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Regenwälder als Schweißdrüsen der Erde

Ruth Krause19. Dezember 2014

Laut einer neuen Studie könnten die Auswirkungen der Regenwaldabholzung auf das Weltklima viel gravierender sein als bisher angenommen. Das sagt Deborah Lawrence, die Autorin der Studie, im DW-Interview.

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Porträt - Deborah Lawrence
Bild: privat

Bislang gingen Forscher davon aus, dass die Regenwaldabholzung den Klimawandel begünstigt, indem klimaschädliches Kohlendioxid (CO2) in die Atmosphäre gelangt. Eine neue Studie hat herausgefunden: Auch über einen anderen Mechanismus führt die Rodung zu Temperaturanstieg.

DW: Deborah Lawrene, Sie sagen, dass die Abholzung einen viel größeren Effekt hat als bisher angenommen, weil die Regenwälder nicht nur die "Lunge des Planeten", sondern auch seine "Schweißdrüsen'"sind. Was meinen sie damit?

Deborah Lawrence: Schweißdrüsen kühlen uns ab. Die Flüssigkeit in unserem Körper wird zu Schweiß, der an unserer Hautoberfläche verdunstet. So werden wir Hitze los. Genauso funktioniert es bei Wäldern, die die Hitze der Sonne umwandeln. Bäume haben die Eigenschaft, Wasser von der Wurzel bis zu den Blättern zu verteilen, und dort verdunstet das Wasser dann durch die Sonne. Aus flüssigem Wasser wird Wasserdampf. Dadurch kühlen sich die Wälder selbst - und weil sie so groß sind, kühlen sie dadurch auch den Planeten ab.

Wieso macht eine feuchtere Luft das Klima kühler?

Wenn Sonnenlicht in die Atmosphäre gelangt, kann es zwei Dinge bewirken: Es kann entweder Wasser in Wasserdampf verwandeln. Oder es wird einfach absorbiert und wieder abgestrahlt. Die Energie muss schließlich irgendwohin, und wenn sie nicht in Wasser umgewandelt wird, wird daraus Hitze.

Nyungwe Nationalpark in Ruanda
Befeuchtet den Planeten und hält ihn damit kühl: Ein Nationalpark in RuandaBild: picture-alliance/united-archives/mcphoto

Wenn alle tropischen Regenwälder abgeholzt werden, um wie viel wird sich die Erdtemperatur erhöhen?

Der errechnete Bereich liegt zwischen 0,1 und 0,7 Grad Celsius. Zum Vergleich: Durch die Industrialisierung erhöhte sich die durchschnittliche Temperatur der Erde um 0,74 Grad. Wenn wir jetzt alle tropischen Wälder abholzen, könnten die Auswirkungen fast genau so groß sein, wie durch die Nutzung der fossilen Brennstoffe und durch die Industrialisierung. Und die Klimaerwärmung wird sich in den Tropen sogar dramatischer auswirken sein anderswo. Wenn sich der Planet im Durchschnitt um 0,5 oder 0,7 Grad erwärmt, könnte das einen Temperaturanstieg von zwei Grad direkt an den Orten der Rodung, in den Tropen, bedeuten.

Wieso hat die Abholzung von tropischen Regenwäldern so große Auswirkungen?

Das liegt daran, dass die Tropen dort sind, wo sie nun einmal sind. Die Tropen sind nahe am Äquator, und dort kommt das Sonnenlicht am stärksten an. Und die Hitze wird von dort rund um den Globus bewegt. Die Tropen sind wichtig, weil hier alles anfängt: Die Sonne strahlt hier am stärksten und damit haben die Tropen die Funktion des "Motors" für unser Klimasystem.

Wieso sind die Auswirkungen weltweit zu spüren?

Wenn wir Wälder roden, reagiert die Atmosphäre. Man kann sich das vorstellen wie bei einem Topf mit kochendem Wasser auf dem Herd: Das Wasser blubbert, und der Dampf steigt zur Decke auf. Wenn er dort ankommt, bewegt sich der Dampf an der Decke entlang, und gelangt so vielleicht sogar von der Küche bis in den Flur. In ähnlicher Weise gibt es auch eine Art "Decke" in der Atmosphäre: Wenn all die Energie nach oben steigt, trifft sie auf die Decke und bewegt sich - und zwar weg von den Tropen. Für uns Menschen erscheint die Atmosphäre unsichtbar, aber in ihr gibt es Strukturen: Die Luftmassen dort stoßen zusammen, tauschen Energie aus und interagieren miteinanander.

Viele Wälder werden abgeholzt, um Platz für Landwirtschaft zu schaffen. Man ersetzt also in gewisser Weise Pflanzen mit Pflanzen. Wieso funktioniert das Kühlungssystem der Erde nicht mit den Kulturpflanzen?

Wenn man Regenwälder für die Landwirtschaft abholzt, baut man stattdessen viel kleinere Nutzpflanzen an. Tropische Bäume haben tiefe Wurzeln, sie können viel Wasser speichern, und sie haben eine große Blattoberfläche, also können sie viel Wasser durch ihr System bewegen. Wenn man die Bäume durch Pflanzen ersetzt, die flache Wurzeln haben, dann ist dieses wunderbare Kühlsystem längst nicht mehr so effektiv.

Amazonas Soja Plantage Archiv 2013
Regenwald im Amazonas muss einer Sojaplantage weichenBild: Reuters

Ein globaler Temperaturanstieg wird sich auf unser Ökosystem, aber auch auf unsere Nahrungsmittelproduktion auswirken. Auf was müssen wir uns vorbereiten?

Es wird einen doppelten Einfluss geben: Landwirtschaft wird durch erhöhte Temperaturen erschwert. Und wenn dann noch fünf oder zehn Prozent weniger Regen fällt, kann man sich denken, dass sich das auf die Pflanzen auswirkt. Und selbst wenn die Niederschlagsmenge gleich bleibt: Unter höheren Temperaturen fühlt sich das für die Pflanzen anders an. Daher bin ich besorgt, was die Landwirtschaft in den Tropen angeht. Und es könnte sich auch auf die Landwirtschaft außerhalb der Tropen auswirken. Es ist ironisch: Wir roden Wälder, um Platz für Landwirtschaft zu schaffen, Nutzpflanzen anzubauen und Leute zu ernähren. Aber wenn wir nicht große Waldflächen erhalten, wird die Landwirtschaft nicht so produktiv sein, wie sie eigentlich sein könnte.

Was sind die Schlüsse, die wir für die Zukunft daraus ziehen können?

Wir sollten Landwirtschaft und Wälder nicht getrennt voneinander, sondern gemeinsam betrachten. Außerdem müssen wir einsehen, dass tropische Wälder großen Einfluss auf unser Klima haben, der über die CO2-Speicherfähigkeit hinausgeht. Wir sollten uns also nicht nur auf das CO2 konzentrieren, sondern alle Dienstleistungen, die der Wald uns gibt, anerkennen.

Deborah Lawrence ist Professorin für Umweltwissenschaften an der University of Virginia. Seit 25 Jahren forscht sie in Indonesien, Costa Rica, Kamerun und Mexiko. Im Fokus ihrer Untersuchungen stehen die ökologischen Auswirkungen der Regenwaldabholzung.

Das Gespräch führte Ruth Krause.