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Der Kessel wird enger

3. Juni 2007

Unter heftigem Einsatz von Artillerie hat die libanesische Armee die radikalen Islamisten in dem Flüchtlingslager Nahr el-Bared am Wochenende zurückgedrängt. Regierungschef Fuad Siniora rief die Kämpfer zur Aufgabe auf.

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Soldaten auf dem Weg zum Flüchtlingslager Nahr al-Bared, Quelle: AP
Soldaten auf dem Weg zum Flüchtlingslager Nahr al-BaredBild: AP
Begräbnis eines Soldaten am Sonntag, Quelle: AP
Begräbnis eines 20-jährigen libanesischen Soldaten am SonntagBild: AP

Die schweren Kämpfe um das palästinensische Flüchtlingslager Nahr al-Bared im Nordlibanon haben auch am Wochenende unvermindert angehalten. Die libanesische Armee beschoss das Lager am Sonntag (6.2.07) den dritten Tag in Folge fast ununterbrochen aus Panzern, Artilleriegeschützen und Kampfhubschraubern. Die dort verschanzten Extremisten der islamistischen Gruppe Fatah al-Islam lehnten es dennoch strikt ab, sich zu ergeben.

"Wir werden hier sterben"

Die libanesische Armee nahm nach eigenen Angaben mehrere Stellungen der Milizionäre in den Randbezirken des Flüchtlingslagers ein. "Die Armee kontrolliert jetzt mindestens vier oder fünf Positionen, die zuvor von den Milizionären gehalten worden waren und wir drängen sie weiter in die Enge", sagte ein Militärsprecher am Sonntag.

Die staatliche Nachrichtenagentur NNA meldete, der Beschuss konzentriere sich nun auf die Verbindungswege der Extremisten in dem Lager. Abu Selim, ein Sprecher der Extremisten, die seit zwei Wochen in dem Lager im Norden des Landes eingekesselt sind, sagte dem arabischen Nachrichtensender Al-Dschasira per Telefon: "Wir lehnen es ab, zu kapitulieren...wir werden hier sterben."

Armee und Fatah al-Islam hatten sich am Freitag die heftigsten Kämpfe seit Beginn der Kampfhandlungen vor zwei Wochen geliefert. Nach offiziellen Angaben wurden bei den Kämpfen seit Freitag sechs Soldaten getötet. Unter den Islamisten im Lager gebe es "viele Opfer", hieß es. Inoffiziell verlautete aus Sicherheitskreisen, dass mindestens acht Soldaten getötet und weitere 16 verletzt wurden. Die Zahl der Todesopfer seit Beginn der Kämpfe stieg auf über 100.

Beschuss aus der Luft

Am Samstag bewegten sich die am Einsatz beteiligten Soldaten auf den nordwestlichen Eingang der Flüchtlingssiedlung zu, wo sich die meisten Kämpfer der Fatah al-Islam verschanzt halten. Erstmals setzte die Armee auch Hubschrauber ein, deren Maschinengewehre Positionen von Fatah-al-Islam-Kämpfern unter Feuer nahmen. Libanesische Zeitungen titelten, die entscheidende Offensive habe begonnen.

Am Sonntag zerstörte die Armee Stellungen der Fatah al-Islam auf Hausdächern. Die Islamisten hatten von dort aus an das Lager angrenzende Straße nach Syrien beschossen. Die Straße konnte anschließend wieder für den Verkehr frei gegeben werden, sagte ein Offizier.

"Chirurgische Operation"

Die Armee beschießt am Sonntag ein Gebäude, in dem sich ein Scharfschütze befindet, Quelle: AP
Die Armee beschießt am Sonntag ein Gebäude, in dem sich ein Scharfschütze befindetBild: AP

Die Anhänger der Fatah al-Islam hätten "nur eine Wahl, sich der Justiz zu ergeben und die Waffen niederzulegen", sagte Regierungschef Fuad Siniora am Samstag dem arabischen TV-Satellitensender El Arabija. Er nannte die in dem Lager verschanzten Extremisten eine "Terroristenbande". Die Armee werde sie mit einer "chirurgischen Operation auslöschen". Siniora warf der Gruppierung vor, die im Lager gebliebenen Flüchtlinge als menschliche Schutzschilde zu missbrauchen. Nach seinen Angaben hielten sich noch 3000 Palästinenser in Nahr al-Bared auf.

"Wir haben keine Frist für die Schlacht gesetzt, unsere Priorität ist, die Zivilisten zu verschonen", sagte ein Armeesprecher. Wenn sich nicht noch Flüchtlinge im Lager aufhielten, könnte die Mission "in zwei Stunden" beendet werden. In einer Erklärung rief die Armee die "libanesischen und palästinensischen Kämpfer von Fatah al-Islam dazu auf, zur Vernunft zurückzukehren" und versprach ihnen einen gerechten Prozess.

Nach einem Bericht der Zeitung "An-Nahar" (Sonntagausgabe) gaben Kämpfer der sunnitischen Extremistengruppe in Verhören zu, eine Anschlagsserie geplant zu haben, die das ganze Land destabiliseren sollte. Vier mit Sprengstoff bepackte Lastwagen sollten demnach in ein großes Hotel von Beirut rasen, Selbstmordattentäter sollten im Westen und Osten der Stadt Botschaften angreifen. Zeitgleich hätte ein Anschlag im Tschekka-Tunnel die Straße von Beirut nach Tripoli unterbrochen, worauf die Attentäter dann im Norden des Landes eine Islamische Republik ausgerufen hätten. (stu)