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Leitplanken für die Algorithmen

Sabine Kinkartz28. Februar 2013

Braucht Deutschland einen Hochfrequenzhandel mit Aktien und Wertpapieren? Ist er nützlich für die Volkswirtschaft, oder schadet er? Die Politik ist sich uneins, ein Gesetz wurde trotzdem beschlossen.

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Eine Anzeigetafel visualisiert in der Deutschen Börse in Frankfurt am Main die Kurve des Deutschen Aktien-Index (Foto: dapd)
Bild: dapd

Ein paar Reihen nur waren an diesem Donnerstagmorgen im Deutschen Bundestag gefüllt. Für eine eineinhalbstündige, lebhafte Debatte reichte das aus. Dabei stand ein Thema auf der Tagesordnung, das trockener und komplexer nicht sein könnte: der Hochfrequenzhandel.

Dabei ordern Computer mittels Algorithmen, einer Folge von Verarbeitungsvorschriften also, Wertpapiere in Sekundenbruchteilen und stoßen sie auch wieder ab. In den USA laufen 70 Prozent des Börsenhandels auf diese Weise ab, in Europa sollen es 40 Prozent sein. Das Ausnutzen minimaler Preisunterschiede an den unterschiedlichen Börsenstandorten funktioniert mit superschnellen Rechnern, die möglichst nah an den Computern der Börse stehen, um durch möglichst kurze Leitungen möglichst wenig Zeit zu verlieren.

Blitzartige Börsendeals

Weiterer Schritt zur Finanzmarktregulierung

In Deutschland soll dieser Handel künftig durch das "Gesetz zur Vermeidung von Gefahren und Missbräuchen im Hochfrequenzhandel" reguliert werden. Für CDU/CSU und FDP ist es "ein weiterer wichtiger Baustein in der Brandmauer, die uns vor künftigen Finanzkrisen wirksamer als in der Vergangenheit schützen soll", so der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, Hartmut Koschyk, im Bundestag.

Im Einzelnen sieht das Gesetz vor, dass Hochfrequenzhändler der Aufsicht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht unterstellt werden. Zudem werden strengere Anforderungen an den Handel gestellt. Im Hochfrequenzhandel tätige Unternehmen müssen in Zukunft sicherstellen, dass ihre Handelssysteme den Markt nicht stören. Dadurch sollen extreme, irrationale Kursschwankungen ohne jeden Bezug zu realwirtschaftlichen Entwicklungen bis hin zu einem "Flash Crash", wie etwa der Zusammenbruch der US-Börsen am 6. Mai 2010, verhindert werden. Dort hatte der Dow-Jones-Index binnen Minuten 1000 Punkte verloren, weil die Computer die Effekte eines fehlerhaften Handels-Auftrag verstärkt hatten.

Laut Gesetz werden künftig zudem "bestimmte Handelspraktiken, welche ohne Handelsabsicht getätigt werden, um das Funktionieren der Handelssysteme zu stören oder zu verzögern oder andere Handelsteilnehmer zu täuschen", als Marktmanipulationen angesehen. Die Börsen sollen zudem verpflichtet werden, bei exzessiver Nutzung der Handelssysteme höhere Gebühren zu verlangen.

SPD und Grüne für Mindesthaltefrist

Der Opposition reicht das bei Weitem nicht aus. "Ihr Gesetz wird nichts anderes machen, als einige Registrierungen nach sich ziehen, sicherlich einen Überblick verschaffen, aber es wird diese Geschwindigkeit und die Gefahren nicht beeinträchtigen", kritisierte der SPD-Politiker Carsten Sieling in der Debatte. "Sie fassen nicht die Computer an, sondern sie wechseln bloß die Monitore aus."

Der finanzpolitische Sprecher der Grünen, Gerhard Schick, sieht zudem Interessenskonflikte aufziehen, wenn die Börsen selbst in der Regulierung tätig werden sollen. "Die Börsen haben ein ökonomisches Interesse daran, möglichst viel Umsatz bei sich zu haben. Das ist so ähnlich, als würde man den Tabaksteuersatz von der Tabakindustrie festlegen lassen."

Wirklich einschränkend und entschleunigend würden nach Ansicht von SPD und Grünen nur eine Haltefrist und eine Mindestverweildauer wirken. "Wir wollen da nicht Wochen oder Tage oder Stunden, sondern unser Vorschlag lautet: eine 500-Millisekunden-Haltefrist, wie es auch das europäische Parlament vorschlägt", so der SPD-Politiker Sieling.

Deutschland ohne Turbo-Händler?

Doch dazu konnten sich die Regierungsparteien nicht durchringen. "Einem solchen Instrument kann man, wenn überhaupt, nur näher treten, wenn es europaweit erfolgt. Hier würde eine isolierte nationale Einführung überhaupt keinen Sinn machen, denn wir haben auch eine Verantwortung für den Börsenstandort Deutschland", so Finanzstaatssekretär Koschyk.

Wenn eine Haltefrist eingeführt werde, dann würden die Hochfrequenzhändler Deutschland den Rücken kehren, ergänzte der FDP-Politiker Björn Sänger. "So schnell, wie die Computer handeln, so schnell können die Händler auch den Handelsplatz verändern." Die ablehnende Haltung der Opposition kritisierte Sänger mit dem Vergleich, das sei so ähnlich, als erreiche man in der Wüste eine Oase und lehne das Glas Wasser ab, weil keine Zitrone drin sei.

Ginge es nach den Linken, dann würde der Hochfrequenzhandel in Deutschland ganz verboten. Er könne keinen Nutzen für die Volkswirtschaft erkennen, so der Abgeordnete Richard Pitterle. 90 Prozent der Order, die im Hochfrequenzhandel erteilt würden, würden sofort wieder zurückgezogen. Damit werde an den Börsen eine Scheinliquidität erzeugt. Tatsächlich sei das Geld aber überhaupt nicht vorhanden.