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Der Kranich kann weiterfliegen

25. Juni 2020

Die Lufthansa bleibt im Geschäft - mit Staatshilfe. Die Aktionäre stimmten einer Kapitalbeteiligung der Bundesrepublik zu und haben damit die Voraussetzung für das neun Milliarden Euro schwere Hilfspaket geschaffen.

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Flughafen München | Lufthansa Airbus A321-131 mit dem Luftfahrzeugkennzeichen D-AIRD
Bild: picture-alliance/chromorange/D. D. Mann

Der Beschluss habe eine Mehrheit von 98 Prozent des anwesenden Kapitals gefunden, erklärte Aufsichtsratschef Karl-Ludwig Kley auf der außerordentlichen Hauptversammlung. Die Aktionäre stimmten für eine Kapitalerhöhung, mit der der Bund mit 20 Prozent bei der Fluggesellschaft einsteigt. Nach einer wochenlangen Zitterpartie ist die staatliche Rettung der Fluglinie vor einer durch die Corona-Krise verursachten Pleite beschlossene Sache. Die Aktie des Unternehmens baute nach der Abstimmung ihre Kursgewinne im Späthandel aus und stieg um 9,1 Prozent auf 10,47 Euro.

Schon vor der ausschließlich im Internet übertragenen Veranstaltung hatte Großaktionär Heinz Hermann Thiele erklärt, dem Rettungspaket zustimmen zu wollen. Wegen der schwachen Beteiligung der übrigen Stimmrechtsinhaber mit einer Präsenz von 39,3 Prozent hätte er mit seinem Aktienanteil von mindestens 15,5 Prozent Gelegenheit zu einer Blockade gehabt. Im Vorfeld hatte sich der Selfmade-Milliardär kritisch über den seiner Meinung nach zu starken Staatseinfluss geäußert.

"Es ist ohne Zweifel ein historischer Moment für unser Unternehmen", beschrieb Lufthansa-Chef Carsten Spohr die Tragweite der Entscheidung. Die Rettungsaktion sei so bedeutend wie die Gründung der Lufthansa 1953 und ihre Privatisierung 1997. Die Airline sei unverschuldet durch die Corona-Pandemie in Existenznot geraten. Spohr dankte der Bundesregierung und erklärte: "Wir Lufthanseaten sind uns unserer Verantwortung bewusst, die bis zu neun Milliarden so schnell wie möglich an die Steuerzahler zurückzuzahlen.» 

Deutschland Frankfurt a.M. | Lufthansa-Hauptversammlung | Karl-Ludwig Kley
Der Beschluss habe eine Mehrheit von 98 Prozent des anwesenden Kapitals gefunden, erklärte Aufsichtsratschef KleyBild: picture-alliance/dpa/Oliver Roesler/Lufthansa

Gewappnet gegen feindliche Übernahme

Das Rettungspaket sieht vor, dass der staatliche Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) im Zuge einer Kapitalerhöhung für rund 300 Millionen Euro Aktien zeichnet, um eine Beteiligung von 20 Prozent am Grundkapital der Airline aufzubauen. Er zahlt dafür nur den Nennwert von 2,56 Euro, rund ein Viertel des aktuellen Aktienkurses. Für den Fall einer feindlichen Übernahme könnte der Staat weitere Anteile aktivieren, um eine Sperrminorität zu erreichen. Zudem sind stille Einlagen von 5,7 Milliarden sowie ein KfW-Kredit von drei Milliarden Euro geplant.

Ein bisschen Druck musste sein

Im Ringen um das Rettungspaket hatte die Lufthansa-Spitze den Druck auf die Aktionäre erhöht. "Wir haben kein Geld mehr", hatte Aufsichtsratschef Karl-Ludwig Kley geklagt. Ohne das Unterstützungspaket von neun Milliarden Euro drohe der Airline die Insolvenz - und zwar "in den nächsten Tagen". Wann genau es zur Zahlungsunfähigkeit gekommen wäre, wollte der Vorstand auch auf Nachfrage nicht sagen.

Eine Insolvenz oder ein abgeschwächtes Schutzschirmverfahren sei "kein Drohszenario, sondern eine reale Gefahr", hatte Personal- und Rechtsvorstand Michael Niggemann sekundiert. Dies wäre nach seinen Worten im Fall einer Ablehnung des Staatseinstiegs durch die Hauptversammlung nur noch abzuwenden, wenn sich eine andere Finanzierungslösung gefunden hätte, die sich aber nicht abzeichne.

Deutschland Frankfurt a.M. | Lufthansa-Hauptversammlung
Die außerordentliche Hauptversammlung der Lufthansa fand wegen der Ansteckungsgefahr als Video-Konferenz stattBild: picture-alliance/dpa/Oliver Roesler/Lufthansa

Zustimmung aus Brüssel

Am Morgen hatte die EU-Kommission dem Rettungsplan final zugestimmt. Als Bedingung setzten die Wettbewerbshüter durch, dass Lufthansa in München und Frankfurt jeweils 24 Start- und Landerechte an Wettbewerber abgeben muss. Die zuständige Kommissions-Vizepräsidentin Margrethe Vestager erklärte dazu: "Dadurch erhalten konkurrierende Luftverkehrsunternehmen die Möglichkeit, in diese Märkte einzutreten, wodurch faire Preise und eine größere Auswahl für die europäischen Verbraucher gewährleistet werden."

Widerworte aus Dublin

Europas größter Billigflieger Ryanair zieht dagegen wegen der Staatshilfen für die deutsche Fluglinie vor das Gericht der Europäischen Union. "Dies ist ein spektakulärer Fall, in dem ein reicher EU-Mitgliedstaat die EU-Verträge zum Nutzen seiner nationalen Industrie und zum Nachteil ärmerer Länder ignoriert", sagte Ryanair-Chef Michael O'Leary in Dublin.

Unter dem Vorwand der Corona-Krise gewähre die Bundesregierung der Lufthansa Hilfe in Milliardenhöhe. Dies sei ein "klarer Bruch" der Wettbewerbsregeln, sagte O'Leary weiter. Kleinere Konkurrenten würden damit vom Markt gedrängt. Die Genehmigung des Rettungspakets der Lufthansa durch die Kommission sei ein "Verrat" an den Grundprinzipien des EU-Rechts.

Der Untergang von Wirecard

"Ein gutes Geschäft"

Vor der Abstimmung hatte der Lufthansa-Vorstand noch einmal das mit der Bundesregierung verhandelte Paket aus Beteiligung, stillen Einlagen und Kredit als alternativlos verteidigt. Mehr sei nicht durchsetzbar gewesen. Das Konzept bedeute für Lufthansa in den kommenden Jahren erhebliche finanzielle und strukturelle Belastungen, sagte Aufsichtsratschef Kley.

"Für den Staat ist es ein durchaus lukratives Geschäft." Doch gebe die Vereinbarung dem Unternehmen Raum und Zeit, um die Krise zu überwinden. Davon profitierten letztlich auch die Aktionäre. Lufthansa-Chef Carsten Spohr zeigte sich zuversichtlich, die Einlagen und Kredite fristgerecht zurückzahlen oder refinanzieren zu können.    

Schnell wieder in die Gewinnzone

Die Corona-Pandemie mit den Reisebeschränkungen hat die Geschäfte der Lufthansa mit Ausnahme der Fracht nahezu zum Erliegen gebracht. Die Barreserven der größten deutschen Airline verringerten sich zuletzt monatlich um 800 Millionen Euro. Im ersten Quartal brockte die Corona- Krise dem Unternehmen bereits einen Verlust von 2,1 Milliarden Euro ein.

Deutschland Frankfurt a.M. | Lufthansa-Hauptversammlung | Carsten Spohr
"Es ist ohne Zweifel ein historischer Moment für unser Unternehmen", so Lufthansa-Chef Carsten Spohr zur EntscheidungBild: picture-alliance/dpa/Oliver Roesler/Lufthansa

Um nach der Krise zu alter Stärke als führende europäische Fluggesellschaft zurückzufinden, müsse die Lufthansa agiler und effizienter werden, so Lufthansa-Chef Spohr. Eine harte Restrukturierung sei für den Konzern mit seinen 138.000 Beschäftigten notwendig. "Auch schmerzhafte Personalmaßnahmen werden wir umsetzen müssen", ergänzte er. Zudem erwartet er, dass sich die Nachfrage im Luftverkehr nur langsam erholt und über Jahre unter dem Vor-Corona-Niveau bleibt. 

Kurzfristig "erheblicher Abfluss"

Derzeit warten Kunden der Lufthansa immer noch auf rund eine Milliarde Euro als Erstattung für abgesagte Flüge in der Corona-Krise. Diese Summe nannte Personal- und Rechtsvorstand Michael Niggemann. Man habe die Teams zur Bearbeitung der Anfragen verstärkt und bereits rund eine Milliarde Euro ausgezahlt.

Lufthansa-Chef Spohr erklärte, dass der Stau in sechs Wochen abgearbeitet sein soll. Dafür werden im kommenden Quartal erhebliche Barmittel abfließen. Nach EU-Recht sind Fluggesellschaften bei von ihnen stornierten Flügen zu einer Rückzahlung des Ticketpreises innerhalb von sieben Tagen verpflichtet.

dk/as (rtr, dap, afp)