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Luftholen in der FDP

Cornelia Rabitz7. Juni 2002

Atempause im Machtkampf zwischen dem FDP-Vorsitzenden Guido Westerwelle und seinem Stellvertreter Jürgen Möllemann: Möllemann hat sich bei den deutschen Juden entschuldigt. Cornelia Rabitz kommentiert.

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Machtkampf oder Duell? Showdown oder Highnoon? Die Situation in der FDP wird derzeit mit starken Worten umschrieben. Parteichef Guido Westerwelle hatte in höchster Not seinem Widersacher und Parteifreund im Geiste eine letzte Frist gesetzt und Möllemann hat auf diesen Druck reagiert: Der umstrittene und von ihm protegierte Fraktionsmitarbeiter Jamal Karsli wirft das Handtuch, Möllemann selbst entschuldigt sich nun bei den jüdischen Mitbürgern in Deutschland für seine Entgleisungen. Wie ernst man diese Entschuldigung nehmen kann und ob sie tatsächlich eigener Einsicht geschuldet ist, sei dahingestellt. Jedenfalls ist damit die ganz große Eskalation vorerst abgewendet. Westerwelle, der gedroht hatte Möllemann das Vertrauen zu entziehen, wird dies als Punktsieg für sich verbuchen.

Tatsache ist aber auch, daß diese Konsequenzen aus einer unsäglichen und von Möllemann angezettelten Debatte zu spät kommen. Viel zu lange hatte Westerwelle die Dinge treiben lassen, anstatt den nordrhein-westfälischen Landesvorsitzenden in die Schranken zu weisen und gleichzeitig klar zu machen, daß die Liberalen in Deutschland nicht als neues Sammelbecken für Rechtspopulisten zur Verfügung stehen. Im Gegenteil: diese Option hat Westerwelle in einem soeben erschienenen Interview noch einmal bekräftigt. Offen bleibt daher trotz Möllemanns Einlenken der künftige Kurs der Liberalen.

Westerwelles Ultimatum war der Verzweiflungsakt eines Getriebenen, nicht aber die Tat eines souveränen Parteiführers. Auch durch die Zögerlichkeit eines sichtlich überforderten Vorsitzenden wurde die Partei in ein Desaster gestürzt, von dem sie sich erst erholen muß. Dabei hatten sich die Freien Demokraten schon auf der Siegerstraße gewähnt und mit Westerwelle sogar einen eigenen Kanzlerkandidaten gekürt. Ein tiefer Fall. Nun ist neben der Autorität des Vorsitzenden das Ansehen der Partei beschädigt. Da ist einiges aufzuarbeiten.

Festzuhalten bleibt auch, daß der FDP-Chef in einer Debatte, in der Sensiblität und Nachdenklichkeit gefragt gewesen wären, eine fatale Neigung zum Auftrumpfen, zur Vollmundigkeit und zu selbstverliebter Geschwätzigkeit gezeigt hat. Das Verhältnis zu Israel und zur Geschichte der Naziverbrechen, der sensible Umgang mit der jüdischen Minderheit in Deutschland, das alles sind eben keine Posen von Moralaposteln oder alt gewordenen "Achtundsechzigern", die Westerwelle so gern schmäht. Sensibilität für das Thema gehört zur Substanz, zur Identität dieser Republik. Der junge Vorsitzende aber tut dies kaltschnäuzig ab als verstaubtes Relikt, mit dem er und seine Generation angeblich nichts mehr zu tun haben.

Im Ergebnis dürfen wir dennoch erleichtert sein. Eine zuweilen quälende Diskussion kann für's erste beendet werden, die Rückkehr zu den Sachthemen und politischen Problemen wird möglich, und vielleicht bleibt auch ein wenig Zeit zur Besinnung.