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Lob und Tadel für die Koalitionäre

Thomas Klatt29. November 2013

Am Berliner Koalitionsvertrag gibt es von den christlichen Kirchen Lob und Kritik. Sie freuen sich besonders über die Stärkung der Familien.

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Union und SPD einigen sich auf einen Koalitionsvertrag für die 18. Legislaturperiode. REUTERS/Fabrizio Bensch (GERMANY - Tags: POLITICS)
Bild: Reuters

Es ist das erste Mal in seinem Leben, dass der evangelische Theologe Martin Dutzmann einen kompletten Koalitionsvertrag durchlesen und bewerten muss. Denn der bisherige Militärbischof ist erst seit gut zwei Monaten auch als Bevollmächtigter der Evangelischen Kirche in Deutschland bei der Bundesrepublik Deutschland tätig. Nach der Lektüre der 185 dichtbeschriebenen DIN-A-4-Seiten gibt sich Dutzmann zufrieden. Anders als in früheren Koalitionsverträgen werde das Verhältnis zu den Religionsgemeinschaften dieses mal breit erwähnt und das gute Miteinander betont. „Die Kirchen sind gestärkt worden in diesem Koalitionsvertrag", sagt der EKD-Bevollmächtigte, " Das geltende Staatskirchenrecht ist bestätigt worden. Am Kirchensteuereinzug wollen die Koalitionäre festhalten."

Miltärbischof Martin Dutzmann (Das Foto wurde vom Kirchenamt der EKD zur Verfügung gestellt)
Miltärbischof Martin DutzmannBild: EKD

Energie- und Klimapolitik

Dutzmann begrüßt auch das Bekenntnis zu erneuerbaren Energien und der Ausstieg aus der Kernenergie. Doch es gibt auch Kritikpunkte. So ist für die Evangelische Kirche der Klimaschutz nicht ausreichend berücksichtigt. Immerhin geht es um die Bewahrung der Schöpfung Gottes.

Asyl- und Migrationspolitik

Beide christliche Kirchen halten es für richtig, dass Union und SPD die doppelte Staatsbürgerschaft einführen wollen. Kinder ausländischer Eltern, die in Deutschland geboren und aufgewachsen sind, könnten somit beide kulturelle Identitäten leben – die deutsche und die ihres Herkunftslandes. Besonders am Herzen liegt Protestanten wie Katholiken aber das Schicksal von Flüchtlingen. Seit längerem mahnen Kirchenleute Änderungen im Asylrecht an. So bewerten sie es als Fortschritt, dass Asylverfahren in Deutschland künftig maximal drei Monate dauern sollen. Besonders Schutzdürftige sollen künftig direkt nach Deutschland kommen dürfen. Auch soll es eine stichtagsunabhängige Bleiberechtsregelung für Menschen geben, die von den Ausländerbehörden bisher nur geduldet werden – alles wichtige Fortschritte aus kirchlicher Sicht. Erleichterungen beim Zugang zum Arbeitsmarkt und Lockerungen der sogenannten Residenzpflicht, die es Asylsuchenden verbietet, ihre Stadt oder ihren Landkreis zu verlassen, begrüßt Dutzmann gegenüber der Deutschen Welle ausdrücklich. Einziger Kritikpunkt: Die Länder Bosnien-Herzegowina, Mazedonien und Serbien gelten künftig als sichere Herkunftsstaaten. "Das", so Dutzmann mit Blick auf Volksgruppen wie Roma, "geht an der Realität vorbei".

Flüchtlinge und Unterstützer räumen am 19.10.2013 in Berlin ihr Camp am Pariser Platz. Die mehr als 20 Flüchtlinge am Brandenburger Tor in Berlin haben ihren seit zehn Tagen dauernden Hungerstreik vorläufig beendet und bis Januar ausgesetzt. Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++ pixel
Das Thema Flüchtlinge liegt den Kirchen besonders am Herzen.Bild: picture-alliance/dpa

Familie, Rente und Pflege

Auch Prälat Karl Jüsten, Leiter des katholischen Büros in Berlin, zeigt sich mit dem neuen Regierungsprogramm insgesamt zufrieden. Jüsten ist kein Neuling in der Bundespolitik und daher in der Interpretation politischer Absichtserklärungen erfahren. Er begrüßt beispielsweise beim Thema Arbeitsmarktpolitik, dass die Förderung von Langzeitarbeitslosen hohe Priorität genießt. Der geplante flächendeckende Mindestlohn und die sogenannte Mütterrente, von der auch Väter profitieren, sollen, hält Jüsten für Pluspunkte am Koalitionsvertrag. Und in ihrer Wertschätzung der Familien sieht sich die katholische Kirche klar bestätigt. „Wie freuen uns, dass das Elterngeld ausgeweitet wird", lobt Prälat Jüsten, "und dass die Elternzeit verlängert wird. Aber wir kritisieren, dass das Kindergeld, das die Union im Wahlprogramm versprochen hat, nun nicht angehoben wird und die Elternfreibeträge ebenso wenig."

Prälat Karl Jüsten
Prälat Karl JüstenBild: DW-TV

Prostitutionsgesetz

Frauen sollen vor Menschenhandel und Zwangsprostitution besser geschützt werden. Künftig sollen Verurteilungen nicht mehr daran scheitern, dass das Opfer nicht aussagt. Die katholische Kirche begrüßt es daher sehr, dass das einst von der rot-grünen Regierung eingeführte Prostitutionsgesetz nun korrigiert wird. „Die Grünen sind ihrer alten Freiheitsideologie in Fragen der Sexualität aufgesessen. Sie haben aber nicht bedacht, dass hier die Menschenwürde der Frau mit Füßen getreten wird. Man hat gemeint, wenn man den normalen Beruf der Prostituierten schafft, bekämpft man den Bereich des Schmuddeligen. Das Gegenteil ist eingetreten“, so Karl Jüsten.