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Luis Trenkers Verstrickungen in den Nationalsozialismus

Jochen Kürten22. November 2015

An den Skandal um die gefälschten Hitler-Tagebücher erinnert sich heute jeder. In Vergessenheit geraten ist dagegen der Wirbel um die angeblichen Tagebücher der Hitler-Geliebten Eva Braun. Dahinter steckte Luis Trenker.

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Luis Trenker - Der schmale Grat der Wahrheit Filmstill mit Tobias Moretti (Foto: BR/Roxy Film/Christian Hartmann)
Tobias Moretti als Luis Trenker in der Verfilmung "Luis Trenker - Der schmale Grat der Wahrheit"Bild: BR/Roxy Film/Christian Hartmann.

Als Sensation wurden auch sie damals gepriesen, die Aufzeichnungen Eva Brauns, die drei Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs in der Öffentlichkeit auftauchten. Sie erschienen in Frankreich, Italien, England und Holland. Niemand geringeres als Luis Trenker bot sie 1948 zum Abdruck und auch als Grundlage für einen Kinoadaption an. Diese heute unglaubliche Geschichte ist nun Grundlage für den Spielfilm "Luis Trenker - Der schmale Grat der Wahrheit".

Der 1990 im biblischen Alter von 97 Jahren verstorbene Alpinist, Regisseur, Schauspieler und Autor Luis Trenker war 1948 eine bekannte Größe im deutschsprachigen Raum. Mit Filmen wie "Der heilige Berg" und "Der große Sprung" unter der Regie des damals berühmten Regisseurs Arnold Fanck hatte sich Trenker erste Meriten in der Welt des Stummfilms erworben.

Formal kühne filmische Experimente

Wenig später setzte er sich selbst auf den Regiestuhl und drehte Filme wie "Berge in Flammen". Auch hier wieder dienten dramatische Ereignisse um Alpinisten bei gefährlichen Erstbesteigungen als Handlungsgerüst. Auch heute noch sind diese Filme aufgrund ihrer ästhetischen Qualität, ihre formalen Kühnheit und dramaturgischen Spannung eindrucksvoll - und müssen nicht zurückstehen im Vergleich zu neuesten Genrefilmen wie "Mount Everest".

Luis Trenker Der Rebell mit Luise Ulrich (Foto: picture alliance/United Archives/IFTN)
Trenkers Film "Der Rebell" gefiel Hitler, Goebbels und Co.Bild: picture alliance/United Archives/IFTN

In den 1930er Jahren erweiterte Luis Trenker sein Themenspektrum und lieferte vor allem mit dem im Jahr vor der Machtergreifung der Nazis entstandenen Film "Der Rebell" ein Werk ab, welches für sein späteres Schaffen Folgen haben sollte. "Der Rebell", der den Widerstand der Tiroler Bevölkerung zu Zeiten Napoleons schildert, fand in Adolf Hitler und seinem Propagandaminister Heinrich Goebbels glühende Anhänger. Die nationale Botschaft, die antifranzösische Tendenz und die visuell düster-dramatisch aufbereitete Machart des Films beeindruckten die Nazi-Führer.

Trenkers Ausflüge in die USA

Doch kurz danach zeigte sich Trenker wieder von einer anderen Seite. Mit "Der verlorene Sohn" und "Der Kaiser von Kalifornien" ließ der Südtiroler zwei bemerkenswerte Filme folgen, die zum Teil an Originalschauplätzen in den USA gedreht wurden. Schon zuvor hatte Trenker in Hollywood englischsprachige Versionen seiner ersten Tonfilme produzieren lassen. In "Der verlorene Sohn" zeichnet der Regisseur eindrucksvoll das Schicksal eines europäischen Emigranten in New York nach. Roberto Rossellini, Begründer des Neorealismus in Europa, berief sich später auf Trenkers "Der verlorene Sohn".

Luis Trenker - Der schmale Grat der Wahrheit Filmstill mit Tobias Moretti und Brigitte Hobmeier (Foto: BR/Roxy Film/Christian Hartmann)
"Luis Trenker - Der schmale Grat der Wahrheit" schafft die Gratwanderung zwischen Historienfilm und GroteskeBild: BR/Roxy Film/Christian Hartmann.

Während des Nationalsozialismus pendelte Trenker mit seinen Arbeiten zwischen Opportunismus und Sturheit. Dabei geriet er immer wieder in Disput mit den Nationalsozialisten. Bei aller völkischen Tendenz, die einige von Trenkers Filmen zweifellos transportieren, widersetzte sich der Südtiroler mit seinem Beharren auf Eigenständigkeit. Hitler und Goebbels, die Trenkers frühe Filme begeistert aufgenommen hatten, distanzierten sich später vom Werk des Südtirolers. ("Dieses Schweinestück hat in Südtirol nicht für uns optiert", notierte Goebbels in sein Tagebuch).

Dem Nationalsozialismus gedient - und doch auch verstoßen

Nach heutigem Stand der Forschung wäre es grundfalsch, Luis Trenker als Künstler des Widerstandes zu bewerten. Trenker hat sich zeitweise von den Nationalsozialisten vereinnahmen lassen. Er hat Ruhm und Ehre, die ihm von offiziellen Stellen zuteil wurde, ausgenutzt und hat immer wieder versucht sich bei Nazi-Größen anzubiedern. Auf der anderen Seite war Trenker ein sturer Charakter, verhielt sich weniger opportunistisch als beispielsweise eine Leni Riefenstahl - von Regisseuren wie Hans Steinhoff und Veit Harlan ("Jud Süß") ganz zu schweigen. In Deutschland durfte Trenker in den letzten Kriegsjahren nicht mehr arbeiten.

Luis Trenker Der Berg ruft - Filmstill (Foto: picture-alliance/akg-images)
Trenker bei den Dreharbeiten zu "Der Berg ruft" (1937)Bild: picture-alliance/akg-images

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges versuchte er weiter Regie zu führen. Doch man warf ihm zunächst eine zu große Nähe zum Nationalsozialismus und zum italienischen Faschismus vor. Seit 1940 war Trenker in der NSDAP. Aufsehen erregte Trenker dann 1948 mit den von ihm lancierten Tagebüchern der Eva Braun. Die Hitler-Geliebte habe sie ihm vor Kriegsende überlassen, erklärte der Regisseur - und verhandelte über die Verfilmung der Manuskripte. Erster Ansprechpartner damals war der 1920 in die USA ausgewanderte einflussreiche jüdische US-Produzente und Filmagent Paul Kohner.

Karriere in der Bundesrepublik mit Auszeichnungen

Eva Brauns Familie und Leni Riefenstahl zweifelten die Echtheit der im Übrigen höchst banalen Tagebücher vor Gericht an. Trenker unterlag. In Deutschland erschienen die Tagebücher nur in Zeitungen. Trenkers Ruf litt. Schon vorher war er mehrmals in Urheberrechtsstreitigkeiten verwickelt gewesen. Bis heute ist unklar, ob Trenker die Tagebücher selbst verfasst hat oder sie nur in Umlauf brachte.

Luis Trenker - Der schmale Grat der Wahrheit Filmstill mit Tobias Moretti (Foto: BR/Roxy Film/Christian Hartmann)
Alpinist, Kletterkünstler, Regisseur, Schauspieler und Autor: Tobias Moretti als Luis TrenkerBild: BR/Roxy Film/Christian Hartmann.

Nachhaltig sollte der Schaden nicht sein für den Südtiroler. In der Bundesrepublik konnte Trenker später weiterarbeiten, drehte Kino- und Fernsehfilme, inszenierte weiterhin Dokumentarfilme über die Bergwelt, hatte eine eigene Sendung im deutschen Fernsehen. Später erhielt Trenker das Bundesverdienstkreuz und ein Filmband in Gold.

Auslands-Premiere in Jerusalem

Die bemerkenswerte Posse um die Tagebücher der Eva-Braun, Trenkers wechselhaftes Verhältnis zu Leni Riefenstahl und seine Karriere zwischen Aufstieg und Niedergang sind jetzt verfilmt worden. "Luis Trenker - Der schmale Grat der Wahrheit" heißt das Werk des Österreichers Wolfgang Murnberger, das im Sommer beim Filmfest in München Premiere feierte. Im Ausland wurde der Film unter anderem beim Festival in Jerusalem auf großer Kinoleinwand gezeigt. Beim 21. Jüdischen Filmfest Berlin-Potsdam lief der Film ebenfalls.

Luis Trenker - Der schmale Grat der Wahrheit Filmstill mit Tobias Moretti und (Brigitte Hobmeier (Foto: BR/Roxy Film/Christian Hartmann)
Trenker (Moretti) und die Riefenstahl (Hobmeier) lernen sich beim Filmdreh kennen und zunächst auch liebenBild: BR/Roxy Film/Christian Hartmann.

Auch wenn die Ereignisse um die gefälschten Eva-Braun-Tagebücher heute staunen lassen und die Nähe Trenkers zu den Nazi-Größen dokumentiert ist, spiegelt das widersprüchliche Leben des Bergfilmers Trenker doch ein Stück deutsche Zeitgeschichte wider. Und man kann sicher einmal mehr etwas lernen aus dem facettenreichen Leben des Luis Trenker: Viele Kulturschaffende gerieten damals in das Räderwerk zwischen Opportunismus und Auflehnung. Manche wurde verfolgt und getötet. Manchen gelang die Flucht. Und andere, wie Luis Trenker, verfingen sich in einem Netz aus Ehrgeiz, Karrieresucht und innerer Emigration.

Der Film "Luis Trenker - Der schmale Grat der Wahrheit" ist als DVD beim Anbieter Eurovideo erhältlich.