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Kanzlerkandidatur: Was sagen die Jungen dazu?

20. April 2021

Drei Parteien, drei Kandidaten: Armin Laschet, Annalena Baerbock, und Olaf Scholz wollen nach der Bundestagswahl ins Kanzleramt einziehen. Wie kommen sie bei ihren jungen Partei-Mitgliedern an?

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Deutschland Kombobild | Laschet | Baerbock | Scholz
Von links nach rechts im Bild: Armin Laschet, Annalena Baerbock und Olaf Scholz

Als dann endlich die Entscheidung für Armin Laschet als Kanzlerkandidat der Union gefallen ist, fällt Christian Weiler ein dicker Stein vom Herzen. "Endlich Klarheit", atmet der Kreisvorsitzende der Jungen Union (JU) in Bonn auf, das tagelange Hin und Her im Machtkampf zwischen Laschet und CSU-Chef Markus Söder war für ihn, wie auch für viele der 100.000 Mitglieder starken Nachwuchsorganisation von CDU und CSU, eine harte Belastungsprobe.

Deutschland wählt am 26. September einen neuen Bundestag - und ebnet damit auch den Weg für einen neuen Bundeskanzler oder einer Bundeskanzlerin, denn Angela Merkel tritt nach 16 Jahren im Amt nicht noch einmal an. Stattdessen kämpfen drei Spitzenkandidaten um den Einzug ins Kanzleramt: Armin Laschet, Parteivorsitzender von Merkels Christlich Demokratischer Union (CDU), Olaf Scholz von der Sozialdemokratischen Partei (SPD), derzeit Finanzminister in der amtierenden Regierung, und Annalena Baerbock von Bündnis 90/Die Grünen, der derzeit kleinsten Oppositionspartei im Bundestag.   

Dass die Unionsparteien, also CDU und die bayerische Schwesterpartei CSU, nun mit Armin Laschet den Mann bei der Bundestagswahl ins Rennen schicken, der derzeit in den Umfragen weit hinten liegt, bereitet dem 25-jährigen Studenten und JU-Mitglied Weiler keine Kopfschmerzen. "Armin Laschet hat schon bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen 2017 bewiesen, dass er eine Wahl drehen kann, auch da lag er in den Umfragen weit zurück. Außerdem fließt bis zum 26. September noch viel Wasser den Rhein hinunter."

Dass sie am Rhein an Laschet glauben, hat viel mit der Landtagswahl vor vier Jahren zu tun, als Laschet mit seiner Aufholjagd das scheinbar Unmögliche im sonst so roten Nordrhein-Westfalen schaffte und Ministerpräsident wurde. Die Vertretung aus NRW war so auch der einzige Landesverband der Jungen Union, der sich für Armin Laschet als Kanzlerkandidaten aussprach, 14 junge Landesverbände wollten Markus Söder. In drei Landesverbänden gab es laut JU-Angaben ein "gemischtes Stimmungsbild". 

Christian Weiler hätte auch sehr gut mit dem CSU-Chef leben können, wichtig sei jetzt aber, die nötigen Konsequenzen aus der Kandidatenkür zu ziehen: "Ich fand das gut, dass das öffentlich so diskutiert wurde, nur der Zeitpunkt war viel zu spät. Wir hätten nach der Entscheidung über den CDU-Parteivorsitz im Januar ein klares Verfahren festzurren müssen."

Junge Union glaubt weiter fest an den Wahlsieg im September

Und so blickte Weiler ein wenig neidisch auf die Grünen, die Annalena Baerbock am Montagmorgen viel geordneter und geräuschloser zur Kanzlerkandidatin nominierten. Besonders überrascht war er nicht über die Entscheidung, glaubt aber, dass Robert Habeck die bessere Wahl für die Grünen gewesen wäre. "Habeck verfügt über Regierungserfahrung in Schleswig-Holstein, die hat Baerbock nicht."

Christian Weiler
"Wir müssen die Grünen inhaltlich packen" - Christian WeilerBild: Privat

Dass der lachende Dritte am Ende vielleicht Olaf Scholz sein könnte, kann sich der junge Unionspolitiker nicht vorstellen: "Scholz hat zwar als erster Bürgermeister in Hamburg und auch in der Corona-Pandemie gute Arbeit geleistet, aber er hat im Hintergrund eine Partei, die sehr stark nach links blinkt."

Armin Laschet werde Nachfolger von Angela Merkel sein und damit der neunte Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland, davon ist Christian Weiler felsenfest überzeugt. Digitalisierung und Nachhaltigkeit, also Breitbandausbau und Klimaschutz, gehörten dann ganz oben auf seine Agenda. Und wenn es am 26. September doch nicht für die Union zu Platz Eins reicht? "Dann zur Not auch als Juniorpartner in eine grün-schwarze Koalition, bloß nicht rot-rot-grün." Rot-rot-grün würde neben der SPD und den Grünen auch die Linkspartei mit einschließen.

Grüne blicken nach vorne und wollen Veränderung

Mara Richarz könnte mit diesen beiden Wahlausgängen dagegen sehr gut leben. Sie ist seit zwei Jahren bei der Grünen Jugend in Bonn. Die Klimakrise hat sie wie viele der 15.000 Mitglieder der Jugendorganisation politisiert. Und seitdem, könnte man sagen, hat die 20-Jährige einen Lauf: für die Grünen ging es im Bund in den Umfragen immer weiter nach oben und auf Kommunalebene sorgte die Studentin im Straßenwahlkampf mit dafür, dass das konservative Bonn seit einem halben Jahr mit Katja Dörner zum ersten Mal eine grüne Oberbürgermeisterin hat.

"Bei Annalena Baerbock geht der Blick immer nach vorne, wir Grüne wollen wirklich etwas verändern. Das ist das, was ich bei Angela Merkel und der Union grundsätzlich vermisse: dort wird immer nur hinterher gerannt und zurückgeschaut", sagt sie. Mit der Entscheidung für Baerbock war Richarz sehr glücklich, aber auch Robert Habeck wäre für sie die richtige Wahl gewesen. 

"Wie wir das am Montag über die Bühne bekommen haben, macht mich sehr stolz. Auch, dass vorher nichts über die Entscheidung für Annalena Baerbock durchgedrungen ist und, dass sich niemand bei uns im Vorfeld für sie oder Robert Habeck positioniert hat." Im großen Gegensatz dazu: das Gerangel bei der Union. "Das ist ein schlechtes Statement nach außen, dass in der aktuellen Lage, mitten in der dritten Corona-Welle, Machtkämpfe und das Profilieren bei der Union im Vordergrund steht", sagt die junge Grüne.

Junge Grüne wollen jetzt mehr

Mara Richarz ist optimistisch, dass der Lauf der Grünen anhält und Baerbock bis ins Kanzleramt spülen kann, Klimaschutz und Umweltpolitik seien schließlich in der Masse der Gesellschaft angekommen. Und die Grünen seien die glaubwürdigste Partei dafür. Und was ist mit Armin Laschet? "Kann nur Kompromisse, hat wenig Führungsqualität und ist dafür verantwortlich, dass wir den Kohleausstieg erst 2038 haben." Und Olaf Scholz? "Ist nicht glaubhaft progressiv, hat zu lange an der schwarzen Null festgehalten und steht für die alte SPD."

Mara Richarz von der Grünen Jugend Bonn
"Beim Klimaschutz wird immer gesagt, wir hören Euch. Aber es wird viel zu wenig getan" - Mara Richarz Bild: Privat

Richarz will sich die nächsten Monate genau für die Koalition ins Zeug legen, die Christian Weiler unbedingt verhindern will: rot-rot-grün. Und wenn es dafür nicht reicht, bleibe ja noch der Weg als Juniorpartner in ein schwarz-grünes Bündnis. "Ich glaube, dass wir am 26. September auf jeden Fall einen Grund zum Feiern haben."

Jusos und SPD als lachende Dritte?

Doch vielleicht kommt alles ja ganz anders und in einem knappen halben Jahr lässt Carla Diez die Korken knallen. Die 24-jährige war schon in der Schulzeit politisch aktiv und ist seit drei Jahren bei den Jusos. Es konnte eigentlich nur die Jugendorganisation der SPD werden, denn die Studentin treibt vor allem ein Thema um: die soziale Gerechtigkeit. Und das könnte bei der Bundestagswahl möglicherweise das Wahlkampfthema Nummer Eins werden.

Carla Diez von den Jusos
"Die Pandemie-Bekämpfung hat viel Politikverdrossenheit erzeugt" - Carla DiezBild: privat

"Am 26. September muss es einfach einen Wechsel geben. Es gibt so viele Themenfelder, die erst dann angepackt werden, wenn sie als Probleme auf dem Tisch liegen", sagt Diez. Das Kalkül vieler der 70.000 JungsozialistInnen in Deutschland: eine Wechselstimmung im Land, welche vor allem die Union und Armin Laschet Stimmen kostet. Und gleichzeitig die Befürchtung vieler WählerInnen, dass eine Annalena Baerbock zu unerfahren für den Job der Kanzlerin ist.

Bleibt der lachende Dritte: Der Kanzlerkandidat der SPD, Olaf Scholz, der quasi gleichzeitig, so Diez, Stabilität und Neuanfang verkörpere. "Scholz zeichnet zum einen seine große Regierungserfahrung aus und, dass er in der Corona-Pandemie als Finanzminister gezeigt hat, wie schnell er wirtschaftliche Programme auflegen kann, welche die Situation spürbar verbessern", sagt sie," und er hat auch im vergangenen Jahr seine Wandlungsfähigkeit gezeigt, weg von der schwarzen Null."

Wahlprogramm liegt vor, es bleibt das Umfragetief

Carla Diez und ihre SPD waren in diesen Tagen in der Rolle der Zuschauerin, Schlagzeilen machte der Machtkampf bei der Union ("Ich bin fassungslos, wie man die Personalfrage so klären kann") und die Nominierung bei den Grünen ("Wir haben unseren Kanzlerkandidaten ja schon lange gekürt, auch unser Wahlprogramm liegt schon vor. Neidisch bin ich nicht auf die Grünen, ich freue mich auf den politischen Wettstreit").

Doch Diez weiß auch: bislang kommt die SPD in den Umfragen nicht vom Fleck, dümpelt bei um die 15 Prozent herum. Die Jungsozialistin hat dafür eine einfache Erklärung: "Das Problem meiner Partei ist leider, dass wir es noch nicht geschafft haben, unsere gute Regierungsarbeit deutlicher zu machen, um so die WählerInnen zu begeistern."

Carla Diez wird, sofern es die Corona-Pandemie zulässt, ihren Teil dazu beitragen, das zu ändern. An den Wahlkampfständen der SPD auf die Menschen zugehen und sie fragen, wie es sein kann, dass es in Deutschland eine Zwei-Klassen-Gesellschaft gibt: "Gerade in der Corona-Pandemie haben wir gesehen, wie sehr die Schere gerade beim Thema Bildung auseinander gegangen ist, viele Kinder haben schlichtweg keine Chance. Das finde ich schockierend!"

Ob Laschet, Scholz oder Baerbock: Die Kandidaten an der Spitze stehen fest, nun ist es an der Basis, auch an den jungen Verbänden, die Wähler und Wählerinnen für ihr Programm zu überzeugen. Knapp fünf Monate bleiben ihnen noch dafür.