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Welthandel

15. Dezember 2011

Die Verhandlungen der Welthandelsorganisation WTO stocken seit Jahren. Nun gibt es in Genf die nächste Chance zur Einigung. Es könnte die letzte sein.

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Die Kelle eines Zollbeamten fordert zum Halten auf (Foto: AP)
Bild: AP

Die WTO-Verhandlungen über den Abbau von Zöllen und Subventionen sind in den letzten Jahren schon oft gescheitert. So mancher Kommentator hat die Verhandlungsrunde, die vor zehn Jahren in Katars Hauptstadt Doha begonnen wurde, deshalb bereits für tot erklärt. Optimisten hoffen auf eine Einigung bis zum 17. Dezember 2011. Bis dann tagt die Ministerkonferenz, das höchste Entscheidungsgremium der WTO, in Genf. Das sei, so heißt es, auf absehbare Zeit wohl die letzte Chance für einen Abschluss.

Tot oder lebendig

Pascal Lamy, Generaldirektor der WTO (Foto: AP)
Wenig fruchtbare Debatte: WTO-Chef Pascal LamyBild: AP

WTO-Chef Pascal Lamy klingt, als wolle er schon einem Scheitern vorbeugen, wenn er sagt: "Die Frage ist nicht, ob die Doha-Runde tot oder lebendig ist, ob sie ein Geist ist oder ein Zombie. Diese Debatte ist wenig fruchtbar."

Die Frage sei vielmehr, "ob sich die Mitglieder der WTO weiterhin für die Ziele einsetzen, um die es in der Agenda von Doha und in der WTO allgemein geht".

In einer Rede auf Einladung der Deutschen Bank in Berlin beschrieb Lamy diese Ziele so allgemein wie möglich: freier Welthandel, aktualisierte Handelsregeln und die Einbindung der ärmsten Länder in die Weltwirtschaft.

Doch der Teufel steckt, wie so oft, im Detail. Gestritten wird um den Marktzugang für westliche Industriegüter und Dienstleistungen in Schwellenländern wie China und Indien. Gestritten wird auch um den Abbau von Agrarsubventionen, mit denen reiche Länder wie die der Europäischen Union und die USA ihre Bauern vor Konkurrenz schützen.

Angst vor Freihandel

Demonstration gegen die WTO während der Ministerkonferenz 2009 in Genf (Foto: AP)
Demonstration gegen die WTO 2009 in GenfBild: AP

Erst wenn sich die 153 Mitgliedsländer der Welthandelsorganisation in diesen Punkten einigen, könnten auch all jene Zölle und Handelsschranken abgebaut werden, über die bereits erfolgreich verhandelt wurde. In der WTO gilt: Keine Regel tritt in Kraft, bevor nicht alle Punkte einer Verhandlungsrunde gelöst sind.

Der Welthandel würde nach einer Einigung kräftig wachsen – um 200 bis 800 Milliarden Euro, glauben Wirtschaftswissenschaftler.

Doch die Vorbehalte sind groß, in vielen Ländern fürchten Menschen um ihre Arbeitsplätze. Denn Abbau von Handelsschranken heißt vor allem: mehr internationaler Wettbewerb.

Um den Widerstand vieler Wähler gegen den Freihandel zu verringern, müssen die richtigen Voraussetzungen geschaffen werden, so Lamy. "Die wichtigste Bedingung ist eine angemessene Einkommensverteilung, mehr Gleichheit. Es ist die Ungleichheit, global zwischen den Ländern, aber auch innerhalb einzelner Länder, die zu Misstrauen gegenüber internationalem Handel führt."

Immerhin, so Lamy, hätten die meisten Regierungen nach der Finanzkrise ihre Volkswirtschaften nicht durch protektionistische Maßnahmen abgeschirmt. Allerdings zeige eine neue Untersuchung der WTO eine beunruhigende Entwicklung: Die Bereitschaft, Handelsschranken abzubauen, sinke, die Wahrscheinlichkeit neuer Handelsschranken steige.

Letzte Chance Genf?

Der Sitzungssaal der letzten Ministerkonferenz der WTO 2009 in Genf (Foto: AP)
Erfolglos: Die Ministerkonferenz der WTO 2009 in GenfBild: AP

Die angespannte Wirtschaftslage in vielen Ländern macht die kommenden WTO-Verhandlungen in Genf nicht leichter. Die USA leiden unter einer hohen Arbeitslosigkeit und werden vor den Präsidentschaftswahlen 2012 wohl keiner Regelung zustimmen, die zu Hause Wählerstimmen kostet.

Angesichts der Schuldenkrise forderte Lamy in Berlin auch ein Weltwährungssystem, das Vertrauen erweckt und Stabilität gibt. Dies könne den weltweiten Handel, Investitionen und Geldflüsse erleichtern.

"Geldpolitik funktioniert nicht in einem Vakuum", so Lamy. "Nur wenn sie im globalen Interesse ist, ist sie auch im nationalen Interesse. Der einzige Weg, das zu erreichen, ist globale Zusammenarbeit."

Wie so eine Geldpolitik im globalen Interesse aussehen könnte, sagte Lamy nicht. Aber die Diskussion darüber ist für ihn allemal angenehmer als über die Frage, ob die Doha-Runde nun tot ist oder nur schläft. Denn das ist schließlich, so Lamy, eine wenig fruchtbare Debatte.

Autor: Andreas Becker
Redaktion: Henrik Böhme