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Autopuzzle in Bremerhaven

Godehard Weyerer28. November 2012

Weil in manchen Ländern sehr hohe Importzölle für Autos verlangt werden, greifen die Hersteller zu einem Trick: Sie lassen die Autos vor dem Export zerlegen und bauen sie vor Ort wieder zusammen.

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Zwei Mitarbeiter der BLG verstauen Kühlergrille (Foto: BLG)
Das Logistic Center der Bremer LagerhausgesellschaftBild: BLG

Ein LKW nach dem anderen steuert das Logistik-Center der Bremer Lagerhausgesellschaft (BLG)´an – bis zu 300 sind es an einem Tag. Der Pförtner, der die Ladepapiere kontrolliert, erklärt den Fahrern, die sich auf dem 240.000 Quadratmeter großen Firmenareal nicht auskennen, kurz den Weg zur Ablade-Zone, und schon steht der nächste LKW vor der Schranke. Geladen haben die LKW alles rund um ein Auto – Sitzbezüge, Motorhauben, Schrauben, Schellen, Ölwannen, Längsträger, Scheinwerfer. Über 1000 Einzelteile sind in einem Fahrzeug verbaut, sagt Matthias Klawitter. Seit zwölf Jahren arbeitet der Diplom-Betriebswirt bei der Bremer Lagerhausgesellschaft und ist Betriebsleiter des Logistik-Centers. Hier lässt die Daimler AG die Einzelteile ihrer Fahrzeuge verpacken, die in Übersee zusammengesetzt werden. Klawitter betritt die Hallen: "Aus den Presswerken Sindelfingen und Bremen kommen die Bauteile für die Mercedes-Karosserien zu uns."

Das Logistic Center der Bremer Lagerhausgesellschaft (Foto: BLG)
Das Geschäft braucht Platz, viel Platz: Das Logistic Center der Bremer Lagerhausgesellschaft.Bild: BLG

Über 1000 Teile für einen PKW

Blanke, nicht lackierte Längsträger der Mercedes C-Klasse liegen in einem Spezialladungsbehälter – dicht an dicht, durch gepolsterte Abstandshalter vor Kratzern und Dellen geschützt. Das Bestimmungsziel ist Indonesien. Daneben werden 24 Motorhauben in einen Container verpackt. In den nächsten Tagen werden sie auf einem Schiff Bremerhaven verlassen und in rund sechs bis acht Wochen im Fertigungswerk im indischen Pune ausgepackt und montiert werden. Matthias Klawitter geht an einem Stapel Kisten vorbei, gefüllt mit schwarzen Hüllen für Fahrzeug-Handbücher – Bestimmungsziel ist Thailand. CKD, die Abkürzung steht für completely knocked down – übersetzt komplett zerlegte Autos.

"Das lohnt sich allemal"

Welche Vorteile bietet diese spezielle Form des Exports? Klawitter: "Es gibt, das ist ja kein Geheimnis, in einigen Ländern hohe Importzölle für Fertigfahrzeuge, da lohnt sich natürlich auch eine Einfuhr über eine CKD-Belieferungsstrategie". Einfuhrzölle auf Fertigfahrzeuge liegen in manchen Ländern bei bis zu 300 Prozent. Für importierte Teile sind die Zollsätze dagegen unvergleichlich niedriger. So lohnt sich der logistische Mehraufwand, der hier in den Hallen der Bremer Lagerhausgesellschaft anfällt, allemal. Zudem sind die Lohnkosten in den Zielländern meist niedriger als in Deutschland. Zulieferfirmen aus dem Bestimmungsland steuern Teile bei - Räder, Türverkleidung, Sitze etwa. "Unsere Erfahrung", sagt Klawitter und er betont, dass die BLG das Geschäft seit den 1990er Jahren macht, "zeigt, dass es immer einen Teil gibt, der weiterhin aus Deutschland, wo auch das Entwicklungs-Know-how unserer Kunden steckt, auch verbleibt." So ist Matthias Klawitter zuversichtlich, dass sein Unternehmen weiterhin gut beschäftigt sein wird.

Seitenteile werden verpackt (Foto: BLG)
Gut verpackt und gesichert für den langen Transport: Zwei Arbeiter verstauen Karosserie-Teile eines PKWBild: BLG

Nach exakten Vorgaben

900 Mitarbeiter hat die BLG in ihrem Bremer Logistik-Center unter Vertrag, 20 bis 30 Prozent sind Leiharbeiter. Gearbeitet wird in zwei bis drei Schichten. Die PKW-Produktion ist starken Konjunkturschwankungen ausgesetzt. Auch der Absatz der CKD-Baukästen. Sämtliche Teile für 20.000 Fahrzeuge gehen pro Jahr über die Logistik-Drehscheibe in Bremen, werden in den Hallen noch einmal auf Schäden kontrolliert, für den langen Seetransport präpariert und konserviert und in Containern verpackt auf die weite Reise geschickt – nach Indien, Ägypten, Vietnam, Thailand, Malaysia, Indonesien. "Es ist exakt vorgegeben, wo die Ware in dem Packstück positioniert ist", erläutert Betriebsleiter Klawitter; neben ihm packt eine Mitarbeiterin Sitzbezüge ein für die E-Klasse – Bestimmungsziel ist Ägypten. Um ihren Unterarm hat sie ein Gerät geschnallt. Es ist mit einem Scanner verbunden, den sie wie einen Ring über ihren Zeigefinger gezogen hat. Mit dem Handrücken fährt sie über den Strich-Code. Auf dem Geräte-Display erscheint die nächste Arbeitsanweisung.

800 Container werden jede Woche verschifft

Die Verträge sind meist an die Laufzeit einzelner Baureihen gekoppelt. 800 Container packt die Bremer Lagerhausgesellschaft jede Woche im Auftrag der Daimler AG. Zu 99 Prozent, erklärt Betriebsleiter Matthias Klawitter, werden sie in Bremerhaven verschifft. Von der kleinen Schraube bis zu Motorhaube muss alles termingerecht im Auslandsmontagewerk ankommen. "Nur in den Notfällen, wenn ein Lieferant nicht rechtzeitig liefert, werden die Teile per Luftfracht verschickt." Die Hallen, in denen die Bremer Lagerhausgesellschaft Automobil-Teile in alle Welt verpackt, sind riesig - 110.000 Quadratmeter, Gabelstapler huschen wieselflink von einem Hochregal zum nächsten. Hier lagern lackierte Kotflügel, dort türmen sich leere Holz-Paletten und Verpackungsmaterial. Irgendwo und irgendwann werden die Teile zusammenmontiert über die Strassen dieser Welt rollen.