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Legalisierungspolitik in Spanien in der Kritik

Vera Möller-Holtkamp12. Mai 2005

Vom Schattendasein in die Legalität: 700.000 "Illegale" in Spanien haben jetzt die Chance auf Bleiberecht. Das Legalisierungsprogramm hat aber auch Kritiker. Ist es großzügig oder kurzsichtig?

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Schwarzarbeit - ein europäisches ProblemBild: dpa ZB - Fotoreport

690.679 bislang illegale Einwanderer sind der Einladung der Regierung Zapatero gefolgt und haben bis zum Stichtag am 7. Mai einen Antrag auf Aufenthaltsgenehmigung gestellt. Die spanische Regierung wertet das als "großen Erfolg": In keinem anderen Land sei es gelungen, "in drei Monaten 700.000 Arbeitsplätze aus der Schattenwirtschaft ans Tageslicht zu bringen", triumphierte Spaniens Arbeitsminister Jesús Caldera. Das Anfang Mai abgelaufene Programm ist das größte Legalisierungsverfahren in der Geschichte Spaniens - und in der EU.

Kampf gegen Schwarzarbeit

Seit 1985 hat Spanien sieben Sonderaktionen zur Legalisierung unternommen. Der Schritt in die Legalität - für "papierlose" Ausländer bedeutet er rechtliche Sicherheit. Der neue Status verschafft ihnen auch Zugang zu Sozialleistungen und Bildung. Aber er bringt auch Pflichten mit sich: Der spanische Staat hofft, dass die "legalisierten" Ausländer Sozialabgaben leisten und Steuern zahlen werden.

Um die ersehnten Papiere zu bekommen, müssen die Zuwanderer vor dem 8. April in Spanien gemeldet sein. Das stellt oft kein Problem dar, da die lokalen Meldeämter ihre Daten nicht an die Ausländerbehörde weiterreichen. Außerdem müssen die Antragsteller einen Arbeitsvertrag vorweisen.

Arbeitgeber, die die Immigranten bis dato illegal beschäftigt hatten, können das Arbeitsverhälntis ohne Probleme legalisieren - wenn sie das wirklich wollen. Oft ist das ein Problem, denn Schwarzarbeit ist billiger als legale. Die dritte Bedingung betrifft die Vorgeschichte des Immigranten. Er darf keine Vorstrafen haben. Die Frage ist nur, wie man mit einem Vorstrafenregister aus einem Staat umgehen soll, der selbst kein Rechtsstaat ist?

Nicht für alle

Nicht alle der knapp 700.000 Antragsteller werden tatsächlich eine Aufenthaltsgenehmigung erhalten. Menschenrechts-Organisationen halten die Hürden für die Legalisierung für zu hoch. Der Generaldirektor der andalusischen Menschenrechtsorganisation APDHA (Asociación Pro Derechos Humanos de Andalucía), Rafael Lara, freut sich zwar für alle Ausländer, die es schaffen, ihren Status zu legalisieren. Seiner Einschätzung nach hätten jedoch bis zu 800.000 illegale Einwanderer wegen der hohen Hürden keinen Antrag stellen können. Für ein demokratisches Land wie Spanien sei es nicht hinnehmbar, so viele Menschen von grundlegenden Rechten auszuschließen, sagt Lara. Denn für die Abgelehnten (und die Nicht-Antragsteller) birgt das Legalisierungsprojekt die Gefahr der Abschiebung.

Angst vor "Migrantenschwemme"

Kritik kommt auch aus dem Ausland. Deutschland und die Niederlande haben bei einem Treffen der EU-Innenminister Bedenken gegen das Verfahren geäußert. Sie befürchten, dass die Zuwanderer auch in andere Länder der Europäischen Union gelangen könnten. Spanien habe eigenmächtig, ohne Absprache mit den Mitgliedstaaten gehandelt, lautet der Vorwurf.

Der Sprecher der Internationalen Organisation für Migration in Genf (IOM), Jean-Philippe Chauzy, hält diese Befürchtungen für überzogen. Die Zuwanderer, die bereits Arbeitsverträge in Spanien hätten und die Sprache einigermaßen beherrschten, würden nach Prognosen der IOM im Gastland bleiben. Chauzy verweist zudem auf eine EU-Richtlinie aus dem Jahre 2003, die Arbeitsmigration von "Legalisierten" innerhalb der EU erst nach fünf Jahren erlaubt.

Umfassende Konzepte gefordert

IOM-Experten fürchten allerdings, dass durch regelmäßige Massen-Regularisierungen wie in Spanien die illegale Einreise noch attraktiver werden könnte, und immer weniger Menschen den mühsamen Weg über ein Arbeitsvisum auf sich nehmen. Allzu großzügige Legalisierungspolitiken könnten wie ein Magnet auf illegale Einwanderer wirken, warnt der IOM-Sprecher.

"Regularisierungsprogramme lösen das Problem der illegalen Einwanderung nicht", sagt Chauzy. "Sie sind nur ein Element in einer ganzen Palette von Migrationspolitiken." Chauzy fordert eine aktive Zuwanderungspolitik, die Arbeitsmigration aktiv steuert. Das sei besser für die Zielländer, da sie dadurch Zuwanderung gestalten könnten. In vielen Fällen könnte Zuwanderungswilligen auf diese Weise die Illegalität und die vielen Risiken, die damit zusammenhängen, erspart bleiben.

Nach Angaben der spanischen Regierung haben etwa 150.000 "Papierlose" das Amnestie-Angebot nicht genutzt. Sie sollen jetzt in ihre Heimatländer abgeschoben werden. Aber das ist nur möglich, sofern sie überhaupt Papiere haben, die belegen, woher sie stammen.