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Lebensmittel auf dem Tisch in Marrakesch

Stuart Braun
8. November 2016

Ein Jahr nach dem bahnbrechenden Klimaabkommen von Paris sollen auf der diesjährigen Weltklimakonferenz die Zusagen vom vergangenen Jahr umgesetzt werden. Landwirtschaft spielt dabei eine wichtige Rolle.

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Honduras Dürre
Bild: imago/Xinhua

Wenn die marokkanische Stadt Marrakesch diesen Monat ihre Tore für die wichtigsten Akteure im weltweiten Umweltgeschehen öffnet, wird Ernährungssicherheit angesichts extremer Niederschlagsschwankungen ein Hauptthema sein.


Dabei wird sich die COP22 besonders auf Afrika konzentrieren, einem Kontinent, dessen Großteil der Bevölkerung als Kleinbauern arbeitet (in Ostafrika etwa 75 Prozent) und von traditionellen Techniken abhängig sind, für die Regen unabdingbar ist. Da diese Niederschläge oftmals unregelmäßig sind, versinken Millionen in Armut und Hunger und schaffen es nicht, sich an die sich ändernden Wetterbedingungen anzupassen.


Bis jetzt haben sich die Arbeit und die finanziellen Mittel von Klimaschutzinitiativen in erster Linie auf urbane Infrastruktur, Transport und Energie konzentriert, während die Landwirtschaft leer ausging. Das ist zu kurz gedacht, da dieser Sektor für 70 Prozent des weltweiten Wasserverbrauchs verantwortlich ist. Landwirtschaftliche Innovationen und Investitionen spielen bei der Anpassung an den Klimawandel und der Linderung seiner Auswirkungen eine entscheidende Rolle.


Auf der letztjährigen Weltklimakonferenz COP21 in Paris wurde ein größerer lokaler Einfluss auf die Klimaschutzverpflichtungen ermöglicht. Das soll durch sogenannte "Nationally Determined Contributions" (NDCs), national festgelegte Beiträge, geschehen. Martin Frick, Leiter der Abteilung für Klima, Energie und Pacht bei der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) sieht das "als wegweisend" an, da es die Landwirtschaft neben der Energie zum Haupthema bei den anstehenden Klimagesprächen macht. 


Die Landwirtschaft bietet die einzigartige Möglichkeit gleichzeitig die Anpassung an den Klimawandel, die Milderung dessen Folgen, die Ernährungssicherheit, die Armut in ländlichen Regionen und das große Problem Wasserknappheit anzugehen.


Mit dem Klimawandel kommen weitere Gefahren


Einem Bericht des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) zufolge, der im Oktober veröffentlicht wurde, sind die Gletscher in den Bergen Ostafrikas seit den 1990er Jahren um 80 Prozent geschrumpft. Sie speisen aber Flüsse und Nebenflüsse, die für die in der Region lebenden Bauern lebenswichtig sind. Und dann sind da noch die Flächenbrände, die durch die steigenden Temperaturen entstehen und die seit 1976 13.000 Hektar des Waldes am Fuße des Kilimandscharos zerstört haben, der Wasser speichert. Hinzu kommen häufigere Dürren. 

Mt Kilimanjaro Sunset
Am Fuße des Kilimandscharo kommt es immer wieder zu BrändenBild: CC BY mitchpa1984 2.0


Zusammengenommen treffen diese Faktoren den Kontinent hart und haben eine Vielzahl von Auswirkungen: von geringeren Ernteerträgen bis hin zu höheren Lebensmittelpreisen, reduzierter Kalorienaufnahme, steigender Mangelernährung bei Kindern, Krankheiten, Verdrängung und Konflikt.


“[Wir haben] eine absolut absurde Situation, in der Menschen, die Lebensmittel produzieren, nicht genug zu essen haben", sagte Frick gegenüber DW und fügte hinzu, dass von den 800 Millionen Menschen, die weltweit hungern, 80 Prozent Kleinbauern sind.


Agwu E. Agwu vom Department of Agricultural Extension, an der University of Nigeria, sagt: "Ein typischer Kleinbauer hat kaum oder gar keine Möglichkeiten den Herausforderungen, die durch den Klimawandel entstehen, standzuhalten." 


Und wenngleich die Regierung im Falle Nigerias mehrere Programme gestartet hat, um die Betroffenen über die Veränderung bei den Niederschlägen aufzuklären, sei selbst die kurzfristige Ernährungssicherheit bereits bedroht, so Agwu. 


Gastgeberland setzt Zeichen


Indes fördert die FAO in Marokko solarbetriebene, fast emissionsfreie Tropfbewässerungssysteme, die es den Bauern ermöglichen, mit sehr wenig Wasser Orangenplantagen zu bewirtschaften. Im Gastgeberland der COP22 arbeiten 75 Prozent der Bevölkerung in der Landwirtschaft, und das Land setzt noch immer stark auf fossile Energien.

Marokko CloudFisher Anti-Atlas Mountains
Mit den CloudFisher-Netzen kann man das Wasser aus der Luft einfangenBild: M. Gundlach


Der aus seiner Sicht volle Einsatz der Regierungen der Länder südlich der Sahara, die nach Marrakesch reisen, um ihre Landwirtschaftsmethoden an eine Welt der Wetterextreme anzupassen, ermutigt Frick.


Erfindungen, wie die Nebelfänger auf dem Berg Boutmezguida in Marokkos sehr trockenem Antiatlas, zeigen (siehe begleitender Artikel über Wolkenfänger), dass die richtigen Investitionen zu unzähligen weiteren Innovationen führen können und damit eine effektive Anpassung in wasserarmen ländlichen Gebieten ermöglichen.  


Herausforderungen in Chancen verwandeln


Ein Ziel der COP22 ist es, auf diese akuten Herausforderungen einzugehen, indem man Lösungen entwickelt, die die Widerstandsfähigkeit und Ernährungssicherheit erhöhen.


“Wenn Sie ein Stück brachliegendes Land haben, das man landwirtschaftlich nutzen kann, beispielsweise mit einem natürlichen Waldsystem, dann haben Sie einen riesigen Wasserspeicher. Sie können die Fruchtbarkeit erhöhen, und Sie haben eine bestimmte Menge Kohlenstoff gebunden, der nicht mehr in der Atmosphäre ist", erklärt Frick.

Äthiopien Dürre
Die Bevölkerung Äthiopiens hat mit den Auswirkungen des Klimaphänomens El Niño zu kämpfenBild: CC BY EU/ECHO/Anouk Delafortrie-ND 2.0


Solche "Querverbindungen und Synergien", fügt er hinzu, geben Kleinbauern die Möglichkeit, Wasserspeicherung und Kohlenstoffbindung durch Artenvielfalt und nachhaltige Praktiken zu erreichen. 


Frick betont, wie wichtig es ist, deutlich mehr Klimagelder in Landwirtschaft zu investieren, insbesondere einen Teil der etwa 10 Milliarden des Green Climate Fund. 
 
“Wir setzen uns dafür ein, dass ein erheblicher Teil der Klimagelder in den Bereich der bäuerlichen Kleinbetriebe gesteckt werden sollte, weil wir glauben, dass das die tiefhängenden Früchte sind. Investitionen in diesem Bereich können sehr schnell Resultate liefern und dadurch wiederum politische Energie in die Klimaverhandlungen bringen." 

DW Autor l Kommentatorenfoto Stuart Braun
Stuart Braun Australischer DW-Journalist und Buchautor.