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Medien

Elena Sohn17. November 2006

Angekündigt wurde er schon seit Beginn des Jahres, jetzt ist er da: Der arabische Nachrichtensender Al Dschasira startete sein englischsprachiges Fernsehprogramm. Zielgruppe: bis zu 80 Millionen Zuschauer weltweit.

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Neben seiner Zentrale in Katars Hauptstadt Doha hat der Sender für die geplante 24-Stunden-Berichterstattung Studios in London, Washington und Kuala Lumpur sowie zahlreiche Korrespondentenbüros weltweit eingerichtet. Damit tritt er - theoretisch - in direkte Konkurrenz mit den beiden Großen, BBC und CNN.

Der Unterschied zwischen "Al Jazeera International" (AJI) und den etablierten Nachrichtenstationen, so Geschäftsführer Wadah Khanfar kürzlich in einem Interview mit dem Time-Magazine, sei eine ausgewogenere Berichterstattung seines Senders. Die anderen schickten zwar ihre Journalisten in die Krisengebiete im Nahen Osten. Dabei heraus käme jedoch zwangsläufig immer eine "westliche" Sicht der Dinge. Hier will AJI mit seinen ortsansässigen Redakteuren dagegen halten - und deren Bilder und Einschätzungen in die ganze Welt schicken.

Dieser Anspruch des Senders beinhaltet natürlich mindestens zwei Voraussetzungen: Erstens umfasst ein ausgewogenes Programm nicht nur qualifizierte Berichte aus Nahost, sondern auch aus dem Rest der Welt. Zweitens muss AJI die gewünschten internationalen Zuschauer erreichen. In diesen Punkten könnten die USA für Al Jazeera International jedoch ein schwieriges Pflaster werden.

Staatsoberhaupt als Finanzier

Die amerikanische Regierung steht dem Muttersender Al Dschasira sehr kritisch gegenüber, da sie ihm eine eindeutige Nähe zum Terrornetzwerk Al Kaida nachsagt. Zwar versucht AJI sich öffentlich immer wieder von Al Dschasira abzugrenzen. Das tauscht jedoch nicht über eine Tatsache hinweg: Finanziert werden beide Sender aus derselben Quelle, durch das Staatsoberhaupt Katars, Scheich Hamael bin Khalifa al-Thani. Entsprechend skeptisch und verhalten reagierten Regierungskreise auf den Launch des neuen Senders: In den USA herrsche nun einmal Pressefreiheit, so der Kommentar.

Pressefreiheit, so weit, so gut. Einen offenen Informationszugang bedeutet das aber noch lange nicht. Wer in Washington nicht zum engen Kreis jener Medien gehört, der von der nationalen Politik zu relevanten Presseterminen eingeladen wird, für den ist es nicht leicht, an gute Informationen und Gesprächspartner zu kommen. Selbst Korrespondenten etablierter internationaler Stationen haben damit Probleme. Al Jazeera International mit seinem bleibenden Image als verlängerter Arm von Al Kaida wird sich vermutlich ganz am Ende der langen Warteschlange wieder finden.

Al Dschasira - die Halbinsel

Ebenso schlecht sieht es im zweiten Punkt für den neuen Sender aus: Mit keinem der großen Kabel- und Satellitenanbieter konnte AJI sich über die Ausstrahlung seines Programms einigen. In den USA ist Al Jazeera International daher vorerst nur über das Internet zu empfangen - und auch hier nur gegen eine monatliche Abonnementgebühr.

Gegenwärtig scheint es also, dass Al Jazeera International seinem Namen zumindest in den USA alle Ehre machen wird: "Al Dschasira" ist der arabische Begriff für "Halbinsel". Auf einer solchen werden sich die Redakteure des Washingtoner Büros möglicherweise wieder finden und es dürfte nicht leicht werden, festen Boden unter die Füße zu bekommen.

Jüdisch-stämmiger Anchorman

Einen Brückenschlag versucht der Sender offensichtlich mit dem angeheuerten US-Anchorman, Dave Marash. Marash ist den amerikanischen Zuschauern als langjähriger Reporter des Nachrichtensenders "ABC News" bekannt. Kurz nachdem sich ABC vor einem knappen Jahr von ihm trennte, bekam der damals arbeitslose Marash die lukrative Anfrage von AJI.

Verständnislosen Stimmen aus seiner Umgebung begegnet der 64-Jährige nach eigener Aussage stets mit dem Hinweis, dass AJI nicht gleich Al Dschasira sei, sondern ein neutral Berichterstattender Nachrichtensender. Es dürfte sehr spannend werden, ob der jüdisch-stämmige Marash bei seiner Meinung bleibt - wenn er das erste Mal einschlägige Schlagzeilen aus Israel wird verlesen müssen.