steht es im Blatt, als augenzwinkernde Referenz an alle die hoffnungsvollen Formeln, die in den vergangenen Jahren zur Gestaltung der Zukunft aufforderten, von "Yes we can" bis "Let´s make Europe great again".

Immerhin, konstatiert "Le Monde", sah es vor einem Jahr in Europa noch ganz anders aus: Die Briten hatten sich gerade aus der Europäischen Union verabschiedet, die Populisten drohten gleich in mehreren Ländern entscheidende Wahlen zu gewinnen, und vor allem in Frankreich hatte der Terrorismus gewütet. Zynisch hatte der Attentäter ausgerechnet am 14. Juli, dem französischen Nationalfeiertag, in Nizza zugeschlagen und ein furchtbares Blutbad angerichtet.

Nun, ein Jahr später, steht Europa besser da: Die Populisten haben in Wahlen Rückschläge erlitten, der Brexit verursacht seinen einst so selbstgewissen Propheten immer größere Kopfschmerzen, und die Terrororganisation "Islamischer Staat" hat herbe militärische Niederlagen erlitten.

Europa leuchtet

Handschlag zwischen Donald Trump und Emmanuel Macron
Alter vor Schönheit? Nicht unbedingt Bild: Reuters/J. MacDougall

Vor allem aber: Europa leuchtet, insbesondere und vor allem in Frankreich. Emmanuel Macron, der junge, nicht einmal 40 Jahre alte Präsident, hat Selbstsicherheit bewiesen, und dazu noch viel mehr. Der kräftige Händedruck, mit dem er Präsident Trump, dem Mann mit der starken Faust, während des NATO-Gipfel im Frühjahr begrüßte, wurde als Videoszene im Netz zu einem Selbstläufer.

Nicht anders ein weiteres Video. Es zeigt Macron als Meister eines taktischen Ausweichmanövers: Ebenfalls beim Nato-Gipfel steuerte Macron zunächst auf Trump zu, biegt aber im letzten Moment nach rechts ab, um zunächst Angela Merkel, NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg und den belgischen Premier Charles Michel zu begrüßen, und dann erst Trump. Für den Bruchteil einer Sekunde verdüsterte sich die Miene des US-Präsidenten. Und das hieß: zwei zu null  für Macron.

Auch diese Szene genossen die Europäer. "Ein Moment der Wahrheit" sei das gewesen, erklärte Macron dem Journal du Dimanche, eine "Verweigerung eines kleinen Zugeständnisses, und sei es nur symbolischer Art".

Arbeitsessen in Versailles, Diner im Eiffelturm

Politische Symbolik ist die Stärke des französischen Präsidenten, das zeigt er auch in der gekonnten Inszenierung des kulturellen Erbes der "Grande Nation". Erst Putin zum Arbeitsessen im Schloss von Versailles. Nun empfängt Macron wenige Tage nach dem Hamburger G20-Gipfel das Ehepaar Trump zu einem Abendessen im vornehmen Restaurant "Le Jules Verne" im zweiten Stock des Eiffelturms. Da scheint er wieder auf, der Glanz der "Grande Nation".

Symbolbild zum Nationalfeiertag am 14. Juli
Strahlkraft der Republik: Szene vom französischen NationalfeiertagBild: Lionel Bonaventure/AFP/Getty Images

Soweit die Ästhetik, die Symbolik. Die politischen Realitäten sind ein Stück widerständiger - aussichtslos darum aber lange noch nicht. "Et en même temps": Von seiner Lieblingsformel lässt sich Macron immer wieder leiten. Man muss einem schwierigen Menschen wie Trump unbedingt entschieden entgegentreten. Aber man darf ihn nicht ausgrenzen, ist Macron überzeugt.

So rennt er in Washington offene Türen ein."Trump ist begeistert, die First Lady ist begeistert", zitiert "Le Figaro" einen Berater aus dem Weißen Haus zur dortigen Stimmungslage. "Ein Paar wie die Macrons in Paris zu besuchen, ist wunderbar."

Noch ein Punkt also für Macron. "Er hat Trump zu einem sehr günstigen Preis eingekauft", zitiert "Le Monde" einen namentlich ungenannten diplomatischen Beobachter. Zum Dauerfeuer, dem der US-Präsident im Washington ausgesetzt ist, bietet sich Paris als willkommene Abwechslung an, und sei es auch nur für anderthalb Tage. Gleichwohl erfüllt die kurze Zeitspanne ihren Zweck. "Macron setzt darauf, dass die USA in jeder Hinsicht unverzichtbar sind, welcher Fehler deren Präsident auch immer begehen mag", so der diplomatische Beobachter.

Die Mühen der Ebene

Exakt an dieser Stelle könnte die symbolische in praktische Arbeit übergehen. Auf Grundlage schwieriger Beziehungsarbeit könnten sich Macron und Trump nun den Niederungen der Politik zuwenden. Ein Anfang ist getan: Frankreich will, wie von Trump gewünscht und im politischen Paris überwiegend für sinnvoll befunden, die Verteidigungsausgaben anheben. 

"Wir haben gemeinsame Anliegen", erklärte Macron Mitte der Woche: "den Kampf gegen den Terrorismus und den Schutz vitaler Interessen." Auf diesem Gebiet stehen die Chancen auf Zusammenarbeit gut, anders als in der Klimapolitik.

Anschluss an die Symbolik

Merkel und Macron demonstrieren Harmonie

Auch diesseits des Atlantiks geht es voran. Der deutsch-französische Ministerrat in Paris am Donnerstag hat sich für eine noch engere Kooperation beider Staaten ausgesprochen. Die gemeinsame EU-Verteidigungspolitik soll vorankommen, ebenso die Arbeit an juristischen Vorgaben, die deutsch-französischen Paaren das Leben erleichtern sollen. Auch die Kinder und Jugendlichen beider Länder sollen die Sprache des jeweiligen Nachbarlandes wieder besser beherrschen und dort in Zukunft auch (noch) leichter arbeiten können.

Schwierig wird es für die Arbeit an einem gemeinsamen EU-"Budget" sowie stärkeren "Solidaritätsmechanismen".  Wie diese die finanziell weiterhin stark bedrängten Südstaaten der EU unterstützen sollen, und wie und vor allem durch wen die Kosten dafür aufzubringen sind, auch darüber dürfte ein Diskussionsbedarf  bestehen, der weit über das Treffen dieser Tage hinausgeht. Immerhin, zitiert Le Monde einen Berater aus dem Élysée-Palast, hätte diese Arbeit auf jeden Fall einen "Trainingseffekt".

Die politische Symbolik sind der Wirklichkeit ein paar Meter voraus. Jetzt kommt es nur noch darauf an, wieder an sie anzuschließen.

DW Kommentarbild | Autor Kersten Knipp
Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika