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Politik

Lösungen hacken in der Coronakrise

30. April 2020

Mehr als 20.000 Tüftler kamen Ende April beim Hackathon "EUvsVirus" zusammen, virtuell. Ziel: Die Suche nach Lösungen für die vielen Probleme in der Corona-Krise. Es war nicht der erste seiner Art.

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Coronavirus | Digital | Internet | Chat |  Spanien
Bild: Reuters/A. Gea

Es war ein virtuelles Großevent: Am vergangenen Wochenende kamen fast 21.000 Menschen aus 141 Nationen virtuell zusammen. Gemeinsam suchten sie im digitalen Raum nach Lösungen für die mannigfachen Probleme, die sich in der Covid-19-Krise auftun. Organisiert wurde der "EuvsVirus" Hackathon vom Europäischen Innovationsrat. Nach zwei Tagen tüfteln und beraten wurden über 2150 Ideen eingereicht. Am Donnerstag wurden 117 Vorschläge für die weitere Umsetzung ausgewählt. Die Projekte reichen von einem virtuellen Klassenzimmer, einer Plattform für Lieferketten medizinischer Produkte bis zu einem Patienten-Monitoring-System, das den physischen Kontakt zwischen Pflegern und Patienten minimieren soll.

Mit über 2300 Registrierungen war Italien besonders stark vertreten – womöglich kein Zufall: Die Corona-Krise hatte das südeuropäische Land über viele Wochen besonders stark im Griff hat. Auf den Plätzen zwei und drei folgten Spanien und Deutschland mit den meisten Hackathon-Teilnehmern. Aber nicht nur Europäer versammelten sich virtuell: Auch Menschen aus Indien hatten sich für den Hackathon registriert.

Infografik Hackathon Registrierung DE

"Viel Adrenalin"

"Ein Hackathon ist ein Großereignis, wie ein Sportereignis mit viel Sportsgeist. Da ist viel Adrenalin, viel Motivation, die Nacht durchzuarbeiten", erläutert Dirk Heckmann gegenüber der DW. Für den Professor für Recht und Sicherheit der Digitalisierung an der Technischen Universität (TU) München passen Hackathons sehr gut in die jetzige Zeit. Eben weil sich alle virtuell treffen und von Zuhause aus nach Lösungen suchen könnten.

Momentan redete zwar ganz Deutschland über eine Corona-App, mit der Infektionsketten nachvollziehbar werden sollen, gibt Heckmann zu bedenken. Die Krise befördere aber unglaublich viele Herausforderungen des Alltags, über die ebenfalls nachgedacht werden müsse. Genau das könne ein Hackathon leisten.

Welle von Hackathons

Tatsächlich scheint die Coronakrise ein Motor für Hackathons zu sein. Einer der ersten fand im technikaffinen Estland statt. Kurz darauf zog Deutschland Ende März nach. Die Bundesregierung stellte gemeinsam mit sieben sozialen Initiativen innerhalb weniger Tage den bundesweiten Hackathon "WirvsVirus" auf die Beine. Fast 30.000 Menschen nahmen daran teil. Unter den prämierten Lösungen sind unter anderen: Eine Plattform, die Neuinfizierte mit allen nötigen Informationen versorgen soll; eine Sprachsoftware, die Menschen in Afrika über das Virus informiert; eine App, die sich spezifisch an Deutsche im Ausland richtet.

Prototyp der App IDA
Auch bei einem Hackathon entstanden: Der Prototyp der App IDA für Deutsche im Ausland Bild: IDA

Gut fünf Wochen nach dem bundesweiten Hackathon sind einige Teams noch dabei ihre Netzwerke aufzubauen. Andere wie das Team von "Videobesuch", einer App, über die Altenheimbewohner trotz Besuchsverbots ihre Familien sehen können, testen ihre Anwendungen bereits unter realen Bedingungen. "Bei manchen Lösungen werden Konzepte eingereicht, die vielleicht genial sein mögen. Aber vom Konzept zur Umsetzung dauert es natürlich schon. Und selbst wenn man einen Prototypen entwickelt hat, beispielsweise eine App, muss man natürlich bedenken, dass die bestimmte Qualitätsanforderungen erfüllen muss", sagt Heckmann, der selbst als Mentor zwei Projekte des "WirvsVirus" Hackathons betreut.

Dirk Heckmann TU München
Dirk Heckmann betreut als Mentor zwei Projekte des "WirvsVirus" HackathonsBild: bidt/Diane von Schoen

Keine überzogenen Erwartungen

Eigentlich sollen die Gewinnerprojekte des Hackathons auch finanzielle Unterstützung vom Bund erhalten. Allerdings sei bisher noch kein Geld geflossen, wie der Tagesspiegel Background berichtet. Für Heckmann ist es wichtig, dass die "ausgewählten Lösungen nach wie vor unterstützt werden: organisatorisch und auch finanziell. Das alles sollte möglichst unbürokratisch erfolgen."

Andere Wissenschaftler warnen vor zu hohen Erwartungen an einen Hackathon, wie die Nachrichten-Website netzpolitik.org berichtet. Ein Hackathon könne keinen vollständigen Entwicklungsprozess ersetzen. Nichtsdestotrotz könnten Hackathons aber sinnvoll sein, um schnell Lösungen zu finden und Prototypen zu bauen.

Digitalisierungsprofessor Heckmann sieht in den Hackathons vor allem eine Chance, die weit über die Krise hinausgeht. "Einige Lösungen, wie beispielsweise im Bereich Nachbarschaftshilfe, werden wir auch noch nach der Krise gut gebrauchen können. Das heißt, ich sehe da sogar eine gewisse Nachhaltigkeit." Dennoch könne natürlich kein Hackathon die Politik entlasten, die Digitalisierung voranzutreiben. "Da darf man sich nicht zurücklehnen", mahnt Heckmann. "Nehmen wir es als Chance: Sehen wir jetzt den Digitalisierungsschub, den Modernisierungsschub. Sehen wir die Zeit gekommen zu sagen: jetzt wird wirklich mal etwas getan."