1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Lindner: Mehr Druck auf China nötig

Nina Haase
8. Juli 2020

Deutschland müsse sich stärker für die Freiheit in Hongkong einsetzen, sagt FDP-Chef Christian Lindner im DW-Gespräch. Er fordert eine Absage des EU-China-Gipfels. Das Risiko wirtschaftlicher Verluste hält er für gering.

https://p.dw.com/p/3euny
Deutschland PK Christian Lindner Ministerpräsidentenwahl Thüringen
Bild: picture-alliance/dpa/M. Schutt

Deutsche Welle: Herr Lindner, Sie fordern eine Absage des verschobenen EU-China Gipfels. Die Bundesregierung argumentiert, dass man genau jetzt tatsächlich an diesem Gipfel festhalten müsse, um auf China überhaupt Druck ausüben zu können. Was genau daran ist falsch aus ihrer Sicht?

Christian Lindner: Natürlich muss es Dialog auch mit schwierigen Gesprächspartnern wie der Volksrepublik China geben. Wir haben auch ein Interesse daran, auch weiter auf der internationalen Bühne mit China über wichtige Fragen sprechen zu können. Aber vor dem aktuellen Hintergrund, dass in Hongkong demokratische Mitwirkungsrechte beschnitten werden, dass man sich nicht mehr auf die Vertragssicherheit der Volksrepublik China verlassen kann, vermittelt ein solcher Gipfel mit Zeremoniell und großem Protokoll einen ganz falschen Eindruck. Auf der Arbeitsebene kann man sprechen, aber für diplomatische Ehren, wenn gleichzeitig demokratische Rechte beschnitten werden, ist jetzt wirklich nicht der richtige Zeitpunkt.

Lindner gegen EU-China-Gipfel

In Hongkong wird auch das laute Schweigen der Bundesregierung zu dem neuen "Sicherheitsgesetz" für Hongkong durchaus kritisch beobachtet. Müssen eventuell auch Sanktionen folgen?

Zunächst sollten wir eine klare Position beschreiben. Wir sollten sollten klar sagen, dass für uns Menschenrechte und demokratische Selbstbestimmung nicht Luxusfragen, sondern ganz existenzielle Anliegen für den Westen, für Europa und für Deutschland sind. Im übrigen ist das auch durchaus in unserem wirtschaftlichen Interesse. Man hat ja den Eindruck, manche halten wirtschaftliche Interessen für wichtiger als Bürgerrechte. Tatsächlich hängt beides unmittelbar zusammen. Hongkong war ein Standort mit einer lebendigen Bürgergesellschaft und zugleich großer wirtschaftlicher Freiheit und Rechtssicherheit. Beides wird in Frage gestellt. Deshalb darf man jetzt Wirtschaft und Demokratie gar nicht gegeneinander stellen. Wir müssen uns jetzt für die Idee der Freiheit in Hongkong, für die Verlässlichkeit der Zusagen insgesamt einsetzen.

Zur Not auch vor dem Hintergrund eventueller wirtschaftlicher Einbußen?

Zur Not auch vor dem Hintergrund geringerer Umsätze für die deutsche Exportwirtschaft. Wir können uns nicht unsere Werte abkaufen lassen, aber tatsächlich glaube ich gar nicht, dass es dazu käme. Die Europäische Union ist der größte zusammenhängende Wirtschaftsraum der Welt. Wir haben Spitzenprodukte, die Abhängigkeit also ist wechselseitig, und dann muss man vielleicht auch mit einem gewissen Druck und einer Entschiedenheit auf Werten bestehen. Ich glaube, dass wir nicht sofort über Sanktionen spekulieren, aber eine klare Werteposition beschreiben müssen. Das müsste jetzt eigentlich die Aufgabe der Bundesregierung sein.

Bundeskanzlerin Merkel in China
Kanzlerin Merkel und Chinas Staatschef Xi wollten eigentlich im Rahmen des EU-China-Gipfels im September in Leipzig wieder zusammenkommen Bild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler

Die aktuellen internationalen Krisen zeigen ja, dass der Markt eben nicht alles regeln kann, wenn man sich vor dem Hintergrund werteorientierter Politik auch einmal Russland anschaut. Wie steht die FDP da zu den Sanktionen?

Es gibt keine Möglichkeit, diese Sanktionen jetzt aufzuheben, denn es gibt keine Veränderung der russischen Politik. Gäbe es eine Rückkehr zur Kooperation, gäbe es eine Akzeptanz auch der Regeln des Völkerrechts, dann wäre es im wechselseitigen Interesse, auch wieder miteinander ins Geschäft zu kommen, zu kooperieren, den kulturellen Austausch zu stärken. Aber das kann nur ein Geben und Nehmen sein. Und vor dem Hintergrund der russischen Politik ist das leider eher in die Ferne gerückt denn kurzfristig erreichbar. Es hat vielleicht etwas damit zu tun, dass sich die Reformvorstellungen von Herrn Putin und der Wunsch nach wirtschaftlichem Aufschwung nicht realisiert haben und das jetzt teilweise geradezu imperiales Gebaren auf der internationalen Bühne ablenken soll von innenpolitischen Versäumnissen. Das ist sehr bedauerlich, denn für die russische Bevölkerung wäre eine Kooperation zum Beispiel mit Europa in kulturellen und wirtschaftlichen Fragen ein Segen. Voraussetzung aber ist eine andere Politik aus dem Kreml.

Kurz zur Innenpolitik: Kritiker werfen Ihnen vor, dass Sie die FDP zu weit nach rechts gerückt haben. Was ist Ihre Antwort darauf?

Unser Gespräch kreiste ja gerade um Fragen der internationalen Politik, wo Menschenrechts- und Bürgerrechtsfragen im Zentrum stehen. Das wäre nach der klassischen Lesart eher ein linker Zugang. Das zeigt, dass solche Vorhaltungen unsinnig sind. Links-rechts ist für uns keine Kategorie. Wir setzen uns für das ein, was wir für richtig halten. Das bedeutet eine stärkere Rolle des Staates als Schiedsrichter bei Giganten wie Amazon, gleichzeitig aber niedrigere Steuern. Ist das links, ist das rechts? Das bedeutet für uns ein Bildungssystem, das durchaus auch den Gedanken der individuellen Leistung fördert und fordert, zugleich aber die Chancen für Kinder aus Familien mit geringeren Bildungshintergrund stärkt. Ist das links, ist das rechts? Ich glaube, dass diese Begriffe auf die FDP einfach nicht zutreffen.

Der CDU-Politiker und Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag Norbert Röttgen fordert jetzt gerade eine Blauhelm-Mission für das Bürgerkriegsland Libyen auch unter Bundeswehr-Beteiligung. Wie steht die FDP, wie stehen Sie dazu?

Die Stabilisierung von Libyen müsste eine Aufgabe für die Europäische Union sein. Deshalb müsste man im europäischen Kontext darüber beraten. Nur jetzt über die Bundeswehr zu sprechen in dem Zusammenhang, überschätzt unsere politischen Möglichkeiten und die Befähigung unserer Streitkräfte.

Das Gespräch führte Nina Haase-Trobridge.