1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Maas für Sanktionen gegen Libanons Führung

4. August 2021

Der Libanon gedenkt der Opfer der verheerenden Explosion im Hafen von Beirut vor einem Jahr. Die Hintergründe sind weiter ungeklärt, das Land versinkt in Korruption. Außenminister Maas mahnt schnelles Handeln an.

https://p.dw.com/p/3yVQF
Libanon Beirut | Skulptur zum Gedenken an Opfer der Explosion
Die Skulptur des Architekten Nadim Karam zum Gedenken an die Opfer der Explosion im Hafen von Beirut Bild: MOHAMED AZAKIR/REUTERS

Der deutsche Außenminister Heiko Maas plädiert für EU-Sanktionen gegen die politische Führung im Libanon. Angesichts der sich dramatisch verschlechternden wirtschaftlichen Lage in dem Land sei es unverantwortlich, dass es noch immer keinen Fortschritt bei der Regierungsbildung oder bei der Umsetzung dringend benötigter Reformen gebe, heißt es in einer Erklärung des Ministers. Menschen im Libanon wüssten nicht mehr, wie sie ihre Familien ernähren sollten. Daher halte er den von der EU beschlossenen Sanktionsrahmen für richtig und notwendig, um "den Druck auf die politischen Entscheidungsträger aufrechtzuerhalten", betont Maas.

Bundesaußenminister Heiko Maas
Bundesaußenminister Heiko MaasBild: Xander Heinl/photothek/picture alliance

Der Außenminister äußert sich anlässlich des ersten Jahrestages der Explosionskatastrophe im Hafen von Beirut, bei der am vierten August 2020 mehr als 200 Menschen getötet wurden. Mehr als 6500 Menschen wurden verletzt. In einem ungesicherten Silo waren 2750 Tonnen Ammoniumnitrat detoniert. Ganze Stadtviertel wurden dem Erdboden gleichgemacht.

Der SPD-Minister weist darauf hin, dass sich trotz der raschen internationalen Hilfe die Lage für viele Betroffene bis heute kaum verbessert habe. Noch immer sei das Ausmaß der Zerstörung verheerend, die Hintergründe der Katastrophe seien weiter ungeklärt.

Die sich rapide verschlechternde Situation im Libanon könne nur von dortigen Verantwortungsträgern gelöst werden, so Maas weiter. "Diese müssen jetzt schnell handeln. Jede weitere Hilfe - über Soforthilfe und Reformunterstützung hinaus - hängt von der Bildung einer funktionierenden, legitimen Regierung und einem glaubwürdigen Reformprogramm ab."

EU zu Sanktionen bereit 

Am Freitag hatte die EU ihre Bereitschaft zu Sanktionen gegen politische Akteure im Libanon formuliert. Der Rahmen sieht nach Angaben aus Brüssel das Einfrieren von Vermögenswerten und Einreiseverbote in die EU für Personen und Organisationen vor, die eine demokratische Regierungsbildung oder Wirtschaftsreformen in dem Land behindern. Bestraft werden sollen auch Korruption und illegale Kapitalausfuhr.

Das Hafengebiet von Beirut und angrenzende Stadtteile einen Tag nach der Explosion
Blick auf das Hafengebiet von Beirut und angrenzende Stadtteile einen Tag nach der Explosion Bild: Ahmad Terro/picture alliance

Deutschland stellte nach Regierungsangaben libanesischen Partnern allein im vergangenen Jahr 466 Millionen Euro vor allem für humanitäre Hilfe, Entwicklungszusammenarbeit, Stabilisierung und Kulturförderung zur Verfügung. Für die an diesem Mittwoch stattfindende internationale Geberkonferenz kündigte Maas weitere Hilfszusagen Deutschlands an. Diese hingen aber von "der Bildung einer funktionierenden, legitimen Regierung und einem glaubwürdigen Reformprogramm" ab. Die Konferenz wird von den UN und Frankreich als früherer Kolonialmacht abgehalten. 

Papst Franziskus bittet um Hilfen für den Libanon

Auch bei der ersten Generalaudienz nach der Sommerpause im Vatikan war der Jahrestag der Explosionskatastrophe Thema. Papst Franziskus rief die internationale Gemeinschaft dazu auf, dem Libanon zu helfen. Konkrete Gesten seien wichtig und nicht Worte, sagte das Oberhaupt der Katholischen Kirche in der vatikanischen Audienzhalle vor wenigen Hundert Gläubigen. Seine Gedanken seien bei den Opfern, Familien, den vielen Verletzten und denen, die ihr Zuhause oder ihre Arbeit verloren hätten. 

Vatikanstadt | Papst Franziskus | Erste Generalaudienz nach Sommerpause
Papst Franziskus sprach nach einer vierwöchigen Sommerpause erstmals wieder zu angereisten Gläubigen im VatikanBild: Riccardo De Luca/dpa/AP/picture alliance

Der 84-Jährige wiederholte zudem seinen Wunsch, den Libanon zu besuchen. Er bete, dass der Libanon wieder zu einer Botschaft der Geschwisterlichkeit und des Friedens im Nahen Osten werde. Für seine Reise in das Land hatte Franziskus in der Vergangenheit politische Veränderungen vorausgesetzt. 

Politischer Stillstand führt zu wachsender Armut

Laut dem UN-Kinderhilfswerk UNICEF benötigen fast alle Haushalte, die durch die Explosion geschädigt wurden, weiterhin Geld- und Nahrungsmittelhilfen. Etwa die Hälfte aller zerstörten Wohnungen ist nach UN-Angaben immer noch nicht wieder in Stand gesetzt. Die Vereinten Nationen (UN) beziffern den akuten Hilfsbedarf des Libanons auf 357 Millionen Dollar (301 Millionen Euro). 60 Prozent der libanesischen Bevölkerung leben mittlerweile unterhalb der Armutsgrenze. Die Inflation liegt bei fast 100 Prozent.

Ministerpräsident Hassan Diab und sein Kabinett waren nach dem Unglück zurückgetreten. Sämtliche Versuche einer Regierungsbildung schlugen seither fehl. Der designierte Ministerpräsident Nadschib Mikati kann zum Jahrestag noch immer keine Ministerriege präsentieren. Laut Medienberichten streiten die untereinander verfeindeten Parteien nach wie vor über die Verteilung der Posten. Mikati war bereits zweimal Regierungschef und gilt vielen als Symbol der Korruption, die in dem Land seit Jahrzehnten herrscht.

se/ww (ausw. amt, kna, afp, dpa)