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Latif: "Die USA denken zu kurzfristig!"

Judith Hartl2. Juli 2013

US-Präsident Barack Obama will mehr fürs Klima tun. Aber schafft er das? Die Lobby dagegen ist stark, die Bevölkerung interessiert es kaum. Meteorologe und Klimaforscher Mojib Latif hat noch ein paar Tipps für Obama.

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Prof. Mojib Latif (Photo by Christian Augustin/Getty Images)
Mojib Latif MetereologeBild: Getty Images

Deutsche Welle: Herr Latif, nehmen Sie Obamas Klimarede ernst?

Mojib Latif: Es ist gut, dass einer der großen Politiker unserer Zeit auf die Klimaproblematik hinweist. Ich bin aber skeptisch, dass er etwas Großes durchsetzen kann. Ich glaube ihm zwar, dass es ihm ein Anliegen ist, aber ich fürchte, dass ihm die Realpolitik keine Chance lässt.

Warum tut man sich in den USA eigentlich so schwer mit dem Thema Klimawandel und Klimaschutz?

Das hat verschiedene Gründe. Zunächst wird das Thema Klimawandel in der Öffentlichkeit nicht so diskutiert wie beispielsweise bei uns in Deutschland. In Deutschland ist es ein Thema, das die Menschen bewegt - in den USA bewegt es die Menschen weniger. Den Amerikanern geht es zurzeit nicht so gut wie den Deutschen, insofern haben sie ganz andere Interessen.

Außerdem gibt es in den USA eine ganz starke Lobby seitens der Energiewirtschaft. Die USA haben sehr viel Kohle und sehr viele Kohlekraftwerke. Die stoßen das meiste CO2 aus. Sollte es hier einen Strukturwandel geben, käme es zu erheblichem Widerstand. Aber das ist nicht nur in den USA so. Deutschland stellt sich ja gerne als Musterknabe dar - doch sobald es wirklich ernst wird, wenn zum Beispiel strengere Abgasnormen für die Automobilindustrie eingeführt werden sollen, stellt sich auch die deutsche Regierung quer.

Weil die Automobillobby großen Einfluss auf die Politik hat?

Genau.

Dann sind aber die Lobbyistenkampagnen in Deutschland etwas subtiler als in den USA. Dort werden recht starke Geschütze gegen den Klimaschutz und gegen Klimaschützer aufgefahren.

Das ist richtig. Das hat aber unter anderem damit zu tun, dass es in den USA eine latente Wissenschaftsfeindlichkeit gibt. Nicht nur beim Thema Klima, zum Beispiel auch bei der Evolution. Es gibt ja inzwischen schon einige Schulen, an denen die Darwinsche Evolutionstheorie nicht mehr gelehrt werden darf. Das ist leider ein unglücklicher Trend in den USA. Es gibt dort viel extremere Positionen als hier in Deutschland.

Obama: Wir müssen handeln

Eine zentrale Ankündigung von Obama ist es, den CO2-Ausstoß von Kohlekraftwerken zu reduzieren. Wie er das machen möchte, hat er noch nicht gesagt. Welche Möglichkeiten hat er überhaupt?

Kohlekraftwerke der modernsten Generation stoßen deutlich weniger CO2 aus als ältere Kohlekraftwerke. In den USA gibt es aber noch sehr viele alte Kohlekraftwerke, sodass es schon Potenzial gibt, den Ausstoß deutlich zu reduzieren. Außerdem sind die Amerikaner im Moment dabei, die restlichen Erdgasreserven zu fördern - auch wenn sie das mit dieser sehr umstrittenen Methode tun, die wir Fracking nennen. Trotzdem: Erdgas hat eine bessere Kohlendioxidbilanz pro Energieeinheit als Kohle.

Enorm wichtig wäre aber ein Schub bei den erneuerbaren Energien. Die Amerikaner sind gesegnet mit erneuerbarer Energie: Sie haben Fläche, sie haben Wüsten, sie haben viel Sonne, sie haben viel Wind - da könnten sie sehr viel machen. Bislang sind sie da aber leider sehr zurückhaltend.

Obwohl sich erneuerbare Energien wirtschaftlich durchaus lohnen könnten …

Ja, aber nur auf lange Sicht - und das ist die Krux. Die Amerikaner denken zurzeit sehr kurzfristig. Sie haben große wirtschaftliche Probleme, eine hohe Arbeitslosigkeit und eine enorme Staatsverschuldung - das steht im Fokus. Ein Strukturwandel über längere Zeiträume wird in den USA im Moment nicht diskutiert und deswegen haben die erneuerbaren Energien dort einen sehr schweren Stand.

Ohne die USA geht in Sachen Klimaschutz nichts - aber auch nicht ohne China, das beim CO2-Ausstoß weltweit auf Platz eins steht. Herr Latif, wie kann es gelingen, diese beiden Länder dazu zu bringen, sich aktiv und politisch für den Klimaschutz zu engagieren?

Natürlich ist China jetzt der größte Verursacher von CO2. Aber in der Summe - und nur die zählt - sind die Industrienationen für das Kohlendioxid in der Luft verantwortlich. Sie haben das Problem verursacht - nicht die Chinesen oder die Inder oder die Koreaner! Insofern haben die Industrienationen eine historische Verantwortung und der müssen sie sich stellen.

Deswegen ist das Klimabekenntnis von Obama wichtig - aber jetzt müssen Taten folgen. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass der chinesische CO2-Ausstoß nicht nur von den Chinesen kommt, sondern zum großen Teil auch unser CO2-Ausstoß ist. Denn wir haben sehr viel Produktion nach China verlagert. Deswegen können wir nicht sagen, dass alles, was aus China kommt, auch von den Chinesen zu verantworten ist.

Daher funktioniert es nur über vertrauensbildende Maßnahmen: Wir müssen den Chinesen bei den Klimaverhandlungen ein Stück weit entgegenkommen und dann wären wir auch schon ein Stück weiter.

Sie haben gesagt, Obamas Bekenntnis müssen Taten folgen. Was würden Sie ihm - wenn Sie sein Berater in Sachen Klimaschutz wären - empfehlen?

Ich würde schauen: Wo sind die großen Potenziale? Zum einen ist das die Energiewirtschaft. Ich würde versuchen, die Anlagen zu modernisieren, damit kann man schon sehr viel CO2 einsparen. Dann würde ich eine Effizienzinitiative anstoßen. Denn Amerikaner vergeuden Energie ohne Ende. Das wäre ökonomisch sehr wichtig, aber auch für den Klimaschutz. Langfristig sollten auch die USA die Rahmenbedingungen setzen, damit sich die erneuerbaren Energien dort besser entwickeln können.

Prof. Mojib Latif ist Meteorologe und Klimaforscher. Er arbeitet am Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel.

Das Gespräch führte Judith Hartl.